Bildungsbauten – Vom Kohlenkeller zum Land-Art- Projekt

Im zweitgrössten Barockschloss Europas hat schneider + schumacher ein modernes Studien- und Konferenzzentrum für die Mannheim Business School geschaffen.

Mannheim Business School
Von Uwe Guntern (Redaktion) und Kirsten Bucher und Jörg Hempel (Bilder)
Im zweitgrössten Barockschloss Europas hat schneider + schumacher ein modernes Studien- und Konferenzzentrum für die Mannheim Business School geschaffen.

Im 18. Jahrhundert erbaut und einst Residenz der Kurfürsten von der Pfalz, wird das Mannheimer Schloss schon seit Jahrzehnten von der Universität Mannheim genutzt und ist somit nicht nur ein denkmalgeschütztes Artefakt, sondern ein vitales Ensemble. An Stelle der stillgelegten Heizzentrale und des dazugehörigen Kohlenkellers aus den 1950er-Jahren entstanden nun auf 1700 Quadratmetern neue Räumlichkeiten für die Mannheim Business School (MBS). Betreten wird das neue Studien- und Konferenzzentrum aus dem Ehrenhof über die ehemalige Schlossküche. Von dort führen ein Aufzug und eine grosszügige Treppe in den unterirdischen zweigeschossigen Anbau. Über das Forum können zwei Hörsäle, ein Konferenzraum und zehn Gruppenarbeitsräume (sogenannte Break-out-Rooms) erreicht werden. Mit einer breiten Glasfront öffnet sich der Campus in den Schlossgarten, der sich an dieser Stelle wie eine antike Theateranlage absenkt und den Studierenden einen grünen Aussenraum schafft, der sich bis auf das begrünte und begehbare Dach ausdehnt.Wenn man den Neubau betritt, kann man den ganzen Hörsaalbereich überblicken und bis in den Garten schauen – an einen Kohlekeller erinnert hier nichts mehr. Prof. Michael Schumacher, gemeinsam mit Till Schneider Inhaber des Architekturbüros schneider + schumacher: «Wir wollten sicherstellen, dass die Studierenden nicht im Dunkeln ankommen, sondern gleich den Bezug zum Garten haben. Daher sind die Hörsäle im oberen Teil nur mit Glas akustisch voneinander getrennt.» Durch die vielen Glaswände auf unterschiedlichen Höhen ergibt sich beim Betreten ein kaleidoskopartiger Anblick. Die Räume wirken wie in die Fläche eingestellte Körper, da sie lediglich über Glaswände mit den Decken verbunden sind.

Die halbrunden Hörsäle sind zusätzlich durch eine Überhöhung der Decke akzentuiert, die für ein offenes Raumgefühl sorgt. Von der Tür über den Teppichboden bis hin zu den Pulten und Stühlen sind sie komplett in Rot gehalten – als Kontrast und Komplementärfarbe zum Grün des Schlossgartens. Gewählt wurde eine Grösse für bis zu 60 Personen mit aufsteigenden Sitzreihen, sodass man auch in der hintersten Reihe noch nah am Rednerpult ist. Der durch Schiebetüren flexibel gestaltbare Konferenzraum und das Forum als zusätzlicher Aufenthaltsbereich liegen direkt an der Glasfront zum Schlossgarten. Die zehn Break-out-Rooms sind als offene Nischen gleich rechts neben der Treppe angeordnet – fünf einige Stufen unterhalb der Hörsäle und weitere fünf oberhalb, entlang einer Galerie mit Blick über den Hörsaalbereich hinweg nach draussen.

Bisherige Räumlichkeiten als Wermutstropfen

Als organisatorisches Dach für Management-Weiterbildungen an der Universität Mannheim ist die Mannheim Business School eine der führenden Institutionen ihrer Art in Europa. Sie bietet drei MBA-Programme, einen Masterstudiengang für den Führungsnachwuchs in Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung sowie massgeschneiderte Firmenprogramme und offene Kurse an. 2005 gegründet, konnte sie die Zahl ihrer Teilnehmer innerhalb von zehn Jahren von 50 auf 500 verzehnfachen. Im Mai 2017 landete sie im «Financial Times»-Ranking der weltweit besten Anbieter von Firmenweiterbildungsprogrammen zum vierten Mal in Folge unter den Top 20. Doch in einer Kategorie konnte die MBS bisher nicht punkten: Ihre Räumlichkeiten waren stets unterdurchschnittlich bewertet worden. Durch die schnell steigende Anzahl an Studierenden waren die vorhandenen Raumkapazitäten erschöpft. Das sollte sich nun mit dem Neubau ändern. Dieser wurde vom Land Baden-Württemberg beauftragt, als Bauherr fungierte das Amt Mannheim und Heidelberg des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Die MBS übernahm die Gesamtkosten von rund 9 Millionen Euro und erhält im Gegenzug das Recht, die Räumlichkeiten für die nächsten maximal 30 Jahre zu nutzen. Danach wird die Weiternutzung mietpflichtig.

