Ein anspruchsvoller Balanceakt

Mit Dr. Maria Lezzi, Direktorin des ARE, sprachen wir über die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG). Der erste Teil der Revision ist seit dem 1. Mai 2014 in Kraft, die Vernehmlassung zur zweiten Teilrevision ist Ende August abgelaufen. Der Bundesrat wird voraussichtlich 2018 über die Botschaft zu RPG 2 entscheiden.

Dr. Maria Lezzi i
Dr. Maria Lezzi ist seit Juli 2009 Direktorin des Bundesamts für Raumentwicklung ARE. Von 1996 bis 2001 war die promovierte Geografin stellvertretende Geschäftsführerin der Regio Basiliensis, der Schweizer Partnerin in der internationalen Zusammenarbeit in der Grenzregion am Oberrhein. Danach leitete sie acht Jahre lang die Hauptabteilung Planung im Hochbau- und Planungsamt des Kantons Basel-Stadt.
Die Revision des Raumplanungsgesetzes
Interview: Uwe Guntern

Mit Dr. Maria Lezzi, Direktorin des ARE, sprachen wir über die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG). Der erste Teil der Revision ist seit dem 1. Mai 2014 in Kraft, die Vernehmlassung zur zweiten Teilrevision ist Ende August abgelaufen. Der Bundesrat wird voraussichtlich 2018 über die Botschaft zu RPG 2 entscheiden.Der Schwerpunkt des ersten Teils der Reform lag auf der Siedlungsentwicklung nach innen. Was hat sich in den dreieinhalb Jahren seit deren Inkraftsetzung getan?

Es liegen neun revidierte und vom Bundesrat genehmigte kantonale Richtpläne vor, welche die Innenentwicklung planerisch umsetzen. Weiterhin gibt es eine grosse Anzahl Initiativen und Sensibilisierungs-Kampagnen auf Gemeinde- und Kantonsebene. Bei den Gemeinden stellen wir fest, dass das Bauen auf der grünen Wiese vorbei ist. Auch hier hat es einen Paradigma-Wechsel gegeben. Es herrscht ein neues Planungsverständnis vor: Innenentwicklung kommt nun vor Aussenentwicklung.

Die Kantone und Gemeinden dürfen nach der Teilrevision nur so viel Land einzonen, wie sie in den nächsten fünfzehn Jahren voraussichtlich benötigen werden. Das hat zur Folge, dass es Gemeinden gibt, die auszonen müssen. Akzeptieren dies die Gemeinden?

Die Akzeptanz der Auszonung ist politisch heikel, nicht zuletzt sind natürlich auch Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer involviert. Kantone, wie zum Beispiel Aarau oder Uri, haben in ihren Richtplänen Vorgaben gemacht, die zur Folge haben werden, dass Gemeinden auszonen müssen. So weit wir wissen, ist dies problemlos angelaufen.

Bei Einzonungen wird künftig der Planungsmehrwert abgeschöpft: Steigert sich der Wert eines Grundstücks durch eine planerische Massnahme, gehen mindestens zwanzig Prozent davon an die Gemeindebehörde. Verhindert diese Gebühr nicht Investitionen, da sie preistreibend wirkt?

Nein, überhaupt nicht. Die Gebühr hat keinen Einfluss, denn der Markt bestimmt den Preis. Der Gewinn der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer wird zwar etwas geschmälert. Aber Immobilien-Investoren akzeptieren dies mehrheitlich, sie wollen nur frühzeitig wissen, wie es geregelt ist.

Für den Investor ist die Mehrwertabgabe mit viel Unklarheit verbunden, und es läuft auf Verhandlung hinaus. Wie sind die Entschädigungen an die Gemeinde geregelt?

Hier müssen wir sehr genau unterscheiden. Grundsätzlich gibt es im RPG Minimalanforderungen. Sie beziehen sich auf Einzonungen, nicht aber auf Auf- oder Umzonungen. Wie diese Einnahmen auf Kanton und/oder Gemeinde verteilt werden, ist eine kantonsinterne Angelegenheit. Im Gesetz ist ausserdem klar geregelt, diese Einnahmen prioritär für allfällige Entschädigungszahlungen bei Auszonungen zu verwenden. Doch zuerst müssen die Zahlungen überhaupt fällig werden. Das Bundesgericht hat sich bislang nur in wenigen Fällen für eine Entschädigung ausgesprochen. Nur in seltenen Fällen ist eine Entschädigung Pflicht, selbst dann, wenn nach 1980 eingezont wurde.

