Schon das Projektvorhaben richtig kommunizieren
«Hier entsteht ein neuer Stadtteil», «Hier wächst Zukunft!». Vielerorts Gerüste, Krane, Bautafeln. In den Ballungszentren wird rege gebaut, vermarktet und vermietet. Doch was genau entsteht? Was erzählen solche Bautafeln den vorbeifahrenden oder -gehenden Menschen? Leider wenig.

Veränderungen in der Projektentwicklung
Doch das Blatt hat sich gewendet. Erst waren es die Büro-, dann die Ladenflächen, und neuerdings laufen auch die Wohnungen Gefahr, nach ihrer Fertigstellung unvermietet zu bleiben. In der Baubranche ist jetzt Herausragung aus der Masse gefragt, Nachhaltigkeit durch Partizipation und innovative Ideen. Um aus der Masse herauszuragen, ist es unumgänglich, vorab eine tragende Idee bezüglich Nutzung und Identität auszuarbeiten. Entsprechende Projekte verdienen eine authentische Kommunikation, die mehr auf Inhalte als auf Äusserlichkeiten eingeht.
Die Vernetzung, die Digitalisierung, die sozialen Medien haben zu einem veränderten Verhalten beigetragen. Oberflächliches wird schnell durchschaut, Engagement und Authentizität sind gefragt. Marken und Unternehmen, die auch zukünftig eine relevante Rolle im Leben der Menschen einnehmen wollen, müssen diese gesellschaftlichen Veränderungen verstehen und ihre Chancen auch richtig nutzen. Unternehmen müssen sich vom Wachstumsdenken und von ihrem stark selbstzentrierten Marken- und Produktdenken lösen und stattdessen ihr Augenmerk wieder darauf richten, was die Menschen heute bewegt. Manche Blogs offenbaren mehr über die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen als eine breit angelegte Marktforschung.
Um Veränderungen zu kommunizieren, braucht es mehr als nur Worthülsen in Imagebroschüren. «In Szenarien denken, vernetzt denken. Auf keinen Fall davon ausgehen, Gesellschaft und Umfeld, in denen wir heute leben, würden immer so bleiben. Jede Handlung im Gesamtzusammenhang betrachten und alle möglichen Konsequenzen bedenken», bezeichnet Peter Metzinger in «Business Campaigning» als wichtige Faktoren für Kampagnen mit grosser Wirkung. Campaining ist die Kunst, die Einstellungen von Menschen zu beeinflussen, zu ändern und sie davon zu überzeugen, dass dieses Vorhaben «gut» ist. Weiter heisst es: «Das Arbeiten in der Gruppe stärkt das Involvement und die Identifikation und liefert direkt die erste Fan-Community mit. Nach dem Motto: Menschen, die wissen, für was und wie sie sich engagieren, sind die überzeugendsten Botschafter.»
Projektkommunikation versus Vermarktung
In der Immobilien- oder Arealentwicklung werden Projekte oft erst zu Vermarktungszwecken kommuniziert, wenn es darum geht, die Flächen zu vermieten. Renommierte Kommunikationsagenturen werden engagiert, die sich oft auf Areal- und Immobilienprojekte spezialisiert haben, und schöne Websites und gestylte Verkaufsbroschüren werden erstellt. Sie erfüllen anstandslos die Hauptaufgaben einer Vermarktungs-Kommunikation (CI, Zielgruppen und zeitgerechte Information) und schaffen es meist, eine Idee vom späteren Aussehen und Image des Bauprojektes zu vermitteln. Letzteres tun sie gerne mit Fotos von glücklichen Menschen, Kindern und Familien aus weltweit vorrätigen Bilddatenbanken. Im gleichen Design ob fürs Berner Oberland oder die Stadt Zug. So kann keine Identifikation entstehen. In der Kommunikation widerspiegeln sich die Denkweise und das kulturelle und soziale Bewusstsein.
Im Gegenzug dazu setzt die Projektkommunikation beim Projektstart ein, wenn die Vision und die Philosophie des Projektes noch rein und kraftvoll sind. Sie enthält Werte, Charakter und Ziele. Und sie involviert und berücksichtigt beteiligte Disziplinen und die zukünftigen Nutzer und Anbieter von Anfang an. Schliesslich stammt «Kommunikation» vom lateinischen Wort «communicare», was so viel bedeutet wie teilen, mitteilen und teilnehmen lassen. Der nachhaltige Erfolg vieler Projekte liegt genau darin: Man muss die Akteure teilnehmen lassen. Die Beteiligten werden zu Komplizen. Sind sie bereits bei der Entwicklung dabei, können vorab (Nutzungs-)Anforderungen an die Architekten definiert werden. Dadurch verringert sich das Risiko späterer Bauprojektanpassungen und daraus folgender Aufwände bedeutend. Ein Bauprojekt mit engagierter Projektkommunikation überzeugt sowohl die Behörden, die Bevölkerung als auch potenzielle Miet- oder Kaufinteressenten. Sie verbindet die Nutzungen und lässt der Identität Zeit zum Wachsen. Es entsteht gegenseitiges Verständnis auf einer ganz anderen Vertrauensebene, das viel Sicherheit gibt.
Eine Identifikation mit dem Projekt ist zentral
Der turbulente Markt benötigt griffige Projekte mit sichtbarer Wirkung. Oft ist die breite Akzeptanz in der Projektentwicklung nötig, und da braucht es die überzeugende Idee, die konsequent und leidenschaftlich an die Empfänger gebracht wird. Es geht um klare Werte oder um bezahlbaren Arbeits- und Wohnraum oder um neue Lebensformen – nicht für x-beliebige Zielgruppen, sondern für Menschen – für zukünftige Bewohner. Die Botschaft, die ankommt, ist: Hier bauen wir achtsam für Menschen, die sich an diesem Ort wohlfühlen, die hier gerne leben, und nicht nur für die Rendite. Eine Identifikation mit dem Projekt ist zentral. Durch Projektkommunikation im Kontext entsteht oft Kult. Die rasche Einprägsamkeit der Charakterzüge ist am Markt entscheidend, um die Alleinstellungsmerkmale eines Projektes zu vermitteln.
100 Meter hoch wird der JaBee-Tower, der derzeit in Dübendorf ZH gebaut wird. Im Juli 2019 wird das zurzeit höchste Wohnhaus der Schweiz eröffnet, das mit regenbogenfarbenen Riesengiraffen und dem griffigen Claim «Move to new Horizons» kommuniziert wird. Die 218 Mietwohnungen im ovalen Turm bieten «ionisierte Räume mit Alpenluftqualität» und «beeindruckende Fernsicht». Diese Argumentation und die aussergewöhnlichen Tiere zeugen von starkem Charakter und prägen sich mit dem ersten Bild ein.
Werden Raum, Nutzung und Identität in Einklang zueinander entwickelt, entstehen Orte, die uns glücklich machen. Damit dies gelingen kann, ist es essentiell, eine Nutzungs- und Identitätsentwicklung von Beginn an in den Bauprozess zu integrieren. Die Vorteile einer integrierten Nutzungs- und Identitätsentwicklung sind offensichtlich: Es wird ein Beitrag für einen belebten Ort und eine hohe Lebensqualität im städtischen Raum geleistet. Das macht Menschen nicht nur glücklicher, sondern wirkt sich auch wertsteigernd auf angrenzende Grundstücke und Quartiere aus. ●
Der vorliegende Artikel gehört zur Reihe «Nutzung und Identität», einer Zusammenarbeit von «Architektur +Technik» mit Intosens Urban Solutions AG, Spezialistin für Nutzung und Identität.