Abgestimmt auf die Didaktik

Es ging um die Frage, wie man in einem Barockschloss – das nur wenige schmale, aber tiefe Räume hat – überhaupt eine Erweiterungsmöglichkeit findet. Darüber hinaus musste für die Didaktik der Mannheim Business School eine entsprechende räumliche Zuordnung gefunden werden: Zu Beginn eines Themenblocks treffen sich die Studierenden normalerweise in einem Hörsaal, anschliessend teilt sich der Kurs auf, um in Kleingruppen gemeinsam an Fallbeispielen zu arbeiten, die anschliessend wieder im Plenum vorgestellt werden. Klar definiert waren daher zwei Hörsäle, ein Versammlungsbereich und zehn Gruppenarbeitsräume, die vor Ort untergebracht und in einen angenehmen und lebendigen Kontext gebracht werden mussten.

Prof. Michael Schumacher: «Das Spannendste an dem Projekt war für mich, ein Barockschloss noch schöner zu machen, als es ohnehin schon ist. Das Projekt ist vergleichbar mit der unterirdischen Erweiterung des Frankfurter Städel-Museums, die wir vor fünf Jahren umgesetzt haben: Eine sehr schöne historische Anlage ist vorhanden, muss erweitert werden und darf dabei nicht gestört werden. Vielmehr sollen das Vorhandene und das Neue zusammen eine neue selbstverständliche und schöne Einheit bilden.»

Bauen im historischen Bestand

Das Bauen im historischen Bestand steckt voller Herausforderungen: Die Erschliessung des Studien- und Konferenzzentrums erfolgte über den Arkadengang des Gebäudeflügels Ehrenhof West. Rund sieben Meter tief wurde ausgehoben – und zwar auf engsten Raumverhältnissen, was nur mit Kleinstgeräten wie Minibagger, Raupenfahrzeug und Förderbändern möglich war.

Danach wurden die Aussenfundamente des Mannheimer Schlosses durchbrochen und die Erweiterung auf diese Weise unterirdisch an den Bestand angeschlossen. Im Sinn des Denkmalschutzes und unter Rücksichtnahme auf die Substanz waren erschütterungsarme Abbruchmethoden notwendig. In Absprache mit dem Statiker musste das Bau- und Projektmanagement-Team von schneider + schumacher immer wieder spontan und schnell reagieren: So wurden beispielsweise bei den Aushubarbeiten grosse Hohlstellen in den Bestandsfundamenten sichtbar, die ausbetoniert werden mussten. Beim Herstellen der Durchgänge vom Neubau zum Altbau mussten teilweise horizontale Baumstämme eingebracht und Stahlrahmenkonstruktionen in die Aussenwände integriert werden, um die Fassade abzufangen. Darüber hinaus gab es parallel zu den Bauarbeiten eine archäologische Untersuchung, die die grösste je in Mannheim geborgene Fundmenge «dorfzeitlicher» Objekte, Tongefässscherben und Eisenschlacken von der Karolingerzeit bis ins Spätmittelalter hervorbrachte.

Mit der Betonage der Bodenplatte begannen im April 2016 die Rohbauarbeiten an der Mannheim Business School. Die unterirdische Erweiterung wurde auf einer vollflächigen Bodenplatte gegründet. An den Schnittstellen zu den Bestandsgebäuden stabilisieren Unterfangungen die bestehenden Wände und Fundamente. Ein Stahlbetonskelett mit tragenden Aussenwänden und eine auf Stützen ruhende Flachdecke umhüllen die Hörsäle. Die beiden Überhöhungen ragen an der höchsten Stelle 1,25 Meter über die Oberkante der 45 Zentimeter dicken Stahlbetondecke heraus. Die Flachdecke und Kuppelformen wurden mit einer Bewehrung versehen und mithilfe einer Betonpumpe betoniert. So konnte im September mit 150 Gästen Richtfest gefeiert werden. Für das Vordach, das als Abschluss der Glasfront zum Schlossgarten fungiert, wurden 15 grossformatige Fassadenplatten aus Weissbeton installiert. Da sie in einem Bogen angeordnet sind, musste jede Platte einzeln angefertigt werden. Die Platten zeichnen sich durch eine sehr hohe Tragfähigkeit aus – trotz geringer Bauteilstärke: Sie sind etwa 4 Meter lang, 2,50 Meter breit und nur 5 Zentimeter dick. Ende 2016 war dann auch der muldenförmige Garten angelegt und mit 850 Quadratmeter Rollrasen begrünt. Weitere 830 Quadratmeter Rollrasen wurden auf dem Dach verlegt.

