Mehr Vernetzung für BIM

Die Digitalisierung des Bauwesens steht faktisch noch am Anfang. Damit aus BIM eine kollaborative Methode wird, die diese Beschreibung auch verdient, braucht es den Informationsaustausch mit Datenformaten wie IFC Plus.

BIM-Kollaboration
Die zunehmende Digitalisierung hat die Baubranche längst erreicht. BIM ist die ideale Vernetzung innerhalb eines Planungsprozesses. Fotos: zvg
IFC Plus
Von Matthias Uhl (Text)
Die Digitalisierung des Bauwesens steht faktisch noch am Anfang. Damit aus BIM eine kollaborative Methode wird, die diese Beschreibung auch verdient, braucht es den Informationsaustausch mit Datenformaten wie IFC Plus.

Unser Alltag ist digital und vernetzt, nicht nur privat, sondern auch geschäftlich. Während das digitale Management im Alltag und in der Geschäftswelt weitestgehend reibungslos funktioniert, scheitert die verheissungsvolle BIM-Kollaboration bereits am Datenaustausch zwischen Planungsprogrammen verschiedener Anbieter und erst recht am Datenfluss zwischen Planenden und Gewerken. Dabei lautet doch das oberste BIM-Gebot: Software muss miteinander kommunizieren. Wie das beispielhaft gehen kann? Ein Ansatz ist, das Format IFC mit Application Programming Interface (API) und Datenbanken in IFC Plus zu erweitern.Es ist zwar relativ einfach, von Archicad in Archiphysik oder Artlantis Studio und andere Programme einer zusammenarbeitenden Anbietergruppe zu wechseln. Um Daten von Archicad nach Revit zu transferieren, müssen aber immer noch Welten überbrückt werden. Noch grösser sind die Hürden bei der Übertragung von Daten aus der CAD-Software in eine x-beliebige Statik- oder Haustechniksoftware. Weil dafür offene Dateiformate unerlässlich sind, die den Austausch zulassen und eine Zusammenarbeit ermöglichen, ist IFC derzeit das ideale Datenaustauschformat beim digitalen Planen und Bauen.

Austauschformat IFC: Einbahnstrasse statt Datenfluss

Ein Problem ist, dass das Datenaustauschformat IFC derzeit wie ein PDF verwendet wird, sprich in einer Art Einbahnstrassen-Kommunikation. BIM-Modelle verlassen als IFC-Dateien die CAD-Umgebung und werden an Statiker, sonstige Fachingenieure, Fachplaner und andere am Bau Beteiligte weitergegeben. Jede nachträgliche Änderung am BIM-Modell, sei es auf der Baustelle oder in der Ausschreibungssoftware, bedeutet eine neue Version des IFC-Files.

Im Idealfall kommen die verschiedenen IFC-File-Versionen eines einzigen Bauvorhabens wieder zurück zum zentralen BIM-Manager, und dieser ist auch in der Lage, die einzelnen Versionen wieder richtig und vollständig zu einem einzigen nativen CAD-File zusammenzusetzen. Ein Beispiel: Ein Planer entscheidet sich im Planungsprozess für eine Innenwandlösung von Rigips. Sämtliche Simulationen und Berechnungen sind mit diesem System durchgeführt worden. Im Idealfall geht das BIM-Modell als IFC-File nun in eine entsprechende Ausschreibungssoftware. Je nach Ausschreibe- und Vergabeprozess wird tatsächlich aber eine Lösung von Knauf bestellt. Wie kommt aber diese Information jetzt in das BIM-Modell?

Vielleicht gibt es Hunderte solcher Änderungen. Je nach AVA-Software gibt es eventuell digitale Wege zurück, die mal besser, mal schlechter funktionieren. Nur dem Gang zurück ins CAD-System kann man nicht ausweichen. Dort muss eine aufwendige und komplizierte Konsolidierung stattfinden. Diese Praxis hat zurzeit noch wenig mit einem stets aktuellen Digital Twin zu tun, an dem sich alle am Bau Beteiligten orientieren und arbeiten können – und damit auch reichlich wenig mit BIM.

