Eine Lanze brechen für das evidenzbasierte Gestalten
Wissen Sie was Evidence-based Design bedeutet? Wenn nicht, dann befinden Sie sich in bester Gesellschaft, da dieser Begriff trotz einer über 30-jährigen Forschungspraxis in den USA und in UK in den deutschsprachigen Ländern nahezu unbekannt ist.

Wissen Sie was Evidence-based Design bedeutet? Wenn nicht, dann befinden Sie sich in bester Gesellschaft, da dieser Begriff trotz einer über 30-jährigen Forschungspraxis in den USA und in UK in den deutschsprachigen Ländern nahezu unbekannt ist. Evidence-based Design ist eine Methode, die Planungs- und Gestaltungsentscheidungen anstrebt, die auf der Grundlage von gut dokumentierter Forschung und Best Practices getroffen werden, um bestmögliche Wirkungen und Ergebnisse zu erzielen. International wird die Methode vor allem für den Bau von Spitälern und Pflegeeinrichtungen angewendet. Entsprechend werden Planungs- und Gestaltungslösungen für Gesundheitsbauten auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt. Die dazu vorliegende Forschung untersucht das Potenzial von Gestaltungs- und Raumfaktoren, die sich positiv auf Genesung, Gesundheit und Gesunderhaltung auswirken und in die Praxis umsetzen lassen.Die Erkenntnis, dass die Gestaltung des Umfeldes einen Einfluss auf die Genesung hat respektive sogar therapeutisch eingesetzt werden kann, reicht bis in die antiken Tempelanlagen des Asklepieion von Kos zurück. Die britische Krankenschwester Florence Nightingale verfasste 1863 das Standardwerk «Notes on Hospital» und beschreibt darin, wie Spitäler gestaltet sein müssen, um die Genesung zu unterstützen. Dafür hat sie bis heute gültige Faktoren identifiziert: Zufuhr von frischer Luft, Eliminierung von Geräuschen, gute Belichtung, Wärme und sauberes Wasser. Wie die historischen Beispiele zeigen, ist dieser sogenannte Healing-Environment-Ansatz nicht neu. Vor allem in Skandinavien und den angelsächsischen Ländern werden dazu laufend wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen und erfolgt deren Umsetzung in die gestalterische Praxis der Gesundheitsbauten. Untersucht werden zum Beispiel Effekte der Innenraumgestaltung, des Lichts und der Beleuchtung, der Geräusche, der Fenstergrössen und Fensterausblicke, die Nähe zur Natur und Einzel- und Mehrbettzimmer bezüglich Privatsphäre. Nachgewiesene messbare Effekte sind unter anderem die Reduktion der Aufenthaltsdauer, der Infektionen, von Schmerzmedikationen, Depressionen, Stürzen und nicht zuletzt geringere Kosten für Krankenkasse und Spitalbetreiber.
Auffallend ist, dass Evidence-based Design im internationalen Vergleich bis auf wenige Ausnahmen im deutschsprachigen Raum bis heute auf wenig Resonanz stösst und oft auch nicht bekannt ist. Entsprechend stellt sich die Frage, wie man in Zukunft den Zugang zu diesem Wissen breitenwirksam herstellen kann.
Ein Blick auf die USA und UK ist hier hilfreich. Auf der Website des US-amerikanischen Verbandes Center for Health Design sind Tausende von Studien hinterlegt. Es werden Kongresse zu den aktuellen Themen veranstaltet, und jährlich erscheint das «HERD: Journal Health Environments Research & Design». In Grossbritannien gibt es ebenfalls Institutionen wie das Design Council und Konferenzen wie Design4Health, welche die Themen Architektur, Design und Gesundheit untersuchen.
Allerdings können nicht alle internationalen Erkenntnisse ungefragt auf alle Länder übertragen werden. Insofern braucht es in der Schweiz eine länderspezifische Forschung und einen Wissenstransfer in die Praxis. Es ist wünschenswert, dass Evidence-based Design in Zukunft auch in der Schweiz vermehrt diskutiert wird und als Potenzial in die derzeit entstehenden Gesundheitsbauten (Bauvolumen 15 Milliarden Franken) einfliesst. Noch offene Fragen können durch entsprechende Forschung gelöst werden und dazu beitragen, zukunftsfähige Gebäude zu erstellen. ●