Ein emblematischer Kultur- und Lebensraum

Das Projekt befindet sich an der Ecke Rue de Sauverny und Route de Suisse, direkt neben der Schule Bon-Séjour.

Ein neuer zentraler Platz
Die neuen Gebäude fügen sich perfekt in die bestehenden Bauten ein.
Von Marianne Kürsteiner (Text) und Thomas Jantscher (Bilder)
Die Stadt Versoix beauftragte Cathrin Trebeljahr von der Genfer Agentur In-Out Architecture mit der Umstrukturierung der ehemaligen Präfektur. Im Fokus des Umbaus standen Gemeinschaftsräume wie Tanzsaal, Musikkonservatorium, Gemeinschaftsküche, Büros und ein Schulrestaurant.

Die Stadt Versoix wollte ihren Einwohnern neue Gemeinschaftsräume zur Verfügung stellen, die Aktivitäten wie Tanz und Musik ermöglichen, aber auch bei der beruflichen Integration helfen und Treffpunkte schaffen. Das Projekt gab zugleich die Gelegenheit, den gesamten Standort neu zu organisieren. Man beabsichtigte, verschiedene Dienstleistungen in den bestehenden Gebäuden unterzubringen, die ehemalige Schule und Präfektur zu verbinden, einen Raum für ein Schulrestaurant zu schaffen und zugleich ein städtebauliches Konzept für das gesamte Gelände zu entwickeln, wobei Auswirkungen auf die Umwelt und Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden sollten. Im Mittelpunkt des Projekts standen die Wiederherstellung der Einheit des Bon-Séjour-Geländes durch dessen Aufwertung und Klärung der Verbindungen, um es langfristig kohärent zu machen.Das Projekt befindet sich an der Ecke Rue de Sauverny und Route de Suisse, direkt neben der Schule Bon-Séjour. Das Gelände vereint Gebäude aus verschiedenen Epochen, vom 18. Jahrhundert bis in die 1980er-Jahre. Diese bestehenden Strukturen vereinfachten die städtebauliche Integration des neuen Projekts. Seine Vielfalt verleiht dem Ort den Eindruck einer Collage – eine Logik, die sich der Architekt zunutze gemacht hat.

Als Herausforderung des Projekts zeigte sich das gemischte Funktionsensemble: Tanzsaal, Musikkonservatorium, Gemeinschaftsküche, Restaurant für die Bon-Séjour-Schule sowie Büros für die Stadt, aber auch Räume zur beruflichen Integration sollten Bestandteile sein. Das war Teil der Ausarbeitung eines städtebaulichen Konzepts für das gesamte Gelände, das die Verteilung der verschiedenen Organe des Projekts ermöglicht. Das Projekt von Cathrin Trebeljahr (Büro In-Out Architecture) stellt somit die Einheit des Bon-Séjour-Areals wieder her, indem es das Bestehende aufwertet und dem Stadtraum langfristig Kohärenz schenkt.

Das Dorf als Vorlage

Die Implementierung des Schulrestaurants gibt dem Projekt an der Rue de Sauverny eine neue Silhouette. So wie der Bau in Kontinuität mit der ehemaligen Präfektur eine Einheit bildet, so nimmt sein schräges Dach die Gegebenheiten des Ortes auf. Die Architektin hat also die klare Entscheidung getroffen, auf die Konstitution eines kohärenten Ganzen im kleinen Massstab Wert zu legen statt auf eine Dispersion im erweiterten Kontext.

Die Logik der Anpassung gilt zudem für die neuen Verbindungen mit dem Bestehenden. So werden die Lücken genutzt, um Passagen zwischen öffentlichen Räumen zu schaffen, wie zum Beispiel zwischen dem Restaurant und dem Erweiterungsbau. Ihre Dimensionierung erhält die hierarchische Beziehung von Platz und Park aufrecht und bildet gleichzeitig grosszügige und definierte Räume, die nicht nur Durchgänge, sondern Orte sind.

Die neuen Gebäude sind Teil der komplexen Topografie des Ortes: Die Aneinanderreihung verschiedener Bodenebenen organisiert den öffentlichen Raum.

