Städtebau – Achtet auf den Verkehr!

Manuel Pestalozzi hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Von 1997 bis 2013 war er Redaktor von «Architektur+Technik». Anschliessend gründete er die Einzelfirma «Bau-Auslese», die sich der Informationsvermittlung widmet.

Manuel Pestalozzi
Manuel Pestalozzi hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Von 1997 bis 2013 war er Redaktor von «Architektur+Technik». Anschliessend gründete er die Einzelfirma «Bau-Auslese», die sich der Informationsvermittlung widmet.
Siedlungs- und Städtebau
Als Journalist geniesse ich das Privileg, dass mir Informationen aktiv zugetragen werden. Die Absenderinnen und Absender fordern mich mit ihren Botschaften auf zur Auseinandersetzung mit gewissen Themen, zu denen ich mir spontan oft keinen Reim machen kann. 2017 war für mich das Jahr der Auseinandersetzung mit der Stadtraum- und der Verkehrsplanung als Geschwisterpaar. Die Anregungen kamen von verschiedenen Seiten: Das Tiefbauamt der Stadt Zürich wünschte einen Artikel über die neue Tramverbindung Hardbrücke. Eine Publikation schickte mich nach Glarus an eine Veranstaltung zur Zukunft der Kleinstadt, wiederholt kam dort die Sprache auf die Verkehrsplanung. Das Architektur- und Planungsbüro Metron lud mich ein nach Brugg an die Tagung «Der ÖV als Rückgrat der Siedlungsentwicklung». Mit verschiedenen Gewichtungen ging es jedes Mal darum, die Mobilität mit der Aufenthalts- und Lebensqualität in Siedlungsgebieten in Einklang zu bringen. Zugegeben, das Thema ist alles andere als neu. Doch man spürt, dass es uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit erneuter Intensität beschäftigen wird. Grund für die hohe Priorität von Mobilitätsfragen ist einerseits der zu erwartende Bevölkerungszuwachs. Es geht aber auch um ein neues Verhältnis zur Mobilität. Anzeichen mehren sich, dass der motorisierte Individualverkehr in Ballungsgebieten an Bedeutung verliert. Daraus ergeben sich neue Formen und Modalitäten der Erreichbarkeit. Die prägnanteste Manifestation dieses Trends scheint mir die Preisgabe der Entflechtung von Verkehrswegen in Siedlungsgebieten. So wird mit der neuen Tramverbindung auf der seit über 30 Jahren bestehenden Hardbrücke die bisherige Richtungstrennung und Kreuzungsfreiheit preisgegeben. Das heisst mehr Lichtsignale und dafür eine stärkere Einbindung der Brücke in die angrenzenden Quartiere für alle Verkehrsteilnehmenden. In Glarus spricht niemand mehr über eine Ortsumfahrung. Vielmehr sucht man nach Gestaltungsmitteln, die es zulassen, dass Autos, Velos und der Fussverkehr im selben Strassenraum zu ihrem Recht kommen und sich trotzdem nicht zu sehr stören. Man besinnt sich, dass der Verkehr die Gebiete, die er durchquert, eben auch «durchbluten» soll, also in stetem Austausch mit ihnen seine Ver- und Entsorgungsaufgaben wahrzunehmen hat. Trotz dem vielseitigen, mehrschichtigen und neu verflochtenen Austausch wollen natürlich alle bei Bedarf weiterhin gleichzeitig unterwegs sein und schnell und bequem ihr Ziel erreichen – möglichst ohne dass sich die bereits Angekommenen belästigt fühlen. An diesen Widersprüchen kann man sich die Zähne ausbeissen. Planerinnen und Planer brauchen da intakte Kiefer, kühle Köpfe, Stressresistenz und Gelassenheit.

Verschiedene Kulturen

Das Kernproblem bei der Lösungssuche wurde an den erwähnten Veranstaltungen beim Namen genannt. Es besteht in den unterschiedlichen Ansätzen bei der Verkehrs- und der Stadtraumplanung. Die Verkehrsplanung wird von den Fachleuten als Top-down-Geschäft dargestellt, als technische Massnahmen, die aufgrund von Erhebungen, Auswertungen und Prognosen über politische Kompetenzgrenzen hinweg betrieben werden. In der Stadtraumplanung hat sich hingegen die Partizipation eingebürgert. Offenbar ist es nicht einfach, diese beiden Kulturen zusammenzubringen, obwohl das Problem doch schon seit geraumer Zeit bekannt sein muss. In dieser Situation kann eine grössere Stadt ihre Trümpfe ausspielen: Bei der Tramverbindung Hardbrücke wurden Stadtraum- und Verkehrsplanung durch kompetente Verwaltungsabteilungen koordiniert durchgeführt.

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