Dialog zahlt sich aus
Dr. Werner Schaeppi ist Kommunikationsforscher und -berater bei der Kommunikationsagentur Creafactory und beim Marktforschungsinstitut mrc research & consulting in Zug. Er ist Mitbegründer und Mitinhaber beider Agenturen.

Bauen ist anspruchsvoll und zeitintensiv. Selbst bei kleineren Projekten kann es von der Vision bis zur Baugenehmigung mehrere Jahre dauern. Vor allem dann, wenn noch eine formelle öffentliche Mitwirkung in grösserem Rahmen oder gar eine Volksabstimmung nötig werden. Damit das Resultat positiv ausfällt und der Aufwand am Ende nicht umsonst war, sollte die Kommunikation so früh wie möglich einsetzen. Nur so sind private und öffentliche Interessen in Einklang zu bringen, sagt Dr. Werner Schaeppi, Spezialist für Bau- und Immobilienkommunikation.Man hat den Eindruck, dass Kommunikation in Bauprozessen eine immer grössere Rolle spielt.
Das ist richtig. Zum einen beobachten wir, dass das Bedürfnis nach Mitsprache gestiegen ist. Unsere Landschaft und unsere Städte haben sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert, und diese Dynamik ist nahezu ungebrochen. Da ist es verständlich, wenn Menschen mitreden wollen. Das basiert auf dem Bedürfnis, sich im schnellen Wandel zurechtzufinden und auf einer damit verbundenen Auseinandersetzung mit der Frage: Wie wollen wir leben? Das ist eine gesellschaftspolitische Frage, die in einer Demokratie durch Mitsprache entschieden wird. Zum anderen generiert Verdichtung eine höhere Zahl von Menschen auf demselben Raum, und so ist nicht nur das Bedürfnis nach Mitsprache gestiegen, sondern auch die Zahl jener, die mitreden. Es ist also heute vielfach nicht mehr möglich, direkt zwischen Bauherrschaft und Behörden Entscheidungen auszuhandeln. Und für einen wirksamen Interessenausgleich in diesem breiteren Sinne greifen die heutigen baurechtlichen Mitwirkungsverfahren oft zu kurz. Wenn ein Projekt in einem Parlament, in der Gemeindeversammlung oder an der Urne eine Mehrheit gewinnen will, muss der Dialog frühzeitig einsetzen, sorgfältig geführt sein und alle relevanten Anspruchsgruppen miteinbeziehen.
Die Gesetzgebung schreibt ja in vielen Fällen Mitbestimmung vor. Reicht das nicht aus?
Die Form der Mitwirkung in baurechtlichen Verfahren wird von den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich gehandhabt. Eine übliche Form besteht in der Information über das jeweilige Vorhaben in Form einer öffentlichen Auflage des fertig ausgearbeiteten Projekts, allenfalls in Kombination mit einem vorausgehenden Informationsanlass oder einer Medieninformation. In dieser Phase beteiligt sich aber meist nur ein sehr kleiner Kreis von direkt Betroffenen und speziell Interessierten an der Diskussion. Kommt es dann in einer späteren Phase des Projektes zu mehr Öffentlichkeit oder gar zu einer Volksabstimmung, so haben viele Stimmbürger das subjektive Empfinden, vor vollendeten Tatsachen zu stehen statt ihre Anliegen und Bedürfnisse effektiv einbringen zu können. Ein «Nein» an der Urne, aber auch die Tendenz, Entscheide im Nachhinein juristisch anzufechten und zu verzögern, können durchaus Ausdruck solch negativer Empfindung sein.
Was verstehen Sie unter echter Mitwirkung? Und sind Mitwirkungsverfahren nicht langwierig und kostspielig?
Die Investition in Mitwirkung zahlt sich aus. Ein Beispiel: Auf dem ehemaligen Areal der Papierfabrik Cham sollen in den nächsten Jahren auf rund 110 000 m²Wohnungen und Gewerbebauten in baulicher Verdichtung realisiert werden. Über den Bebauungsplan «Papieri» und die damit verbundene Umzonung der Industrie- und Gewerbezone in eine Wohn- und Arbeitszone mussten die Chamer Stimmbürger an der Urne abstimmen. Die Bauherrschaft war in diesem Fall bereit, eine bereits bestehende Konzeption ad acta zu legen und sich stattdessen in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde auf ein breit angelegtes Mitwirkungsverfahren einzulassen. Damit ging die Planung gewissermassen von vorne los, aber diesmal mit dem Unterschied, dass die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Cham Gelegenheit hatten, sich einzubringen. Sie nahmen an Workshops teil und konnten in verschiedenen Projektphasen Rückmeldung geben. Im September 2016 wurde das Projekt an der Urne mit überwältigender Mehrheit angenommen. Andere Grossprojekte in der Region hatten im gleichen Zeitraum weniger Erfolg und bezahlen die fehlende Akzeptanz unter anderem mit empfindlichen Zeitverlusten.
