«Holzbau hat aufgeholt»

Im Juni findet die diesjährige Ausgabe des «VGQ Holzbau Forums» statt. Das Interview liefert interessante Ausblicke.

«Holzbau hat aufgeholt»
In Allschwil entsteht mit «Hortus» ein auf Nachhaltigkeit getrimmtes Bürogebäude aus Holz. Foto: Senn

Von Morris Breunig (Text) und VGQ (Bilder)

In welcher Position befindet sich der Holzbau derzeit in der Schweiz?
Man muss, glaube ich, zuerst einmal weit zurückschauen. Vor 30 Jahren war der Holzbau auf den Chaletbau und landwirtschaftliche Bauten reduziert. Mit dem Rahmen- und Elementbau begann die positive Entwicklung des Holzbaus mit gerade einmal 2 Prozent Marktanteil beim Einfamilienhaus. Der moderne, technisch hoch entwickelte und ökologisch wertvolle Holzbau hat aufgeholt und liegt heute bei rund 20 Prozent Marktanteil beim Einfamilienhausbau sowie bei geschätzten 10 Prozent beim Geschosswohnungsbau. Dazu kommt ein ständig wachsender Marktanteil im Industrie- und Gewerbebau. Aktuell geht der Holzbau hoch hinaus: Bereits umgesetzte, einzelne Holzhochhäuser und das geplante höchste Holzhochhaus der Welt werden der Branche weiteren Aufwind geben, was durchaus zu weiteren Marktanteilen führen kann. Weitere Faktoren für die positive Entwicklung: Vorfertigung (Fachkräftemangel), Green Deal (EU), Kreislaufwirtschaft und der positive ökologische Fussabdruck von Holzprodukten.

Die Baubranche sieht sich derzeit mit steigenden Kosten von Baumaterialien konfrontiert. Wie schätzen Sie die Situation mit Bezug auf den Holzbau ein?
Wenn man ein Bauprojekt als Ganzes betrachtet, ist der Anteil Holz, auch bei einem Holzbau, nur ein Teil der Bausumme. Holz selbst war in der Vergangenheit eher zu günstig. Das hat sich korrigiert, lief im letzten Jahr aber aus dem Ruder. Die Preise waren viel zu hoch. Hier haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt: niedriger Rundholzeinschlag in Europa, erhöhte Nachfrage aus den USA und eine starke Nachfrage in Europa, die durch den Klorollen­effekt noch einmal gesteigert wurde.

Betrachten wir einmal nur den Holz­anteil. Ein Einfamilienhaus in Holzrahmenbauweise benötigt etwa 30 Kubikmeter Holz bei Kosten von durchschnittlich 500 bis 600 Franken je Kubikmeter. Wir haben also 15 000 bis 18 000 Franken Materialkosten für Holz bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus. Der Baustoff ist also nicht der Kostentreiber im Bauwesen. Andere Faktoren spielen eine grössere Rolle.

Ist diesbezüglich eine Materialverknappung zu befürchten? Kann der Holzbau allenfalls davon profitieren?
Schauen wir das Baumaterial Sand an. Sand ist wie viele andere Bauprodukte endlich. Wir haben einen Baustoff, der nachwächst. Das Wort «Nachhaltigkeit» kommt ja aus der Forstwirtschaft. Sicher muss man in der Zukunft bei steigender Nachfrage genau prüfen: Wie verwendet man den Rohstoff Holz, und wie stellen wir unsere Bauprodukte her?

In diesem Bereich wird man noch weiter forschen können und müssen. Ich erinnere nur an unser erstes grosses Forschungsprojekt vor 30 Jahren an der Berner Fachhochschule Biel: «Verwendung von Seitenware zur Herstellung von Wand- und Deckenelementen».

Heute heisst das Produkt «Schuler Blockholz» und in Europa Brettsperrholz. Wichtiger werden zudem die Punkte Kaskadennutzung – erst die stoffliche dann die energetische Nutzung – und die Kreislaufwirtschaft, die bereits bei der Planung anfängt. Hier ist besonders die Architektur gefragt. In gewissem Sinne kann der Hochbau vom Holzbau langfristig profitieren. Man kann jedoch nicht alles in Holz bauen. Es wird immer die Materialkombinationen brauchen.