Ein neuer zentraler Platz

Der Platz definiert die Beziehung des Ortes zur Stadt neu. Seine ambivalente Rolle ist nicht zweideutig: Er organisiert die verschiedenen Programme und verstärkt gleichzeitig die Porosität des bestehenden Ortes. Die Architektin erschafft einen kohärenten und strukturierenden öffentlichen Raum, der den öffentlichen Charakter der darin enthaltenen Programme definiert.

Sie ermöglicht die Gliederung des neuen Funktionsangebots bei gleichzeitigem Erhalt des vorhandenen Freiraums. Die neuen Aussenräume schaffen eine Verbindung des Schulhofs und des Gartens mit dem neuen öffentlichen Platz. Eine schachbrettartige Verteilung organisiert die Verknüpfung der verschiedenen Funktionen.

Bestehende sowie neue Bäume und Sträucher stehen im Dialog mit der Mineralität des Platzes. Auf der gleichen Ebene wie die Küche des alten Schulgebäudes gelegen, führt der leicht abfallende Platz die Lernenden zum Eingang des Schulrestaurants und zum Türmchen. Das Restaurant öffnet sich grosszügig nach Süden zur Strasse nach Sauverny und zum Platz im Osten.

Dieser zentrale Platz berücksichtigt alle Zugänge: in Richtung des Türmchens mit dem Tanzsaal, den Räumlichkeiten der Vereine, dem Raum für die Hebammen, dem Büro für die Berufseinführung und dem Büro ausserhalb der Mauern; in Richtung des Schulrestaurants; in Richtung der alten Präfektur mit der Spielothek, den Räumen des Volkskonservatoriums, dem Solfège-Raum und dem Probesaal sowie in Richtung des Erfrischungsraums der Schmiede. Das Gelände entlang der Strasse nach Sauverny fällt leicht ab, die Verbindung zwischen dem zentralen Platz und dem Innenhof wird auf verschiedene Art hergestellt: durch den Gehweg der Strasse nach Sauverny, durch Treppenstufen zwischen dem Schulrestaurant und der Schmiede oder zwischen den beiden neu geschaffenen Volumen. Rampen beanspruchen viel Platz und werden deshalb vermieden.

Erhaltung der vorhandenen Substanz

Die bestehenden Gebäude wurden weitestgehend erhalten und renoviert. Die Holzarbeiten wurden entsprechend dem Ausgangszustand erneuert, und für die alte Schule wurde der Grad an Tageslicht optimiert. In allen bestehenden Gebäuden wurden die Böden, Wände und Decken renoviert. Ein neues Treppenhaus wurde in die alte Präfektur eingefügt. Die Dächer sind mit neuen Dachgauben verschönert, die der Schule ihre ursprüngliche Form zurückgeben. An der Südfassade der alten Schule sind simple, zeitgemässe punktuelle Öffnungen angebracht. Die bestehenden Fassaden sind mit einem Isolierputz beschichtet, der gleichzeitig die thermischen und denkmalpflegerischen Anforderungen erfüllt.

Ein Eingriff mit Augenmass

Das neue Gebäude ist eine Erweiterung der vorhandenen Schule. Es nimmt mit seiner visuellen Präsenz an der neuen Identität des Ortes teil und steht in der strengen morphologischen Kontinuität des bestehenden Gebäudes.

Mit einem neuem Treppenhaus und einem neuen Aufzug verbindet dieser Neubau alle Ebenen der alten Schule. Er ist zum Platz im Süden und zum Hof im Westen ausgerichtet.

Nach einer Diagnose der vorhandenen Strukturen wurden alle Gebäude renoviert und separat behandelt. In der ehemaligen Präfektur wurden die Eingriffe minimiert. Sie wurde so weit wie möglich in ihrem ursprünglichen Zustand belassen. Die Öffnungen in den Fassaden sind nahezu unverändert. Erst die Entfernung des kleinen Verbindungsbaus veränderte einen Teil der Westfassade.