Information statt Format

BIM verlangt eine Welt, in der alle aufkommenden Softwarelösungen miteinander verbunden sind und miteinander kommunizieren. Da stellt sich nicht mehr die Frage nach Datenformaten, Anforderungsplänen und Bearbeitungsständen, weil unterschiedlichste Programme ständig unbemerkt Daten gegenseitig austauschen. Das ist über den gesamten Gebäudelebenszyklus möglich, und zwar viel offener und freier als derzeit über die CAD-Systeme, die nur von Fachleuten wie Architekten und Bauzeichnern bedient werden können. Technisch gesehen, bietet das offene Datenaustauschformat IFC heute schon viele Möglichkeiten, einen Teil dieser Vision umzusetzen, in der Praxis bleiben sie aber noch ungenutzt.

Plädoyer für eine breitere Nutzung

Da IFC ein geskriptetes Format ist, ist es möglich, ein Modell komplett aus dem Programmiercode zu erzeugen, sprich zum Beispiel ein ganzes Haus aus einem IFC-Code zu schreiben. Viel spannender ist aber, dass sämtliche Attribute aus verschiedensten Quellen befüllt werden können. Weil es eine Skript-Sprache ist, kann theoretisch jeder direkt in die Datei schreiben, um Parameter und Attribute zu aktualisieren, zu ergänzen oder auszutauschen, ohne dass ein Umweg über ein CAD-Programm notwendig ist. So befinden sich alle Beteiligten zumindest auf Augenhöhe, und eine Hegemonie der CAD-Planer, wie sie heute besteht, wird beseitigt.

Mit API zum freien Datenverkehr

Damit eine flüssige Datenautobahn im Hintergrund auf Hochtouren laufen kann, braucht es sogenannte API. Diese Werkzeugboxen sorgen dafür, dass Programmierer mit ihren Lösungen an Systeme andocken und Informationen auf allen Kanälen ausgetauscht werden können. Das Resultat dieser API: nahtlose Vernetzung. Und genauso müsste und könnte es mit IFC im Bauprozess funktionieren. Ob in CAD, in einer Ausschreibungssoftware oder auf der Baustelle über einen Viewer mit einem iPad: Mit API ist es theoretisch an jeder Stelle des Prozesses möglich, jegliche Herstellerdaten einzubringen oder wieder zu entfernen. Weil sich IFC hervorragend an diese API anbinden lässt und Daten direkt in IFC-Dateien integriert werden können, trägt diese Vision den Namen IFC Plus.

Um diese Vision zu verwirklichen, liegt aber noch ein langer Weg vor uns. Aber er ist theoretisch und praktisch möglich. IFC lässt sich in Verbindung mit entsprechenden API so nutzen, dass es sich überall andocken und bearbeiten lässt – und damit von einem Datenaustauschformat zu einem wirklich freien Informationsaustauschformat wird, das jedem am Bau Beteiligten mehr Autonomie verschafft.

Mit Datenbanken zu neuer Informationsdichte

Diese neu gedachte IFC-Datei lässt sich dank den API mit allen denkbaren Datenquellen verbinden und einfach sowie benutzerfreundlich um optimierte Informationen – wiederum strukturiert in verschiedene Level of Detail (LOD), Level of Information (LOI) oder Level of Information needed (LoIn) – erweitern. In Verbindung mit einer eigens dem Bauprojekt gewidmeten führenden Datenbank stünde damit erstmals eine BIM-IT-Infrastruktur zur Verfügung, die diesen Namen auch verdient. Denn jetzt könnten zum ersten Mal wirklich Informationen fliessen, nicht mehr nur Dateien. Die eigene CAD-Planung wird an Produktdatenbanken von Baustoffherstellern angebunden, je nach Stand im Vergabeverfahren wird das digitale Bauvorhaben auf Knopfdruck aktualisiert und die Änderungen werden direkt im Digital Twin im CAD-System angezeigt. Auf der Baustelle werden kurzfristige Produktänderungen ergänzt und über einfache Zusatzfunktionen im Viewer allen angeschlossenen Datenabnehmern übermittelt. Jetzt wird BIM real.