Die zweite Etappe der RPG-Revision (RPG 2) steht nun im Blickpunkt. Der Bundesrat hat eine abgespeckte Variante Ende Juni in eine zweite Vernehmlassung geschickt. Der Schwerpunkt liegt beim Bauen ausserhalb der Bauzone und damit auch beim Kulturland. Warum braucht es eine zweite Teilrevision?

Bei der ersten Teilrevision haben wir uns auf die Siedlungsentwicklung nach innen konzentriert. Im Siedlungsgebiet sind der Druck und die Regelungsdichte höher. Es könnte daher geschehen, dass auf Nicht-Baugebiet ausgewichen wird. Und das wollen wir definitiv nicht. Unsere Ambitionen und unser Auftrag lauten zudem, Anpassungen im Gesetz aus einer Gesamtsicht vorzunehmen und nicht aufgrund einzelner Interessen. Mit RPG 2 haben wir diese Gesamtsicht daher in Bezug auf das Bauen ausserhalb der Bauzonen frühzeitig vorgelegt. Dabei berücksichtigen wir unter anderem auch den beschleunigten Strukturwandel in der Landwirtschaft. Schliesslich sollen die vorgeschlagenen Regelungen für die nächsten 15 bis 20 Jahre relevant bleiben. Hierzu ein Beispiel: Bisher mussten Landwirte bei Bauvorhaben nachweisen, dass sie längerfristig existieren können. Dies heutzutage nachzuweisen, ist sehr schwierig. Deshalb nehmen wir davon Abstand und sagen: Den Nachweis müssen Landwirte künftig nicht mehr liefern. Ist aber ein Bau für einen bestimmten Zweck bewilligt worden, und fällt dieser Zweck nun weg, soll eine Beseitigungsauflage greifen.

Die zweite Teilrevision möchte mit dem Planungs- und Kompensationsansatz den Kantonen mehr Spielraum verschaffen. Die Siedlungsfläche ausserhalb der Bauzone wächst immer noch. Wie kann mit dem neuen Ansatz die Überbauung der Landschaft gestoppt werden?

In bestimmten Bereichen Abweichungen zuzulassen, bietet bessere Lösungen. Man erhält etwas mehr, muss aber auch etwas dafür geben. Das ist das wirklich Neue des Planungs- und Kompensationsansatzes, wie wir ihn vorgeschlagen haben. Dies ist ein anspruchsvoller Balanceakt, damit nicht die Trennung zwischen Siedlungs- und Nicht-Siedlungsgebieten aufgegeben wird.

Der Bund wollte mit RPG 2 die Regelungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen vereinfachen. Gelingt dies mit dem vorliegenden Entwurf?

Unsere erste Prämisse lautete: Die Bestimmungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen müssen verständlicher werden. Bedenken Sie, dass diese Regulierungen über die Jahrzehnte «organisch gewachsen» sind. Nur wer sich täglich damit beschäftigt, findet sich heute damit zurecht. In dem Vernehmlassungsentwurf haben wir die Bestimmungen neu gegliedert: In das, was allgemein gilt, was zonenkonform ist und welches die Ausnahmen sind. Nur schon diese Neugliederung erhöht die Verständlichkeit.

Zur Unübersichtlichkeit der Regelungen tragen die zahlreichen Ausnahmen bei. Es gibt solche für Hobby-Tierhaltung, für Rustici und andere Partikular-Interessen. Ersetzt der Planungs- und Kompensationsansatz diese Ausnahmen? Geht es in diesem Stil weiter?

Ganz klar: nein! Es soll eben nicht so weitergehen. Noch mehr Ausnahmen sind genau das, was wir nicht wollen. Die Regelungen durch Bundesrecht gelten für die ganze Schweiz, ohne Rücksicht auf regionale Besonderheiten. Der neue Planungsansatz bietet aber die Möglichkeit, regionale Abweichungen zu berücksichtigen. Dafür muss jedoch eine Gegenleistung erbracht werden. Also keine zusätzlichen Ausnahmen, sondern nur in bestimmten Fällen massgeschneiderte Lösungen. Diese Stossrichtung wird von vielen kantonalen Stellungnahmen unterstützt.