Aufgrund von Brandschutzauflagen wurden verschiedene Eingriffe am bestehenden Gebäude vorgenommen: Das Treppenhaus musste unter anderem den aktuellen Anforderungen angepasst werden. Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes ist die Spielothek untergebracht. Die Räume des beliebten Konservatoriums sind auf zwei Ebenen verteilt, die Solfège- und Proberäume befinden sich im Dachgeschoss, dessen ursprüngliches Fachwerk hervorgehoben wird.

Mineralische Materialität

Um aus mineralischen Materialien eine neue Volumetrie umzusetzen, die auf die unmittelbare gebaute Umgebung reagiert, wurde die Betonstruktur der beiden neuen Gebäude nach aussen orientiert. Die Fassaden und Dächer, die eine schützende Hülle in beigefarbener Betonstruktur darstellen, bilden eine durchgehende Fläche. Die Platten des Anbaus sind zur Vermeidung von Wärmebrücken an der Fassade befestigt.

Die Fassaden des Schulrestaurants sind grosszügig verglast. Aussenjalousien wurden in der Stärke der Konstruktion auf der Aussenseite installiert und ermöglichen eine mechanische Beschattung je nach Wetterlage. Die Erker an der Nord- und der Westfassade des Anbaus und des Schulrestaurants wurden punktuell in eine massivere Fassade eingefügt.

Zeitgenössischer Einfall

Das sich aus dem Projekt der Agentur In-Out Architecture ergebende Gesamtbild ist der Wunsch, eine zeitgenössische Analogie einzufügen, die auf die vorhandenen Elemente zurückgreift. Das Projekt entspricht somit einer Umstrukturierung durch die Konstruktion eines Doppels: Der Anbau manifestiert sich als komprimierte Kopie des Bestehenden, während das Schulrestaurant als eine moderne Interpretation gebaut wurde. Der neue Platz verleiht dem Ganzen gleichzeitig die Qualität einer Insel, die aus ihrer Ambivalenz den Reichtum ihrer städtebaulichen und architektonischen Befangenheit zieht.

Nachhaltige Entwicklung

Das Gebäudeprogramm hat aufgrund der Mischung von Nutzungen und Nutzenden sowie der Begegnungsräume eine grosse Bedeutung für den sozialen Bereich. Das widerspiegelt sich unter anderem in der Schaffung des neuen Platzes. Mit den Lösungen können den Nutzenden an ihre Bedürfnisse angepasste Räumlichkeiten mit hervorragendem Komfort, Licht und guter Raumluftqualität angeboten werden. Um die wirtschaftlichen Aspekte zu optimieren, wurden die gewählten Optionen (technisch und architektonisch) mit Alternativen verglichen und deren Lebenszykluskosten analysiert.

Aus ökologischer Sicht schafft die energetische Sanierung der bestehenden Gebäude die Voraussetzung zur Reduzierung des Energiebedarfs, der vollständig durch erneuerbare Energie gedeckt wird. Die Baustelle wurde so ausgeführt, dass Belästigungen so weit wie möglich reduziert wurden. Bei den Baumaterialien wurde besonders darauf geachtet, die Umweltbelastung zu reduzieren und ökologische Ausbaumaterialien einzusetzen.

Um den Bauherrn zu unterstützen und ihm im Entscheidungsprozess zu helfen, schlugen die Architekten vor, während des gesamten Projekts eine der erprobten Bewertungsmethoden für nachhaltige Entwicklung anzuwenden, sodass die richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt gestellt werden konnten und eine ganzheitliche Analyse der verschiedenen Kriterien bei der Entscheidungsfindung möglich wurde.

Eine Energiestadt

Erneuerbare und lokale Energien werden begünstigt, indem der Gaskessel durch eine zentrale holzbefeuerte Anlage ersetzt wurde. Heizung und Warmwasserbereitung in allen Gebäuden sind somit gewährleistet. Eine vollständige Produktion mit erneuerbaren Energien ermöglicht es, sich an der Energiepolitik der Gemeinde Versoix zu beteiligen und ihre Ziele als «Cité de l’énergie» zu verfolgen. Eine Holzpelletlösung ist ein idealer Kompromiss aus Nachhaltigkeit und Implementierungseinschränkungen.