Mit Datenbanken in alle Detailtiefen

Eine Schlüsselfunktion in diesen Überlegungen haben Hersteller von Baustoffen und Bauprodukten: Sie übersetzen alle ihre Produkte und Systemvarianten, die sie üblicherweise in Produktinformationsmanagement-Systemen organisieren, mithilfe einer BIM-Infrastruktur wie «BIM and More» in BIM-Objekte, sodass sie Fachplanern und Architekten in CAD-Programmen zur Verfügung stehen. Ohne diese Vorleistung werden sich keine nennenswerten Informationsumfänge in die klassischen BIM-Prozesse einbringen lassen. Erst dann können Architekten wirklich informationsdichte BIM-Modelle beispielsweise als Archicad- oder Revit-Dateien erstellen und gemäss unserer hier beschriebenen Vision einmalig als IFC-Plus-Datei mit einer führenden Bauprojektdatenbank im Hintergrund ausgeben. Generalunternehmer, Fachgewerke, Statiker und alle anderen am Bau Beteiligten arbeiten nun damit, jeweils über ihre eigene IFC-Plus-fähige Software direkt an die führende Datenbank angebunden. Falls für die Erfüllung ihrer jeweiligen Teilaufgabe weitere Datenbanken nötig sind, werden auch diese angebunden. Ein abschliessendes Speichern in die führende Datenbank macht sämtliche Arbeitsergebnisse sofort für alle anderen Projektbeteiligten sichtbar und nutzbar. Ein weiterer Austausch von Dateien ist dann nicht mehr nötig.

Vielfach beschworene Revolution

Noch gibt es diese Möglichkeiten nicht – und sicher auch noch nicht morgen. Aber das sind die nächsten Schritte in einer längerfristigen Entwicklung, welche die Vision einer digital vernetzten Planungs- und Baubranche vor Augen hat, die hinter BIM stehen.

Trotz vieler Errungenschaften steht die digitale Entwicklung des Bauwesens immer noch am Anfang der vielfach beschworenen Revolution. Dass BIM keine Software, sondern eine kollaborative Methode ist, bleibt ohne Überlegungen wie IFC Plus nur ein weitverbreitetes Lippenbekenntnis. Technisch gesehen, hinkt die Branche sogar der Landwirtschaft hinterher. Sie befindet sich derzeit an einem Punkt, an dem vielleicht nur 5 Prozent der digitalen Möglichkeiten im Bau erreicht sind. In den kommenden zehn Jahren arbeiten alle noch gewiss daran, die Grundfunktionalitäten hervorzubringen, wie zum Beispiel einen unbemerkten Datenfluss von einer Software zur anderen, damit BIM seiner Vision etwas näherkommt – und unserer Grunderfahrung in einer digital eng vernetzten Alltagswelt. ●

Der Autor

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Matthias Uhl ist Experte im Bereich Building Information Modeling (BIM) und Gründer sowie Geschäftsführer von Die Werkbank IT GmbH, die mit der BIM-Infrastruktur «BIM and More» Herstellern von Bauprodukten und Baustoffen die Übersetzung und Aufbereitung der Produktdaten in BIM-Objekte ermöglicht.

bim-more.com

BIM-Kollaboration
Generalunternehmer, Fachgewerke, Statiker und alle anderen am Bau Beteiligten sind über ihre eigene IFC-Plus-fähige Software direkt an die führende Datenbank angebunden.
BIM-Kollaboration
Ein abschliessendes Speichern in die führende Datenbank macht sämtliche Arbeitsergebnisse sofort für alle anderen Projektbeteiligten sichtbar und nutzbar.
matthias uhl
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