Einfamilienhäuser – Ineinandergreifend wohnen

«Houses of Cards» des italienischen Architekten Stefano Pujatti von Elastico Farm sind ein bewohntes Experiment und das Ergebnis der Erforschung der Ausdrucksmöglichkeiten eines traditionellen Materials, das auf unvorhergesehene Weise verwendet wird.

 Einfamilienhäuser
Von Paola Giaconia (Text) und Atelier XYZ (Bilder)
«Houses of Cards» des italienischen Architekten Stefano Pujatti von Elastico Farm sind ein bewohntes Experiment und das Ergebnis der Erforschung der Ausdrucksmöglichkeiten eines traditionellen Materials, das auf unvorhergesehene Weise verwendet wird.
Bewusst dissonant zur Umgebung erheben sich zwei Stockwerke über dem Boden in einem Wohnkontext, der aus anonymen Einfamilienhäusern besteht, die alle respektvoll ausgerichtet sind. Schauplatz ist Torrazza Piemonte in der Provinz Turin im nordwestlichen Teil Italiens. Die beiden Wohnhäuser haben die gleiche strukturelle Lösung, die um eine überlappende Anordnung von 20 grossen Granitplatten herum entwickelt wurde, die durch ineinandergreifende Schnitte und Metallelemente verbunden sind und mit ähnlichen Platten aus farbigem Beton zusammengesetzt wurden. Im Gegensatz zu der harten Struktur gibt es zusätzliche Trennwände aus Holz. Eine Lösung, die im tristen städtischen Kontext kraftvoll hervortritt, auch als Reaktion auf die eintönige Urbanisierung. Das zweifache Ergebnis zeigt sich sofort als Fragment einer Recherche, wie man an der klaren Unterscheidung zwischen dem einen und dem anderen Wohnhaus ablesen kann. Das erste Haus ist in der Tat das Ergebnis der Erprobung eines Schemas, das auf einem orthogonalen Raster basiert – einer Hypothese, die sofort einige strukturelle Grenzen aufzeigte. Das zweite Haus stützt sich auf eine radiale Matrix, die sich später als wesentlich performativer herausstellte. Die räumliche Lösung, zu der die wechselnden Farben beitragen, erzeugt eine Reihe von Konsequenzen, die von den Innenräumen bis zur Definition der äusseren Formen nachhallen.

Endlichkeit des Raums

Innerhalb des Spiels der Überlagerungen aus grossen Granitplatten ergeben die Häuser, vom Designer scherzhaft «Cat House» und «Dog House» genannt, völlig unterschiedliche Raumkonfigurationen. «Im ‹Cat House› vermittelt die regelmässige Anordnung der Platten Strenge und erzeugt ein Gefühl der Geschlossenheit und der Endlichkeit des Raums; die Strukturelemente erscheinen als Fragmente im Inneren der Räume – als formale Akzente, die mit Licht und Farbe spielen können. Im ‹Dog House› hingegen kontrastiert die radiale Struktur der ersten Ebene mit der notwendigen Unregelmässigkeit in ihrer Anordnung auf den anderen beiden Ebenen und deutet ein unfertiges System und Räume an, die sich verändern und entwickeln können», so Stefano Pujatti.

Von Experimenten inspiriert

«Wenn die Strukturelemente aus Granit und Beton ein Gefühl der Beständigkeit vermitteln, lassen die hölzernen Trennwände die Möglichkeit erkennen, dass die Zeit zu ihrer Transformation und eventuellen Auflösung führen wird. Das Gebäude nimmt das Bild des Verfalls vorweg und enthält nur die Dinge, welche dem widerstehen können und die Essenz des Projekts offenbaren», erklärt Pujatti.

Die zentrale Rolle der baulichen Konzeption der «Houses of Cards» scheint einem Manifest Substanz zu verleihen. Aber das ist nicht die Absicht des Designers, und er selbst ist es, der deutlich macht, dass es sich um Werke handelt, die vom Experimentieren inspiriert sind. In diesem Sinne wäre es vielleicht unangebracht, dieses Projekt mit einigen theoretischen Modellen zu vergleichen, wenn auch mit berühmten wie dem «Endless House» von Frederick Kiesler oder den Arbeiten von Peter Eisenman (dessen Serie von «Houses of Cards», die den ersten sechs Häusern des amerikanischen Architekten entspricht, ungewollt und allein dem Namen nach an Pujattis Arbeit erinnert).

Seit den ersten Projekten, die ihn bekannt gemacht haben, darunter das Atelier Fleuriste in Chieri (Turin) im Jahr 2008 und später «Slow Horse», das Hotel 1301iNN in Piancavallo (Pordenone) im Jahr 2012, fällt Stefano Pujatti mit seiner architektonischen Forschung durch die Fähigkeit auf, unerwartete Themen und Herausforderungen aufzugreifen und zu interpretieren. Was seine Arbeit in den Augen der wachsenden Zahl von Bewunderern auszeichnete, ist seine Entschlossenheit, Projekt für Projekt die Definition des eigenen Aktionsgebiets zu erneuern. Ein stetes Bedürfnis nach Experimenten und eine hemmungslose Loslösung von den konventionelleren Forschungslinien haben Pujattis Planung begleitet, die bis heute schwer einzuordnen und mit den traditionellsten Erfahrungen der italienischen Architektur der letzten Jahre in Verbindung zu bringen ist. ●

Bautafel

Objekt Houses of Cards

Standort Torrazza Piemonte, Italien

Fertigstellung 2020

ArchitekturElastico Farm

Planungsteam Stefano Pujatti, Valeria Brero, Serena Nano, Daniele Almondo, Andrea Rosada

Dog House
Im «Dog House» deutet die radiale Struktur ein unfertiges System und Räume an, die sich verändern und entwickeln können.
Dog House
Auskragung im Eckbereich beim «Dog House».
Cat House
Im «Cat House» vermittelt die regelmässige Anordnung der Platten Strenge.
Treppenhaus
Treppenhaus.
Die Strukturelement
Die Strukturelemente erscheinen als Fragmente im Inneren der Räume.
Die Strukturelement
Vogelperspektive
«Cat House» und «Dog House» aus der Vogelperspektive.
Erdgeschoss
Erdgeschoss
Schematischer Aufbau
Schematischer Aufbau der beiden Einfamilienhäuser mit orthogonalem Raster und radialer Matrix.
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