Tierisches Getümmel

Mit Educan entstand in der Nähe von Madrid ein Schulgebäude für Tier und Mensch. Farblich akzentuiert, ist es ein besonderer Blickfang. Das Gebäude demonstriert, dass Architektur einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des lokalen Ökosystems leisten kann.

Von Morris Breunig (Text) und Javier de Paz García, José Hevia (Bilder)

Kräftige Farben wie Pastellgrün, Grau und Blau zieren die Fassade.

In Brunete, rund 30 Kilometer westlich von Madrid, haben Enrique Espinosa mit Eeestudio und Lys ­Villalba ein Schulgebäude entworfen, das sich der Ausbildung von Tieren annimmt. Inmitten von Feldern positioniert es sich in ein ländlich geprägtes Umfeld. Städtische Strukturen sucht man vergebens. Urban geprägt ist dieser Standort dennoch, der in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch intensive Landwirtschaft mit Pflanzenschutzmitteln nachhaltig beeinträchtigt wurde. Die verloren gegangene Artenvielfalt wie vornehmlich von einheimischen Vögeln ist eine leidige Folge davon. Educan dient deshalb hinsichtlich der eingesetzten Baumaterialien auch einer Erprobung für eine potenzielle Wiederherstellung des lokalen Ökosystems und brachte dem Projekt bereits verschiedene Auszeichnungen für Innovation sowie Nachhaltigkeit ein.

Auch der Aussenbereich ist für die Hunde zugänglich. Wellblech sowie runde Fenster fügen sich nahtlos in das Gebäude ein.

Ideal kombiniert
Während das Erdgeschoss in Ortbeton ausgeführt wurde, bilden sechs ehemalige, in zwei Blöcken zu je drei Modulen angeordnete Schiffscontainer den oberen Teil des Bauwerks. Nach Ablauf der Nutzung für den Warentransport konnten diese einer neuen Funktion zugeführt werden. Wellblech sowie runde Fenster fügen sich nahtlos in das Gebäude ein, das im Mix verschiedener Bautechniken, Gewerke und überwiegend wiederverwendeter Materialien konzipierte wurde. Standardisierte Industriebleche, präzise CNC-gefräste Leimholzverbindungen, Schiebetüren und zahlreiche handgefertigte Metallelemente und die Verwendung des Wellblechverschnitts als Betonschalung verdeutlichen die spannende Bauteilmischung und sind überdies Ausdruck des nachhaltigen Gebäudekonzepts. Perforierte, manuell ­bedienbare Fenster- oder Rollläden dienen dem ­Sonnenschutz. Ein Air-Conditioning-System unterstützt zugleich als automatische Belüftung der Innenräume. Schallabsorbierende Schaumstoffverkleidungen an den Containern minimieren Geräusche und Nachhall.

Auf 300 Quadratmetern finden im Erdgeschoss Hundetraining und Hundesport statt.

In Verbindung zueinander
Das Hundetrainerausbildungszentrum Educan fungierte als Bauherrschaft des Projekts und richtet deshalb den Fokus vor allem auf die Ausbildung von Hunden und ihren Haltenden. Auf 300 Quadratmetern finden im Erdgeschoss Hundetraining und Hundesport statt. Andere Tierarten sind jedoch ebenfalls Teil des allumfassenden Konzepts, in dem alles zueinander in Verbindung steht. Kleine Raubvögel ernähren sich von Nagetieren und sorgen für ein ökologisches Gleichgewicht zwischen den Pflanzen und der übrigen lokalen Fauna. Kleine Vögel und Fledermäuse ernähren sich hingegen von Insekten, einschliesslich Mücken. Diese können zwar bestimmte Hundekrankheiten übertragen, sind aber dennoch Teil des Zyklus zur Bestäubung von Blumen und Pflanzen auf den umliegenden Feldern.

In Tränken gesammeltes Regenwasser stillt den Durst der Tiere. Fassadenöffnungen führen die Vögel zu den Nistplätzen und erlauben einen mit Leben gefüllten Dachraum.

Das Obergeschoss ist Vögeln wie Eulen, Mauerseglern, Turmfalken, Fledermäusen und Spatzen gewidmet. Die Nester und Unterschlupfe sind so verteilt, dass eine räumliche Trennung mit ausreichend Abstand zwischen den verschiedenen Vogelarten gewährleistet ist. Fassadenöffnungen führen die Vögel zu den Nistplätzen und erlauben einen mit Leben gefüllten Dachraum. Auch die Gebäudehülle und die Südfassade samt dreidimensionalem Schriftzug geben den Vögeln Gelegenheit zum Nisten. In Tränken gesammeltes Regenwasser stillt den Durst der Tiere.

Auf vier Beinen
So bunt wie die Tierwelt ist die Optik von Educan. Kräftige Farben wie Pastellgrün, Grau und Blau zieren die Fassade. Die Trainingsbereiche der Hunde sind mit knalligem Gelb und Akzenten in Orange geschmückt. Diese folgen darüber hinaus massstäblich und materialistisch den Hundebedürfnissen. Die weichen Böden sind auf die Ballen und Gelenke von Hundepfoten ausgerichtet. In den Trainingsräumen verwendete man deshalb Kunstrasen als Bodenbelag. Die übrigen Böden bestehen aus Terrazzo respektive Beton mit eingelassenen, polierten Kieselsteinen. Der zentrale, nach Süden ausgerichtete und mit einem Waschbereich versehene Trainingsraum kann mithilfe von Schiebetüren in zwei Räume unterteilt werden. Lagerräume, Toiletten für Menschen und der Eingang sind im hinteren Gebäudeteil platziert, die Haustechnik im Obergeschoss.

Bullaugen in den Schiebetüren befinden sich auf mensch­licher Augenhöhe von anderthalb Metern.

Die durchschnittliche Augenhöhe innenräumlich beträgt in Ausrichtung auf den Hund einen halben ­Meter. Bullaugen in den Schiebetüren befinden sich hingegen auf menschlicher Augenhöhe von anderthalb Metern. Trotz dieser Unterscheidungen begegnen sich die Bewohnenden und Nutzenden von Educan stets auf Augenhöhe – im Sinne eines harmonischen Miteinanders von Tier, Mensch und Natur. ●

Erdgeschoss

Bautafel

Objekt Schule
Standort Madrid, Spanien
Fertigstellung 2020
Bauherrschaft Adiestramiento Educan
Architektur Enrique Espinosa (Eeestudio) und Lys Villalba
Bebaute Fläche 300 m2
Baufirmen Servicios Integrales Alji, Construcciones Metálicas Miguel Torrejón
Planungsteam Javier Reñones Marín, Mecanismo, Alberto Espinosa, Jorge López Hidalgo, Maria Paola Marciano und Irene Domínguez

 

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