Gesundheitsbauten – Ein Hotel für Patientinnen und Patienten?
in Hotel für Patientinnen und Patienten hört sich zunächst wie eine luxuriöse Privatleistung an. In Skandinavien sind sogenannte Patientenhotels jedoch oft ein integraler Bestandteil eines Spitals.

Ein Hotel für Patientinnen und Patienten hört sich zunächst wie eine luxuriöse Privatleistung an. In Skandinavien sind sogenannte Patientenhotels jedoch oft ein integraler Bestandteil eines Spitals. Sie tragen zu einer Reduktion der Gesundheitskosten bei und werden seit den 1990er-Jahren gebaut. In der Schweiz wird das Patientenhotel sehr zögerlich umgesetzt, obwohl die Ausgaben für die stationäre und ambulante Behandlung steigen. Durch die Einführung der Fallpauschalen 2012 haben sich die Aufenthaltszeiten zwar verringert, aber 2015 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Schweizer Spitälern 8,3 Tage. Im Gegensatz dazu betrug sie 2013 in Schweden 4,6 Tage und in Finnland 5,4 Tage. Dafür sind u.a. auch die über 60 Patientenhotels verantwortlich, die in unmittelbarer Nähe von Spitälern gebaut worden sind. Die Zuweisung geschieht über die behandelnden Ärzte im Spital. Wenn Patienten nicht ständig auf akutstationäre Pflege-, Behandlungs- und Diagnoseressourcen angewiesen sind, können sie ins Hotel übersiedeln. Dort wird eine interdisziplinäre und flexible Pflege angeboten. Untersuchungen und Therapien werden zu festen Terminen im angeschlossenen Spital durchgeführt, die Mahlzeiten werden im Hotelrestaurant eingenommen. Angehörige können kostengünstig mit im Zimmer einquartiert werden. Zimmer und Bäder sind mit Notalarmen ausgestattet, oder Patienten tragen ein Notrufarmband.Im Patientenhotel wird Raum für Individualität und Privatheit geboten, was zu einem gesteigerten Wohlbefinden beiträgt. Das Hotel kann den in den letzten Jahren gestiegenen Bedürfnissen von Patienten entgegenkommen. Darüber hinaus spart das Spital mit jeder Nacht, die ein Patient im Patientenhotel liegt, rund 80 Prozent der Personalkosten im Vergleich zu einer Normalstation. Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf sind gut aufgesetzte Prozesse und Behandlungspfade, die zwischen Klinikleitung und Patientenhotel erarbeitet werden.
Auch für die Schweiz lohnenswert
In der Schweiz gibt es seit 2016 ein Patientenhotel auf dem Campus des Universitätsspitals in Lausanne. Dort werden Patientinnen und Patienten mit Fallpauschalen für vor- oder nachgelagerte Betreuung und für ambulante Behandlung sowie Angehörige und reguläre Hotelgäste empfangen. Insbesondere Zimmer in der Geburtshilfeabteilung, in der Frauen vor und nach der Niederkunft mit Angehörigen verweilen können, erfreuen sich offenbar grosser Nachfrage. Die durchschnittliche Verweildauer im Hotel beträgt vier bis fünf Tage.
Mit dem Konzept Patientenhotel würden sich auch in der Schweiz Gesundheitskosten senken lassen. Warum aber entscheiden sich nicht mehr Spitäler für diese Lösung? Nach Auskunft des Patientenhotelbetreibers Reliva AG in Lausanne liegen die Herausforderungen vor allem in einem Kulturwechsel, der voraussetzt, dass das medizinische und pflegende Personal seine Gewohnheiten bei der Patientenbetreuung ändert. Weiterhin gibt es die Tendenz, die ambulante Patientenbetreuung der stationären vorzuziehen. Politisch gibt es viele Faktoren, die derartige Entwicklungsprozesse beeinflussen, dazu gehören auch die kritischen Diskussionen über die Fallpauschalen und die Tarmed-Tarife. Obwohl die Schweiz ein kleines Land ist, ergeben Patientenhotels Sinn, weil sie eine modifizierbare Überwachung und Pflege anbieten können und sich so der berühmte Drehtüreneffekt vermeiden lässt, der durch zu frühe Entlassungen entsteht. Mit einem Aufenthaltstag weniger im Spital könnten durchschnittlich 1500 Franken pro Patient eingespart werden. Hier würde sich ein Kulturwechsel in jedem Fall lohnen. ●