Naturnah gewinnt
Im Grund ist der Auftrag klar: Unsere Bundesverfassung fordert, dass sich die Schweiz künftig nachhaltig(er) entwickeln soll. Das wiederum wird nur gelingen, wenn auch der Bau seinen Beitrag leistet. Und zum Bau gehört eben nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch seine Umgebung.

Wenn wir von einer nachhaltigen Umgebung reden, dann steht die naturnahe und klimaangepasste Aussenraumgestaltung im Zentrum. Richtig verstanden und umgesetzt dient sie nicht nur der Umwelt, sondern auch den Nutzern und den Eigentümern. Angesichts solcher Vorteile müsste man eigentlich erwarten, dass sich das Konzept schon längst breit durchgesetzt hat. Leider ist das nicht der Fall – wahrscheinlich fehlt es bei Bauherrschaften und Planenden am Bewusstsein und an Wissen. Dieser Beitrag soll die Zusammenhänge erklären, zeigen, worauf es ankommt, und Argumente liefern.
Grün ist cool
Bäume können als natürliche Klimaanlagen angesehen werden. Ein 50-jähriger Baum kühlt etwa gleich stark wie zehn mittlere Klimaanlagen mit 20 bis 30 kW Leistung. Gerade angesichts des Klimawandels ist das ein nicht zu vernachlässigendes Argument.
Ein stattlicher Baum im Garten schafft zudem Identifikation und steigert die Aufenthaltsqualität. Er dämpft die Beschallung an Strassenzügen und bindet neben CO₂ auch Feinstaub. Deshalb gilt es, alte Bäume wenn immer möglich zu erhalten. Neu gepflanzte müssen so ausgesucht werden, dass sie auch die Chance erhalten, gross zu werden. Wichtig ist hier neben der richtigen Artenwahl die angemessene Dimensionierung eines nicht unterkellerten Wurzelraums.
Grüne Flächen erwärmen sich um rund den Faktor 10 weniger stark als versiegelte. Sie speichern deutlich weniger Wärme und kühlen nachts die Umgebung. Asphalt hingegen hat am nächsten Tag immer noch 25 bis 30 Prozent der Wärme des Vortags gespeichert. Diese Restwärme nimmt mit jedem Sonnentag in Folge weiter zu und schaukelt so den Hitzestau in Siedlungen hoch. Relevant ist auch die Farbe: Helle Oberflächen werden weniger heiss als dunkle und sind deshalb zu bevorzugen.
Was für die Umgebung gilt, lässt sich auch auf Dächer und Fassaden übertragen. Während die Oberflächentemperatur von unbegrünten Flachdächern bis zu 70 ° C erreichen kann, bleibt sie auf begrünten bei 25 bis 30 ° C. Gleichzeitig dämmt die Begrünung auch gegen Wärme und Kälte und schützt vor Wind und Wetter – sofern sie richtig geplant ist. Indem sie ein kühleres Mikroklima schafft, kann sie sogar den Wirkungsgrad und damit die Erträge von Photovoltaikanlagen verbessern.
Blau statt grau
Auch Wasser wirkt generell kühlend, sei dies nun in Form von Brunnen oder Wasserspielen, als Biotop oder offener Bachlauf. Weil Bäche auch Lebensraum für einheimische Tiere und Pflanzen bieten, sollten sie wo immer möglich offengelegt und renaturiert werden.
Grünflächen sind durchlässig und speichern Wasser. Dadurch entlasten sie die Kanalisation. Sind sie nicht unterkellert, reichern sie auch das Grundwasser an. Das ist ein Vorteil bei den tendenziell häufiger auftretenden Trockenperioden. Durchlässige Böden lassen sich übrigens auch mit Rasengittersteinen, Kies oder Platten mit grossen Zwischenräumen erreichen. Oft können mit solchen Materialen sogar Lösungen für Flucht- und Rettungswege gefunden werden.
Naturnah ist robuster
Naturnahe Flächen sind vor allem mit einheimischen Arten bepflanzt und bieten vielfältige Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Dazu gehören beispielsweise Magerwiesen mit hohem Anteil an Blütenpflanzen, die nur zweimal pro Jahr geschnitten werden. Auch Wildhecken mit einheimischen Sträuchern und Kräutern erfüllen solche Anforderungen.
Naturnah gestaltete Flächen sind robuster gegenüber Trockenheit und Hitze. Gerade im letzten heissen Sommer war gut zu beobachten, wie sich flach wurzelnde, artenarme Wiesen und Hecken schneller braun färbten und langsamer erholten als artenreiche. Je höher die Vielfalt ist, desto eher sind Arten vor Ort, die extreme Bedingungen aushalten. Um Grünflächen für das künftige Klima abzuhärten, kann es auch sinnvoll sein, nicht einheimische Arten zu verwenden. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass sie sich nicht unkontrolliert ausbreiten, also invasiv werden.
Mensch und Tier mögen es naturnah
Elemente wie Totholz, Ast- und Steinhaufen bieten Unterschlupf und Nahrung für viele Kleinlebewesen. Laubhaufen sind etwa Igeln ein beliebtes Winterquartier. Um zu entscheiden, welche Lebensräume auf einem Grundstück gefördert werden sollen, ist es wichtig, auch die Umgebung mit einzubeziehen und zu vernetzen.
Auch die Menschen bevorzugen naturnahe Flächen. BiodiverCity – ein Forschungsprojekt der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft – zeigte, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung in einer Umgebung mit hoher Biodiversität besonders wohl fühlt («Biodiversität in der Stadt – für Mensch und Natur», WSL, Merkblatt für die Praxis, Nr. 48, September 2012). Klimaangepasste naturnahe Flächen erhöhen also auch die Aufenthalts- und Lebensqualität der Nutzenden. Das dürfte sich positiv auf die Vermietbarkeit von Objekten und die Zahlungsbereitschaft auswirken.
Auch wenn wissenschaftliche Studien dazu noch fehlen: Die Erfahrungen zeigen, dass naturnahe Flächen insgesamt kostengünstiger sind als konventionelle. Das liegt einerseits an den oft tieferen Investitionskosten und andererseits am günstigeren Unterhalt. Abgesehen von den ersten zwei Jahren müssen sie weniger intensiv gepflegt werden.
Wie vorgehen?
Gut beraten ist, wer bei die Aussenraumgestaltung ausgewiesene Fachleute für die Planung und den Bau von naturnahem Grün beizieht. Wer zudem sicher sein will, dass die wesentlichen Aspekte einer nachhaltigen Umgebung systematisch abgearbeitet werden, sollte nach einem umfassenden Gebäudestandard wie dem SNBS planen. Sein umfassender Kriterienkatalog deckt architektonische, nutzerspezifische, wirtschaftliche und ökologische Aspekte ab. Insbesondere beurteilt er «Ausschöpfung des am Standort vorhandenen natürlichen Potenzials an Flora und Fauna». Auch liefert er ein Kriterium bezüglich der Retention von Meteorwasser. Und: Neben dem Aussenraum betrachtet er auch die Begrünung von Dächern und Fassaden. ●



