Hotels und Restaurants – Was ist das Erlebnis?
Manuel Pestalozzi hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Von 1997 bis 2013 war er Redaktor von Architektur+Technik. Anschliessend gründete er die Einzelfirma Bau-Auslese, die sich der Informationsvermittlung widmet.

Gemäss Wikipedia hiess das Wort Gast ursprünglich «Fremdling». Es bezeichnete Leute, die man nicht kannte und über deren Absichten man sich nicht im Klaren war. So gibt es zwar in allen Kulturen eine Tradition der Gastfreundschaft, oft wird sie aber auch begleitet von einem latenten Misstrauen gegenüber den Fremden. Baut und gestaltet man fürs Gastgewerbe, gilt es also die Balance zu finden zwischen vertrauensbildenden Massnahmen und Manifestationen einer nonchalanten Unverbindlichkeit. Zwischen delikater Raffinesse und einer Robustheit, die in der Lage ist, Kurzaufenthalte einer Abfolge unterschiedlich besaiteter Zeitgenossinnen und -genossen zu überstehen. Denn Gäste zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie nicht nur kommen, sondern auch wieder gehen.
Fokus oder Seitenlinie?
Das Gastgewerbe befasst sich mit Kurzaufenthalterinnen und -aufenthaltern. Ihm obliegt es, deren Bedürfnisse zu erkennen, aus den Fremdlingen so etwas wie Freunde zu machen. Im Idealfall werden sie vertraute Stammgäste, die zwar nicht immer da sind, aber hoffentlich doch immer öfter.
Wie stellt man es an? Offenbar gibt es zwei Hauptwege: Diskretion und Auffälligkeit. So stellt sich eine Grundsatzfrage: Soll das Restaurant, das Hotel die Hauptrolle spielen, der Magnet, der die Gäste durch seine Beschaffenheit erst anzieht? Oder soll es bloss den eleganten, komfortablen Rahmen abgeben für die Hauptsache – sei das im Fall des Hotels nun eine Stadt, eine Konferenz, das Glücksspiel oder die sportliche Betätigung, im Fall des Restaurants die Begegnung von Menschen, die für ihr Beisammensein nicht mehr als Diskretion und einen guten Service erwarten. Beide Wege können zum Erfolg führen – und sie können sich in einem Lokal oder Gästehaus auch kreuzen und geradezu verflechten. Dennoch vertreten sie Gegensätze, die in gestalterischer Hinsicht eine unmissverständlich abgrenzende Haltung verlangen.
Der richtige Hintergrund
Seit über 150 Jahren gibt es im Gastgewerbe Betriebe, die auch über die Architektur und die Gestaltung der Innenräume um Kundschaft werben. Seither spielt die Szenografie beim Bauen fürs Gastgewerbe eine wichtige Rolle. So wurden im 19. Jahrhundert «Bürgerkeller» oder «Schlösser» entworfen, welche Gäste mit einer spezifischen Stimmung anlocken wollten. Diese Adressen wurden wie Bühnen hergerichtet – während im Hintergrund eine effiziente Organisation für Komfort sorgte, denn die Versorgung der Gäste musste schon damals rationell und kosteneffizient erfolgen.
Die Frage des richtigen Hintergrunds stellt sich aber auch auf der Ebene des Verhältnisses des Betriebs zu seiner Umgebung. Wenn ein Hotelzimmer den freien Blick aufs Matterhorn verspricht, welche Rolle spielt dann der Aufbewahrungsort des Bademantels? Wenn man am Ufer des Ganges diniert, ist es dann wichtig, ob eine Kerze oder eine LED den Tisch beleuchtet? Was zählt, ist das Erlebnis, welches ein Hotel oder ein Lokal seinen Gästen bereiten möchte. Auf ihm muss die Planung beruhen. Und das Erlebnis ist nicht immer die Architektur. Es kann sein, dass diese eher zudienen muss und schlicht nicht stören soll.
An dieser Stelle sollte der Begriff Flexibilität nicht fehlen. Hotel- oder Restaurantkonzepte sind nicht immer langlebig. Plötzlich ändert sich der Charakter oder das Prestige des Standorts, mitunter stellt man auch fest, dass Gäste das Erlebnis nicht mehr goutieren. Deshalb sollte die Architektur des Gastgewerbes so beschaffen sein, dass mit vertretbarem Aufwand eine Neuausrichtung möglich ist. ●