Für die neuen Bereiche wählte man eine Niedertemperatur-Fussbodenheizung. Die Leitungen für die Wärmeverteilung in den vorhandenen Gebäudeteilen wurden saniert. Eine doppelflutige Belüftung wird für die neuen Bereiche bevorzugt, ebenso wie im Schulteil, sobald ihre Machbarkeit nachgewiesen ist. Bei den anderen Bestandsgebäuden sorgt eine Komfortlüftung für qualitätsreiche Innenraumluft. Die Küche ist mit einer doppelflutigen mechanischen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet.

Sommerkomfort: Alle Fenster der Gebäude sind systematisch mit einem wirksamen äusseren Sonnenschutz ausgestattet, um den thermischen Komfort der Nutzenden im Sommer zu gewährleisten. Innerhalb der umgebauten Räumlichkeiten und im Rahmen der Möglichkeiten blieben die massiven Elemente der Konstruktion erhalten, um eine für den Sommerkomfort notwendige thermische Trägheit zu bieten.

Die neuen Gebäude erfüllen die Anforderungen der sehr hohen Energieeffizienz (VHEP), und für die bestehenden Gebäude werden die Ziele der hohen Energieeffizienz (HEP) angestrebt. Die Energieeffizienz bestehender Gebäude wird verbessert, indem unter anderem einfach und doppelt verglaste Fenster durch energieeffiziente Elemente ersetzt werden und Dächer neu wärmegedämmt werden.

Für die bestehenden Fassaden wurde ein Kompromiss zwischen den Geboten der Substanzerhaltung und den Zielen der Energiebilanz gefunden. Die Verbesserung der thermischen Hülle, der Einbau einer doppelflutigen Lüftung und die vollständige Deckung des Wärmebedarfs durch erneuerbare Energien ermöglichen eine Minergie-Renovationszertifizierung für das alte Schulhaus. ●

Zur Person

Cathrin Trebeljahr gründete 2008 In-Out Architecture in Genf und parallel dazu Cathrin Trebeljahr Architecte SARL in Paris. Die deutsche Staatsbürgerin wuchs in Genf auf und studierte an der ETH in Zürich bei den besten Schweizer Architekten (Mario Campi, Flora Rucha, usw.) Architektur. Sie wurde ausgewählt, um ein Jahr an der Harvard Graduate School of Design bei international renommierten Professoren (Tod William und Billie Tsien, Raimund Abraham, Raphael Moneo) zu verbringen, und wurde schliesslich nach ihrem Abschluss gebeten, in Zürich zu unterrichten. Während ihres Studiums erwarb Cathrin Trebeljahr eine solide und vollständige Grundlage, die es ihr ermöglichte, ihre Karriere in den wichtigsten internationalen Agenturen wie von Mario Botta, Bernard Tschumi, Jean Nouvel, Claude Vasconi, Aurelio Galfetti zu festigen und an prestigeträchtigen Wettbewerben und Projekten teilzunehmen.

www.trebeljahr-architecte.com

Ein neuer zentraler Platz
Durch die Intervention der Architekten wurde die Einheit des Bon-Séjour-Geländes wiederhergestellt und das Vorhandene aufgewertet.
Ein neuer zentraler Platz
Vor dem Schulrestaurant ist ein neuer Platz entstanden.
Ein neuer zentraler Platz
Der helle beigefarbene Beton entspricht der Farbe der Fassade des alten Gebäudes.
Ein neuer zentraler Platz
Das Schulrestaurant ist sehr hell und bietet einen Blick auf den neuen Innenhof.
Ein neuer zentraler Platz
Die schräge weisse Decke schafft eine elegante Atmosphäre.
Ein neuer zentraler Platz
Im Inneren des ursprünglichen Gebäudes sind der Stuck und die Parkettböden erhalten geblieben.
Ein neuer zentraler Platz kuche
Eine Küche im Dachgeschoss.
Ein neuer zentraler Platz plan
Grundriss Erdgeschoss
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