Vielschichtiges Grossprojekt
Der umgebaute Gebäudekomplex des ehemaligen Posthauptsitzes in Bern verfügt über ein vielfältiges Nutzungsangebot. Gleichwohl erzielt man eine stärkere Verankerung im Stadtraum. BIM unterstützt den Planungsprozess.

Das neue Grossprojekt in Bern wirkt mehrschichtig. Einerseits transformiert es den ehemaligen Hauptsitz der Schweizerischen Post von einem Büro- in ein Wohn- und Hotelgefüge. Andererseits ersetzen neue Stadthäuser und Räume für Retail sowie Fitness den rückgebauten Annexbau, was zugleich eine städtebauliche Optimierung des Quartiers bedeutet.
Geschichtlicher Hintergrund
Die 1970 erbaute und vom Architekturbüro Theo Hotz geplante Schönburg prägt seit 50 Jahren den Aargauerstalden im Breitenrainquartier. Trotz seiner Höhe wurde das kreuzförmige Gebäude gekonnt in die Landschaft integriert und in eine parkartige Umgebung gebettet. Die Büroräumlichkeiten des ehemaligen Verwaltungsgebäudes verwandelten sich mit Baustart 2016 insbesondere in Mietwohnungen. Denn ein möglicher Abbruch des Altbaus hätte ein Verlust an architektonischer Qualität und städtebaulicher Identität zur Folge gehabt. Neben neuem Wohnraum entstanden auf den 22 000 Quadratmetern auch ein Hotel und Ladenflächen im Untergeschoss. Das bestehende markante Gebäude bleibt erhalten, aber die Fassade und die Haustechnik wurden komplett erneuert. Die ersten Wohnungen konnten 2019 bezogen werden.
Neu dimensioniert
Der neue und monolithisch anmutende Annexbau verankert den Gebäudekomplex stärker im Stadtgefüge und schafft wichtige Aussenräume. Durch den sandgestrahlten Sichtbeton gleicht er sich farblich dem Hauptgebäude an. Die bestehende Einstellhalle und eine neue Flachfundation tragen den Annexbau. Sämtliche Betontreppenhauskerne dienen zudem der statischen Aussteifung und der Erdbebensicherheit. Durch Neudimensionierung fasst der Annexbau die reihenartigen Maisonettewohnungen volumetrisch ideal zusammen. Das Angebot reicht von zweigeschossigen Wohnräumen bis zu kleineren ebenerdigen Häusern.
Neues Fassadenraster
Zusätzliche Zugänge, Treppenhäuser, Korridore und Fluchtwege erweitern das bestehende Erschliessungskonzept des Hauptgebäudes. Der eigentliche Zugang erfolgt über den Vorplatz. Bei der Grundrissentwicklung musste Bestehendes und Neues zusammengeführt werden. Die Rückführung der Schönburg bis auf den Rohbau unterstützte diesen Prozess, indem freie Grundrisse der ehemaligen Grossraumbüros verfügbar wurden. Bei der Einteilung der Hotelzimmer half ein neues Fassadenraster, das die bestehenden innen liegenden Betonstützen und die neue vertikale Erschliessung einbezieht. Betonstützen und -unterzüge ersetzen die bisherige Tragkonstruktion der Fassade so weit, dass die Wohnräume jeweils über Loggien erweitert werden können und dadurch am geringsten in die bestehende Gebäudeform eingreifen.
Für die vollständig neu implementierte Gebäudetechnik wurden eine kontrollierte Wohnungslüftung, ein BHKW (Blockheizkraftwerk) für den Wärmeverbund im Quartier und die Ausstattung der Wohnungen mit E-Smart (intelligente Haussteuerung mit Fernzugriff via Smartphone-App) notwendig.
Modern geplant
Mithilfe von Building Information Modeling (BIM) konnte eine vorzeitige und hohe Planungssicherheit erzielt werden. Die Schönburg in Bern zählt damit zu den Ausnahmen an bestehenden Gebäuden, denn bis jetzt wird die BIM-Methode vornehmlich für Neubauten eingesetzt. «Das Erstellen und Pflegen des übergeordneten 3-D-Modells (Bestand, Abbruch, Neubau und Raummodell) diente sämtlichen Planenden und der Bauleitung als Basis. Das Arbeiten am Gebäudemodell ist zweifelsfrei intuitiver, visueller und fördert die Verständlichkeit in der Diskussion mit allen Beteiligten. BIM macht Fehler schonungslos sichtbar», erklärt Alfred Paul von Marazzi + Paul Architekten. Jene Kollisionen räumt man in Zusammenkünften der verschiedenen Fachbereiche aus. Dass bereits frühzeitig in der Planung wegweisende Entscheidungen getroffen werden müssen, ist für den Fortgang des Projekts zielführend. «Nach Anlegen des Raummodells ergänzten wir dieses um sämtliche Informationen wie Raumnummern und Materialoberflächen. Angaben zu Brandschutz und Akustik jeglicher Bauteile waren ebenfalls Bestandteil», erklärt der Architekt. Die ständige Verfügbarkeit der aktuellen dreidimensionalen Koordinationsplanung für alle Beteiligten vereinfachte zudem die Planung. Der bedeutendste Abschnitt beginnt jedoch jetzt nach der Fertigstellung. Denn vor allem in der anstehenden Nutzungsphase zeigen sich die umfassenden Vorzüge von BIM und die Nachhaltigkeit des Projekts. ●
Bautafel
Bauvorhaben Umbau Bürohaus «Schönburg» in Wohnhaus
Standort Bern
Bauherrschaft Swiss Prime Site Immobilien
Architektur ARGE Theo Hotz Partner, Zürich, und Marazzi + Paul Architekten, Zürich
Totalunternehmer Losinger Marazzi, Bern
Landschaftsarchitektur Maurus Schifferli Landschaftsarchitekten, Bern; Hofmann Landschaftsarchitekten, Bern