Aufgrund der Situation in der Ukraine ist das Thema der Energieversorgung in Europa dringlicher denn je zuvor. Inwieweit könnte Holz hier einen Beitrag leisten?
Holzwerkstoffe brauchen bei der Herstellung weniger Energie als andere Bauprodukte. Man spricht von grauer Energie. Die Aussage von Dr. Joachim Schellnhuber, ehemaliger Direktor des renommiertem Potsdamer Instituts für Klimaforschung, ist sicher ein bisschen überzogen, trifft aber den Kern: «Wir können die Welt mit dem Holzbau retten.»

Auch das Thema der energetischen Gebäudesanierung bekommt wieder eine stärkere Bedeutung in der Baubranche. Mit den vorgefertigten Fassaden­elementen haben wir gute Systeme, die schnell umsetzbar sind. Und Konstruktion und Wärmedämmung sind aus erneuerbaren respektive recycelten Produkten. Hier schliesst sich der Kreis: Energieeinsparung im Verbrauch erzeugt mit Produkten aus Holzwerkstoffen.

Das «VGQ Holzbau Forum» bietet für Fachleute erneut eine ideale Gelegenheit zum Austausch von Fachwissen. Was können Besuchende vom diesjährigen Event erwarten?
Der Tag steht unter dem Generalthema: Holzbau im Wandel. Mit den vorher schon angesprochenen Themen des klimaneutralen Bauens bis zur Optimierung der Prozesse haben wir ein weitgespanntes Programm. Durch die Parallelblöcke haben wir die Möglichkeit, eine technische und architektonische Betrachtung durchzuführen, aufgezeigt an aktuellen Projekten. Weiter ist es uns gelungen, die Marktleader als Referierende zu gewinnen. Es ist ein wirklich hochinteressantes Programm.

Welche derzeitigen oder künftigen Projekte im Holzbau verfolgen oder erwarten Sie mit Spannung?
Zurzeit gibt es einige Zukunftsprojekte, die umgesetzt werden: «Wohnprojekt 3JO Basel»: Effizienz durch Reduktion und «Hortus – House of Research, Technology, Utopia and Sustainability». Sie nehmen all die aufgeführten Themen auf. Das geplante Holzhochhaus Hortus beispielsweise setzt einen neuen Standard in der Nachhaltigkeit, da es die graue Bauenergie zurückzahlen und bereits nach rund 30 Jahren energiepositiv sein wird.

Bis jetzt sprachen wir nur über konstruktive Elemente. Diese sind sichtbar, messbar und fühlbar. Weitere grosse Veränderungen betreffen den Bauprozess, der zunehmend digitalisiert abläuft. Vereinzelt werden heute bereits ganze Projekte in einem digitalen Prozess geplant – für den Holzbau eine erwünschte Herausforderung, hat er doch durch die Erfahrung in Systembauweisen eine klare Eignung für künftige digitale Bauprozesse.

Zeit für eine Prognose: Welche Entwicklung wird der Holzbau in den kommenden Jahren nehmen? Wie wird sich die zurückliegende pandemische Situation darauf auswirken?
Die Pandemie hatte keine Auswirkungen auf das Bauen generell. Der Holzbau wird weiter Marktanteil gewinnen. Für das, was wir in den letzten 30 Jahren geschafft haben, werden wir in Zukunft 15 Jahre benötigen. Meine Prognose: Holzbauanteil beim Einfamilienhaus bei 40 Prozent, im Geschossbau bei 20 Prozent. Und hier wir sprechen nur vom Wohnbau. Die gleiche Entwicklung werden wir im Industrie- und Gewerbebau haben. Es spricht einfach sehr vieles, wenn nicht alles für den Holzbau. ●

Uwe Germerott, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands für geprüfte Qualitätshäuser (VGQ).
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