Kann man denn im Nachhinein überhaupt schlüssig erkennen, warum ein Projekt an der Urne erfolgreich war oder letztlich gescheitert ist? Lag es zum Beispiel im Einzelfall an der Information oder Mitwirkung oder an der Qualität des Entwurfes?
Das lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten. Will man für die Zukunft lernen, muss man jeden Fall im Einzelnen analysieren: Wurde ein gescheitertes Projekt vielleicht an den Bedürfnissen des Stimmvolks vorbei geplant? Stand die Gemeinde wirklich dahinter? usw. Aber eben: Kommunikation kann und sollte dafür genutzt werden, diese Fragen vorher zu klären und positiv Einfluss zu nehmen. Man muss mit den Menschen sprechen, Argumente hören, die Stimmung spüren. Workshops sind ein gutes Mittel dafür, denn dort können sich auch Kritiker einbringen, und meist nehmen wichtige Opinionleader teil. Aber dann müssen die Erkenntnisse daraus auch der Öffentlichkeit vermittelt und über geeignete Feedback-Kanäle gewissermassen validiert werden.
Es geht also um breite Information und Diskussion auf vielen Kanälen. Kann es auch zu viel werden?
Ich habe noch nie erlebt, dass ein Projekt gescheitert ist, weil zu viel kommuniziert wurde. Aber sicher hängen Wahl und Ausmass der Mittel und Massnahmen vom Projekt und dessen Kontext ab. Nach unserer Erfahrung waren Projekte immer dann erfolgreich, wenn sie besonders sorgfältig und bidirektional kommuniziert wurden, also die Möglichkeit für Dialog bestand.
Was kann Kommunikation leisten, wenn ein Projekt die Menschen einfach nicht überzeugt? Gerade in Verdichtungsprojekten liegt ja viel Konfliktpotenzial: die Infrastruktur stösst an Kapazitätsgrenzen, Freiraum geht verloren und unter Umständen Identität …
Wenn man diese Folgen nicht angemessen durch subjektiv relevanten Nutzen kompensiert, wird es schwierig mit der Akzeptanz. Verdichtung muss für alle Betroffenen einen Mehrwert erbringen, nicht nur für Bauherrschaft und Investoren. Da Mehrwert aber für jeden etwas anderes bedeutet, muss man ins Gespräch kommen. Am besten frühzeitig, denn dann kann man Projekte nach realen Bedürfnissen planen. Als eine Art Best-Practice-Beispiel in dieser Hinsicht verweise ich etwa auf die Kommunikation in der Genossenschaftssiedlung Klosterbrühl in Wettingen. Vor der anstehenden Totalsanierung mit dem Ziel, von 130 auf rund 200 Wohnungen zu verdichten, hat die Bau- und Siedlungsgenossenschaft «Lägern Wohnen» die Meinungen und Wünsche der Bewohner in Gruppengesprächen ermittelt. Darin zeigten sich die Bewohner als vernünftige und motivierte Partner, die der Bauplanung interessante Erkenntnisse lieferten, die dann direkt in die Wettbewerbsaufgabe einflossen. So profitieren am Ende Bewohner wie Ersteller von einem bedarfsgerechten, sympathischen Produkt mit hohem Identifikationspotenzial. Eine erste Bestätigung für das Projektteam bestand darin, dass die Genossenschafter aus allen Liegenschaften von «Lägern Wohnen» den Projektierungskredit an der Generalversammlung annahmen. Ohne eine einzige Gegenstimme. Der vorliegende Artikel gehört zur Reihe «Verdichtet bauen», einer Zusammenarbeit von «Architektur + Technik», Creafactory, Agentur für Marketing und Kommunikation, und der HIG Immobilien Anlage Stiftung.