Die Zersiedelungs-Initiative legt einen Schwerpunkt auch auf das Bauen ausserhalb der Bauzone und damit auf das Kulturland. Die Bauzonenfläche soll eingefroren und jede Einzonung mindestens flächengleich kompensiert werden, sodass der landwirtschaftliche Ertragswert insgesamt auf demselben Niveau bleibt. Was spricht gegen diese Lösung?

Sie ist unnötig! Es braucht weder einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag noch einen Gegenentwurf. Denn die erste Revisionsetappe des RPG geht schon in die richtige Richtung. Die Bestimmungen sind streng und werden jetzt umgesetzt.

Während mit der ersten und zweiten Revision des RPG das Kulturland weiterhin abnimmt, schiebt diese Initiative diesem Schwund einen Riegel. Da können Sie ja nicht dagegen sein.

Wir sind sehr für einen sorgsamen Umgang mit Kulturland. Aber der Vorschlag, wie er in der Zersiedlungs-Initiative präsentiert wird, ist gleichmacherisch. Er sieht vor, dass die Gesamtfläche an Bauzonen dauerhaft eingefroren wird. Er nimmt so keine Rücksicht darauf, wie die Kantone aufgestellt sind. Dadurch werden diejenigen, die bis jetzt sehr sorgsam mit dem Boden gehaushaltet haben, benachteiligt.

Wie wird mit den zahlreichen, teils gegensätzlichen Stellungnahmen zu RPG 2 weiter umgegangen?

Die Auswertung läuft noch. Es sind 245 Stellungnahmen eingetroffen, denen wir Rechnung tragen werden. Grundsätzlich gehen der Bundesrat und auch wir in eine Vernehmlassung, weil wir an den Antworten interessiert sind. Auch diesmal sind wertvolle Beiträge dabei, die uns weiterbringen.

Woran orientiert sich die Interessenabwägung seitens des Bundes, beziehungsweise wie sieht die Raumentwicklungsstrategie für die nächsten Jahre aus?

Die planerische Interessenabwägung ist unser Kerngeschäft. Es gibt limitierten Raum und unendlich viele Interessen. Kommt es beispielsweise zu einer Nutzungsplanänderung, einer Einzonung oder einer Umzonung, muss die Gemeinde in einem Planungsbericht erläutern, weshalb eine bestimmte Nutzung genau an diesem Standort und in diesem Ausmass vorgesehen ist und nicht woanders. Hat sie bei dieser raumwirksamen Aufgabe Handlungsspielräume, wägt sie die betroffenen Interessen gegeneinander ab. Diese Interessensabwägung hat sie in der Begründung ihrer Beschlüsse darzulegen. Solche Dokumentationen helfen den Stimmberechtigten nachzuverfolgen, wie das Planungsvorhaben zustande gekommen ist, ob es korrekt gelaufen ist oder nicht. Ähnliches gilt auf Stufe kantonaler Richtplan oder Sachplanung des Bundes. Interessensabwägungen werden in Zukunft zunehmen. Wir haben knappe Ressourcen. Es ist nicht alles überall (mehr) möglich. Dies bedingt Entscheide und das Setzen von Prioritäten. Laissez-faire wäre fahrlässig. Vergessen wir nicht: Letztlich geht es darum, dass wir den Lebens- und Wirtschaftraum Schweiz für uns, unsere Kinder und Kindeskinder erhalten und attraktiv gestalten. Darin sehe ich unsere Hauptaufgabe, die wir zusammen mit Kantonen und Gemeinden anpacken müssen.

Der vorliegende Artikel gehört zur Reihe «Verdichtet bauen», einer Zusammenarbeit von «Architektur +Technik», Creafactory, Agentur für Marketing und Kommunikation, und der HIG Immobilien Anlage Stiftung.

«Die Bestimmungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen müssen verständlicher werden.»
«Es geht darum, den Lebens- und Wirtschaftsraum Schweiz für uns, unsere Kinder und Kindeskinder zu erhalten und attraktiv zu gestalten.»
Kantone und Gemeinden
Die Kantone und Gemeinden dürfen nach der ersten Teilrevision nur so viel Land einzonen, wie sie in den nächsten fünfzehn Jahren voraussichtlich benötigen werden. Fotos: Yves Maurer
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