Doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade

Mit Textilbeton lassen sich spektakuläre Fassaden einfacher und effizienter gestalten.

Demonstrator-Fassade
Die Demonstrator-Fassade wiegt rund 200 kg weniger als ein entsprechendes Stahlbeton-Pendant. Fotos: Stanecker GmbH und Penn Textile Solutions
Impuls für Ingenieurbaukunst
Mit Textilbeton lassen sich spektakuläre Fassaden einfacher und effizienter gestalten.
gun. In der Entwurfsphase von Gebäuden sind häufig doppelgekrümmte Flächen das Mittel der Wahl. Die tatsächliche Realisierung erfolgt jedoch aus Kostengründen vorwiegend ohne diese Bauelemente. Eine Tatsache, die nicht nur dem Entwurfswillen der Architekten negativ gegenübersteht, sondern auch dafür sorgt, dass bereits vorproduzierte Materialien und Elemente das städtebauliche Bild und den urbanen Raum bis heute prägen. Seit vielen Jahren wird deshalb an der Entwicklung von Bausystemen gefeilt, welche die wirtschaftliche Umsetzung und den individuellen Gestaltungsspielraum vereinen.Ein Fassadenmaterial, mit dem diese Einschränkungen der Vergangenheit angehören und das die Gestaltungmöglichkeiten zukünftig revolutionieren wird, ist durch das Unternehmen für technische Textilien Penn Textile Solutions aus Paderborn (D) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University und der Stanecker Betonfertigteilwerk GmbH entwickelt worden. Im Rahmen des Forschungsprojektes «CurveTex – Entwicklung einer drapierfähigen Textilbewehrung zur Herstellung doppelgekrümmter Textilbetonelemente» konnte die weltweit erste doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade realisiert werden. Damit werden alle Vorteile des Textilbetons vereint. Diese werden die Drapierung von Beton ohne Faltenwurf ermöglichen. Möglich ist künftig eine flexible, nachhaltige und wirtschaftliche Gestaltung anspruchsvoller Fassaden mit Beton.

Korrosionsbeständiges Material

Textilbeton ist ein Verbundwerkstoff, der aus einer Betonmatrix und Hochleistungsfaserstoffen, wie zum Beispiel Carbon, besteht. Zur Herstellung der textilen Bewehrung werden aus unzähligen Endlos-Filamenten zunächst Faserstränge und schließlich textile Gelege mit einem Gitter in der gewünschten Maschenweite erzeugt. Die textile Bewehrung wird mittels unterschiedlicher Verfahren schließlich in einen Feinbeton eingebettet. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird der Werkstoff an den Universitäten in Dresden und Aachen erforscht und weiterentwickelt. «Das korrosionsbeständige Material kommt mit einer sehr geringen Betondeckung aus, bietet dabei eine extrem hohe Tragfähigkeit und eine lange Lebensdauer. Aufgrund der Wandstärken von nur wenigen Zentimetern ermöglicht Textilbeton die Herstellung extrem leichter und schlanker Bauteile», erklärt Gözdem Dittel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des ITA der RWTH Aachen University. Penn Textile Solutions bringt Glasfasern in die elastische Ware ein und erhöht so die Flexibilität des Geleges. Im Rahmen des Forschungsprojekts hat das ITA Materialprüfungen, Auswertungen und Beschichtungsversuche an den von Penn Textile Solutions zur Verfügung gestellten textilen Flächen durchgeführt. «Die Kraft aufnehmende Faser des Geleges lag dabei stets fadengerade im Bogen. Unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich damit nicht», erläutert Gözdem Dittel die Herausforderung während der Materialprüfungen. Um Kräfte in beide Richtungen aufnehmen zu können, wurden zwei Gelege in unterschiedlichen Richtungen übereinandergelegt. Anschließend wurden die Gelege verharzt und in Beton gegossen. Das Projektergebnis stellt eine Demonstrator-Fassade aus 12 filigranen Textilbeton-Fassadenelementen dar. Die Fassade mit den Maßen 4,83 × 2,42 × 0,03 m wiegt rund 200 kg weniger als ein entsprechendes Stahlbetonpendant und ist im Betonteilfertigwerk des Unternehmens Stanecker, das unter anderem an der Realisierung des Elbphilharmonie-Daches beteiligt war, ausgestellt. Die Betonspezialisten zeichnen für die Entwicklung des dazugehörigen Produktionsprozesses verantwortlich.

Die neu entwickelte Textilbeton-Fassade ist auch deshalb substanziell, weil Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit im Bauwesen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Textilbeton ermöglicht eine nachhaltige Bauweise. Weil im Inneren der Betonteile kein Stahl mehr verbaut wird, der mittels viel Beton vor Korrosion geschützt werden muss, wird weniger Baustoff benötigt. Zudem ermöglichen die schlankeren Textilbetonbauteile mehr Nutzfläche in den Gebäuden. Für den Trend hin zu einer monolithischen Bauweise mit einem einzigen Material, das sowohl Lastabtrag als auch Wärmedämmung übernimmt, bietet Textilbeton ebenfalls neue Möglichkeiten. ●

Demonstrator-Fassade
Glasfasern in der elastischen Ware erhöhen die Flexibilität des Geleges und damit die Gestaltungsfreiheit.
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