Kooperative Zentrumsentwicklung
Rund 90 Prozent aller Städte in Deutschland betreiben Stadtmarketing. Was ist das für ein Instrument, das bei unserem Nachbarn einen solch hohen Stellenwert erreicht hat? Hier in der Schweiz erlangte das Stadtmarketing nie grosse Verbreitung.

Früh wurde dabei klar, dass hierfür der Handlungsspielraum der öffentlichen Hand nicht ausreicht. Denn was bringt eine schön gestaltete Hülle, wenn die Nutzungen in ihr nicht attraktiv genug sind und sich keine Identifikation von Bewohnern und Besuchern mit dem Zentrum einstellen mag? Gibt es hier nichts zu tun, nichts zu erleben, so langweilen sie uns. Mit dem Instrument Stadtmarketing gingen die Städte in Deutschland dazu über, sich mehr dem Zusammenspiel der vielen kleinen Angebote und Inhalte zu widmen. Das bedeutete, fortan direkt mit all jenen Personen zusammenzuarbeiten, die mit ihrem täglichen Tun einen Beitrag zum «Erlebnis Zentrum» schaffen: Detailhändler, Gastronomen, Vereine, Kulturschaffende, Eigentümer, Bewohner und andere mehr. Die ersten derart angelegten Stadtmarketing-Prozesse begannen in den 1980er-Jahren. Heute betreiben rund 90 Prozent aller Städte in Deutschland Stadtmarketing, viele von ihnen im beschriebenen Verständnis der kooperativen Zentrumsentwicklung. So auch bei einem anderen Nachbarn, in Salzburg, Österreich.
Ideen-Power in Salzburg
Dass ich heute überzeugter Verfechter der kooperativen Zentrumsentwicklung bin, begann mit einem Aha-Erlebnis vor 13 Jahren. Als Fallstudie betrachtete ich die Innenstadtentwicklung von Salzburg und war unglaublich beeindruckt von der Breite an frischen Ideen und mit welchem Drive sie vorangetrieben wurde. Als «sterbende Stadt unter massiger Frequentierung» wurde mir dieser Ort damals erklärt. Der Massentourismus habe dazu geführt, dass sich das Angebot auf ihn eingestellt habe und dadurch die Innenstadt an Qualität für die eigene Bevölkerung verarmt sei.
Das Salzburger Stadtmarketing hatte sich zum Ziel gesetzt, die Attraktivität der Innenstadt für die eigene Bevölkerung zu steigern und ihr gegenüber zu kommunizieren. Dafür etablierte das Stadtmarketing jährlich wiederkehrende Feste, welche die Besonderheiten einzelner Altstadtviertel betonen. Sie sind explizit auf die Interessen der einheimischen Bevölkerung, ihrem Wunsch nach Geselligkeit und ihre Identifikation ausgerichtet. Das Stadtmarketing verhalf der Trachtenmode in der Altstadt zu einer authentischen Renaissance jenseits vom Touristenkitsch. Im Buch «alles ausser gewöhnlich» wurden urige Salzburger Läden und die Geschichten ihrer Besitzer vorgestellt und damit der eigenen Bevölkerung die (zumindest in Teilen) noch vorhandene Tradition und Vielschichtigkeit ihres Zentrums vermittelt. Teils waren es auch Massnahmen, die man schon von Dutzenden anderen Städten kannte, die aber in Salzburg einfach eine Stufe besser gemacht wurden. So bewarben sie beispielsweise die Altstadt-Gutscheine mit: «Der erste Gutschein für Dessous, den Sie auch beim Scheidungsanwalt einlösen können.»
Schon damals arbeiteten im Stadtmarketing von Salzburg knapp zehn Personen und es setzte auf kreative und leidenschaftliche Köpfe. Vor allem aber gelang der Erfolg durch eines: Workshops ohne Ende! Der Altstadtverband (eine Salzburg-spezifische Organisationsform des Stadtmarketings) umfasst rund 1250 Mitglieder. Alle(!) Mitglieder wurden bereits damals mehrmals jährlich(!) zu Workshops in ihren jeweiligen Altstadtvierteln eingeladen. Für definierte Themen (etwa für das Beispiel der Trachtenmode) ergänzte das Stadtmarketing zusätzlich «Unternehmenskooperationen», in denen die entsprechenden Anbieter der gesamten Altstadt zusammenkamen. Sowohl die «Altstadtviertelarbeitskreise» als auch die «Unternehmenskooperationen» sind im Grunde genommen ein gross angelegtes, dauerhaftes Brainstorming, in dem endlos Ideen zur Stärkung der Altstadt auf den Tisch kommen. Gleichzeitig sind sie die Plattform, um Ideen zur Umsetzung zu bringen – schliesslich sind alle dafür benötigten Akteure am Tisch.
Erfolg zieht Erfolg nach sich
Mir ist seit dem Kennenlernen des Stadtmarketings von Salzburg kein weiterer kooperativer Zentrumsentwicklungsprozess mehr begegnet, in dem das örtlich vorhandene Potenzial der unterschiedlichsten Zentrumsakteure so überzeugend genutzt wird: Sachkenntnisse, Projektideen und Arbeitseinsatz der Privaten wurden aktiviert, und daraus entstand eine Dynamik, die zu einer unglaublichen Anzahl kreativer und vor allem realisierter Massnahmen zur Stärkung des Zentrums führte.
Ich wage zu behaupten, dass man hier in der Schweiz einer kooperativen Zentrumsentwicklung etwas reservierter gegenübersteht, aber dass sich dieser Lösungsansatz dennoch lohnt. Erfolgreiche Beispiele aus Nachbarländern , die sich oft hinter dem schwer verständlichen Begriff Stadtmarketing verstecken, lassen sich selbstverständlich nicht eins zu eins kopieren. Gefragt sind hierzulande vielmehr schlankere, zielgerichtete Ansätze, die hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand vermeiden, aber dennoch die positiven Effekte eines kooperativen Vorgehens erzielen.
Meine Empfehlung ist, an der Entwicklung unserer Zentren vermehrt kooperativ zu arbeiten. Die Bereitschaft zur Diskussion und zu Kooperationen sollte steigen dafür sollte man bei Verantwortungsbereichen und Entscheidungsbefugnissen die fünf auch mal gerade sein lassen. Raus aus der eigenen Komfortzone und rein in den Diskurs, in den Konflikt und in die Auseinandersetzung. Immer im Wissen: «Wo Reibungen sind, entsteht Wärme.» ●
Der vorliegende Artikel gehört zur Reihe «Nutzung und Identität», einer Zusammenarbeit von «Architektur +Technik» mit Intosens Urban Solutions AG, Spezialistin für Nutzung und Identität.
