Mit Feingefühl für das Bestehende
Das Dorfschulhaus Trubschachen zeigt, dass gute Architektur nicht laut sein muss, um kraftvoll zu sein. Sie ist hingegen durchdacht und dadurch langlebig. Die vom Architekten Johannes Saurer begleitete Renovation hebt die vorhandenen Spuren des Erlebten hervor.

Eingebettet in eine ländliche Szenerie, die geprägt ist von traditionellen Ziegeldächern, bewaldeten Höhenzügen und handwerklich geprägten Bauweisen, fügt sich das Dorfschulhaus von Trubschachen mit selbstverständlicher Ruhe in seine Umgebung ein. Seine architektonische Erscheinung erzählt vom Ort: das charakteristische Viertelwalmdach, die Vogeldielen und die Schindelfassade spiegeln die lokale Bautradition wider – nicht laut, sondern mit leiser Selbstverständlichkeit.
Eine 2025 abgeschlossene Renovation wurde mit behutsamer Hand und viel Respekt gegenüber der Geschichte des Hauses durchgeführt. Die Substanz des 1881 erbauten Gebäudes wurde mit viel architektonischer Kompetenz weiterentwickelt. Die ursprüngliche Riegelkonstruktion bleibt tragende Kraft – nun innenseitig wärmegedämmt –, während nachträglich aufgetragene Schichten sorgsam entfernt wurden, um die ursprüngliche Struktur freizulegen. Es ging dabei um das Sichtbarmachen verborgener Qualitäten und behutsame Weiterentwicklung, die bereits im Aussenraum zu erkennen ist: Der bisherige Spielplatz wurde verlegt, Parkplätze neu organisiert. Es entstanden gut belichtete Freiräume mit klarem architektonischem Ausdruck. Ein Pavillon auf dem neuen multifunktionalen Platz im Osten lädt zu Unterricht im Freien ein. Neu gepflanzte Bäume – Rosskastanien, Linden, Ahorn – spenden Schatten, rahmen den Raum und geben ihm Struktur und Sinnlichkeit.

In einer Zeit, in der Gebäude oft kurzlebigen Trends unterworfen sind, wurde in Trubschachen auf Langlebigkeit, Einfachheit und Rückbesinnung gesetzt. Drei Monate dauerte allein der Rückbau – ein langsamer, fast archäologischer Prozess. Überlagernde Materialien wie Laminat, Spanplatten, Kunststoffe wurden entfernt. Zum Vorschein kam eine originale Substanz, die berührt: altes Holz, handgemachte Strukturen, gealterte Farben. Diese wurden nicht überformt, sondern freigelegt, gereinigt, ergänzt. Wo möglich wurde erhalten – wo notwendig, geflickt. Ein radikaler Verzicht auf Austausch um seiner selbst willen.
Tiefe und Authentizität
Ein besonderes Kapitel schrieb die Fassade. Die Kunststofffarbe wurde mühsam abgetragen, um die darunterliegenden Schindeln freizulegen. Diese wurden mit traditioneller Ölfarbe neu gefasst – nicht als Nostalgie, sondern als bewusste architektonische Entscheidung. Die Geschichte des Hauses bleibt sichtbar, als Teil seiner Identität.
Dabei wird Patina als Schönheit des Gelebten verstanden. Sie verleiht dem Haus Tiefe und Authentizität. Abnutzung wird nicht versteckt, sondern integriert. Wie beim japanischen «Kintsugi» wird das Reparierte sichtbar gemacht – als Geste der Wertschätzung. Die Spuren der Zeit erzählen Geschichten. Und genau diese Geschichten machen Architektur lebendig.
Auch das Farb- und Materialkonzept folgt diesem Gedankengang: Neue Holzbauteile aus regionaler Weisstanne, unbehandelt, nur geseift – damit die Oberfläche atmen darf. Die Farben, in warmem Rot und tiefem Grün, folgen historischen Befunden und lassen das Bestehende weiterklingen.
Ort für gemeinschaftliches Erleben
Der Holzbau entfaltet in den Innenräumen eine wohltuende Atmosphäre. Die durchdachte Proportionierung der Fenster lässt das Licht weich in die Klassenzimmer fliessen und schafft ein angenehmes Raumklima.

Die Sanitärräume wurden neu organisiert, ein Lift ergänzt, das Treppenhaus durch eine feine Verglasung brandschutztechnisch ertüchtigt. Ursprüngliche Fenster wichen neuen, dreifach verglasten Holzkonstruktionen – ohne auf historische Proportionen zu verzichten. Stoffmarkisen regulieren den Lichteinfall. Nur im Lehrerbereich im 2. Obergeschoss blieben die originalen Fensterläden erhalten – ein stilles Zeichen des Weiterlebens vorangegangener Details.

Das gesamte Dach wurde innenseitig wärmegedämmt – mit dem Ziel, Bestand und Komfort in Einklang zu bringen. Der Bereich wurde zudem geöffnet und transformiert. Die ehemalige Lehrerwohnung im Dachgeschoss wurde in den Schulalltag integriert und beherbergt heute Räume für Lehrpersonen und Unterricht. Im ausgebauten Estrich öffnet sich der neue Singsaal mit freiem Dachraum und wird zu einem Ort für gemeinschaftliches Erleben.

Das Schulhaus übernimmt zugleich eine Vorbildfunktion – funktional wie kulturell. Es vermittelt Kindern und der Gemeinschaft einen achtsamen Umgang mit Ressourcen, mit Raum und mit Geschichte. Nachhaltigkeit wird nicht technisch gedacht, sondern ganzheitlich: Wiederverwendung alter Bauteile, bewusster Verzicht auf komplexe Technik – all das schafft ein robustes, wartungsarmes Gebäude mit Charakter. ●


