Infrastrukturbau – Kolosse am Stadtrand
Grundsätzlich könnte man meinen, dass Infrastrukturbauten reine Aufgaben für Ingenieurinnen und Ingenieure darstellen: Hauptanliegen sind technische Abläufe und Prozesse, nicht die Schönheit oder das Verkünden einer Botschaft.

Mit meinen Redaktionskolleginnen habe ich für eine Schwesterzeitschrift von Architektur + Technik eben ein Heft abgeschlossen, welches das Jahr 1978 zum Thema hat (Phœnix #13). Wir untersuchten, was vor 40 Jahren an Bemerkenswertem gebaut wurde, und stiessen mitunter auf die Autobahnraststätte Windrose in Pratteln, das Heizkraftwerk Aubrugg und das Fernmeldebetriebszentrum Herdern der damaligen PTT, beide in Zürich. Nicht nur bei der eher bescheidenen Raststätte, auch bei den zwei Giganten am Rand der Limmatstadt spielten die damals neuen Verbindungen für den Strassenverkehr eine wichtige Rolle. Beide Gebäude stehen bei Stadtanschlüssen des Autobahnnetzes und üben eine Portalfunktion aus. Es besteht aber kein Zusammenhang zwischen den Asphaltpisten und ihrer Nutzung; das Heizkraftwerk versorgt Quartiere mit Fernwärme, das Fernmeldezentrum unterstützt die nationale und internationale Kommunikation. Zweimal das Wort «fern», zweimal Grossbauten, die zwar in der Öffentlichkeit stehen, denen man sich aber nicht annähern kann.
Kathedralen der Effizienz
Grundsätzlich könnte man meinen, dass Infrastrukturbauten reine Aufgaben für Ingenieurinnen und Ingenieure darstellen: Hauptanliegen sind technische Abläufe und Prozesse, nicht die Schönheit oder das Verkünden einer Botschaft. Am liebsten würden sie wohl viele möglichst unter der Erdoberfläche oder im Fels verstecken. Die Architektur näherte sich diesem Bautypus eher zögerlich. Beim einstigen Gaswerk von Zürich in der Vorortsgemeinde Schlieren stehen die Kalotten der Tanks bis heute frei in der Landschaft. Bei der Anlage aus dem späten 19. Jahrhundert tritt primär die Technik in Erscheinung, die evidente Portalfunktion an der Hauptbahnlinie von Zürich nach Westen ist ein Nebenprodukt, man denkt nicht an ein Stadttor, sondern an eine nützliche, von Sicherheitsbedürfnissen begleitete Auslagerung.
Für die beiden «Fern-Bauten» aus den 1970er-Jahren beauftragte man hingegen renommierte Architekten. Im Fall von Aubrugg war es Pierre Zoelly, in Herdern der etwas jüngere Theo Hotz. Beide nahmen sich «form follows function» zu Herzen. Doch sie machten sich mit bemerkenswertem gestalterischem Ehrgeiz ans Werk: Ein Monumentalbau, der dem autofahrenden Volk architektonische Qualität quasi zwangsweise vor Augen führt – diese Chance wollte man sich nicht entgehen lassen! Stolz erstellte Pierre Zoelly einen Ansichtsplan seines Werks, dem er im selben Massstab die Westseite von Zürichs Grossmünster überlagerte. Der ehrwürdige Sakralbau wirkt neben dem Koloss wie ein Zwerg. Und tatsächlich lässt Aubrugg an eine Kathedrale denken. Vom segmentierten Sichtbetonkörper mit seinem Hochkamin geht etwas Sakrales aus.
In Herdern wurde, getreu dem Inhalt, ein Hightech-Ansatz gewählt. Das Gebäude ist mit Aluminium-Sandwich-Paneelen verkleidet, welche die Anmut von Industrie-Design zur Schau stellen. Fenster sind in gesimsartige Vorsprünge integriert und schräg nach unten orientiert. Sie sind nicht für die Aussicht da, sondern sollen eine blendfreie Tageslichtversorgung sicherstellen. Die als Skulptur geformte «Maschine» wird flankiert von riesigen Lüftungsstutzen, die an Ozeandampfer oder Periskope eines Unterseebots denken lassen. Sie sind in grellem Postgelb gestrichen.
Beide Infrastrukturbauten haben bis heute Bestand und werden, ob bewusst oder nicht, als Symbole für die Versorgungssicherheit in unserem Land wahrgenommen. Sie zeigen auch, dass dieser vielseitige Bautyp definitiv eine Aufgabe für Architektinnen und Architekten ist.