Besonderheiten im Innendesign

Die Treppe führt vom Eingangsbereich aus entlang der Fassade nach unten und endet auf einem Podest, von dem aus sich unmittelbar der Blick über die Hörsäle hinweg bis zum Garten hin öffnet. Der Besucher befindet sich zwar relativ weit weg von der eigentlichen Fassade, vom Aussenraum, aber dadurch, dass die Hörsäle und die übrigen Räume nie geschlossene, sondern nur verglaste, also akustisch wirksame Abtrennungen zur Decke haben, ist der Park auch hier schon gefühlt sehr nahe.

Unten angekommen wundert man sich: Es ist hell und grün, als würde man im Erdgeschoss eine Terrasse betreten; genau das war es, was die Architekten erreichen wollten. Alles ist weiss und hell. Nur die Verbindung zum Aufzug in der unteren Ebene ist schwarz, weil es dort richtig ins Innere der Erde unter das Schloss geht.

In der Komplementärfarbe zum Grün des Rasens erzeugen die beiden halbkreisförmigen roten Hörsäle ungeteilte Aufmerksamkeit, wie sie jeder Dozent verdient, der hier lehrt. Über den roten Sitzreihen der beiden Hörsäle ist die Decke leicht nach oben gewölbt. Unterstützt durch indirektes Licht wird dadurch der Raum überhöht, eine Fortsetzung der Tradition der Baumeister des Schlosses, welche die Decken durch entsprechende Bemalung als unendlichen Himmel über uns interpretiert haben.

Die Glasscheiben, die die Räume akustisch voneinander abtrennen, sind so angeordnet, dass sich vielfältige Spiegelungen ergeben, die den Raum grösser und komplexer erscheinen lassen, als er geometrisch ist. Durch diese Spiegelungen und die Reflexionen des grünen Rasens sowie die der roten Hörsäle entsteht ein facettenreiches Lichtspiel in einem Raum, der sich ja eigentlich im Keller befindet.

Seit Herbst 2017 erhalten die Studierenden der Mannheim Business School nun im neuen Studien- und Konferenzzentrum den Feinschliff für eine Karriere im Topmanagement. Das neue Aushängeschild der MBS schlägt dabei eine Brücke zwischen Tradition und Innovation. Die Erweiterung gliedert sich in die barocke Anlage ein, ist aber in der Formensprache unmissverständlich dem 21. Jahrhundert zuzuordnen und signalisiert: Zukunft hat Herkunft. ●

Bautafel

Bauherr Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Mannheim und Heidelberg

Architektur schneider + schumacher Planungsgesellschaft GmbH, Frankfurt am Main

TragwerksplanungIngenieurgruppe Bauen, Mannheim

Haustechnik E-Technik: sbi GmbH, Schneider Beratende Ingenieure, Walldorf

H+S: Ingenieurbüro htp, Weinheim L+MSR: Planungsbüro Schmitt, Epfenbach

AussenanlagenPlanungsbüro Borst, Leimen

Brandschutz Kempen Krause Beratende Ingenieure GmbH, Köln

Bauphysik Hüttinger Ingenieurgesellschaft für Bauphysik GmbH, Lehrensteinsfeld

Mannheim Business School
Eine Glasfront bildet die Öffnung des Studien- und Konferenzzentrums zum Schlossgarten.
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Ein ehemaliger Kohlenkeller beherbergt nun futuristische Hörsäle und Thinktanks in historischem Umfeld.
Skizze
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Die Hörsäle im oberen Teil sind nur mit Glas akustisch voneinander getrennt.
Skizze
Skizze
Mannheim Business School
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Neben zwei Hörsälen und einem Versammlungsbereich gibt es zehn Gruppenarbeitsräume.
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Wenn man den Neubau betritt, kann man den ganzen Hörsaalbereich überblicken und bis in den Garten schauen.
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Die in den bestehenden Garten eingeschnittene Anlage bildet zusammen mit dem historischen Schloss eine neue Einheit.
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Durch Schiebetüren lässt sich der Konferenzraum flexibel gestalten.
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Durch das Entfernen der Trennwände dominieren die Gewölbe im Eingangsraum.
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Der Hallencharakter des Gewölbes ist erhalten geblieben.
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Nur die Verbindung zum Aufzug in der unteren Ebene ist schwarz, weil es dort richtig ins Innere der Erde unter das Schloss geht. Die Hörsäle sind rot.
LageplanSchnitt
LageplanSchnitt
Grundriss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss
Grundriss
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