Kulturbauten – Für ein lebendiges Dorfleben

In Mels ist ein neues Gemeinde- und Kulturzentrum im Bau. Das Projekt «pinot noir» bietet vielfältige Räume für das tägliche Vereinsleben, aber auch für Konzerte, Theater und Festanlässe.

Dorfleben
Von Beat Loosli, raumfindung architekten (Text) und raumfindung architekten, Rolf Bless Bauleitung (Bilder)
In Mels ist ein neues Gemeinde- und Kulturzentrum im Bau. Das Projekt «pinot noir» bietet vielfältige Räume für das tägliche Vereinsleben, aber auch für Konzerte, Theater und Festanlässe.

Die Gemeinde Mels im Sarganserland zeichnet sich durch einen bemerkenswerten historischen Dorfplatz mit viel dörflichem Charisma aus. Der im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) eingetragene Dorfkern von Mels stiftet nicht nur Identität für das Dorf, sondern ist mit seiner Einzigartigkeit von nationaler Bedeutung. Seine zentrale Rolle ist wegweisend für die Gemeindeentwicklung.Dabei gilt ein besonderes Augenmerk der Gesamtwirkung: Enge Häuserzeilen definieren die Gassen und Strassenzüge, die durch stimmige Platzfolgen aufgelockert werden. Es bildet sich ein komplexer Dorfraum mit atmosphärischen Grün- und Freiräumen, die zu einer hohen Wohn- und Lebensqualität im Melser Dorfkern führen.

Ab Sommer 2020 wird ein neues Gemeinde- und Kulturzentrum die Melser Dorfmitte und die Identität zusätzlich stärken. Das neue Kulturzentrum ist Teil eines Gesamtkonzeptes für die Belebung des Dorfkerns und Bühne für das kulturelle Dorfleben. Dank den lokalen Traditionen und der Ortsverbundenheit der Gemeindeeinwohner gibt es ausserordentlich viele Dorfanlässe, diverse Vereinsaktivitäten und zahlreiche traditionelle Festanlässe. Rund um den Neubau entstehen vielseitig nutzbare Dorfräume mit hoher Aufenthaltsqualität und überregionaler Ausstrahlung. Bereits im Architekturwettbewerb wurde das Wegnetz zwischen dem Dorfplatz und der katholischen Pfarrkirche ergänzt, wobei die ortstypischen Gestaltungselemente wie die verputzten Umgebungsmauern verwendet werden. Die differenziert gestalteten Freiräume werden zur Begegnungszone für den Alltag der Bevölkerung. Der Übergang vom Dorfplatz wird durch eine flache Freitreppe aus Melser Naturstein akzentuiert und bildet somit den Auftakt zum neuen Kulturplatz. Das neue Kulturzentrum bildet mit der filigran gestalteten Holzfassade in dezentem Weinrot und dem einladenden Foyer den Zielpunkt der Raumfolge.

Integration von Neuem im kleinteiligen Dorf

Das neue Kulturzentrum steht am Standort des ehemaligen Löwensaals. Das geforderte Raumprogramm wurde bereits im Architekturwettbewerb auf zwei Häuser aufgeteilt: Die Rathauserweiterung wird als separater Solitär im Strassenzug der Wangserstrasse situiert und als traditionell verputztes Gebäude materialisiert. Der grosse Saalbau steht hingegen dorfbaulich in der zweiten Reihe und ist eine Komposition aus zwei Teilvolumen mit flachen Giebeldächern. Dank der Staffelung gliedern sich die stattlichen Neubauvolumen unauffällig in die kleinteilige Dorfstruktur ein. Die fein strukturierte Holzfassade des Kulturzentrums fasst die Platzräume und markiert den gut auffindbaren Publikumseingang für den Saal. Das mit einladender Geste auskragende Vordach aus Ortbeton mit Rheinkies bildet einen fliessenden Übergang in das Gebäudeinnere und führt den Besucher in das mehrgliedrige und vielseitig nutzbare Foyer. Ein hochwertiger Terrazzo mit örtlichem Melser Verrucano als Kieszuschlag verleiht Feierlichkeit und lehnt sich an die traditionelle Materialisierung in Mels an.

Kulturzentrum und Raumkonzept

Der neue Löwensaal bietet Platz für bis zu 780 Personen (Konzertbestuhlung) und eignet sich sowohl für Bankette, verschiedene Feste, Theatervorstellungen wie auch klassische Konzerte. Die leicht trapezförmige Geometrie gewährt eine gute Raumakustik. Auch die grosszügige und offene Bühne wird der multifunktionalen Nutzung gerecht: Je nach Bedarf kann der Bühnenraum entsprechend den Anforderungen angepasst werden – dies nicht nur funktional, sondern auch akustisch und visuell. Im hinteren Zuschauerbereich befindet sich zudem eine Galerie mit fester Sitzbestuhlung, die über das Obergeschoss zugänglich ist. Das erdgeschossige Office bedient je nach Nutzeranspruch in das Foyer oder in den Saal. Die geforderte Multifunktionalität hat zum Ziel, das Kulturzentrum unterschiedlichsten Nutzungsgruppen zugänglich zu machen. Nebst dem «Löwensaal» befindet sich im Erdgeschoss ein zweiter Vereinssaal. Dieser wird ebenfalls über das Foyer erschlossen und bietet Raum für unterschiedlichste Nutzungen. Unmittelbar angrenzend und mit direktem Zugang dazu befindet sich der Backstage-Bereich. Bei grossen Veranstaltungen kann der kleinere Saal zusätzlich als Warte- oder Vorbereitungsraum für die Nutzer umfunktioniert werden. Im Obergeschoss befinden sich die Künstlergarderoben und zwei weitere Vereins- und Probelokale für Musik-, Tanz- und Chorproben. Mit dem architektonischen Raumkonzept werden auch unkonventionelle Nutzungen abgedeckt, und die Nutzeransprüche werden nicht eingeschränkt.

Annäherung mit Fassadenmuster

Beim Kulturzentrum handelt es sich um eine klassische Mischbauweise. Das Erdgeschoss besteht aus einem zweischaligen Massivbau, dabei bildet die innere Schale die Tragstruktur, während die äussere Schale und das weit ausladende Vordach in Sichtbeton erstellt werden. Die restliche Gebäudehülle wird aus vorgefertigten Holzelementen massgenau auf der Baustelle montiert. Die feingliedrige Holzfassade wird langlebig hinterlüftet und aus Schweizer Weisstannenholz gefertigt. Die Gestaltung in dezentem Weinrot und die filigranen, vertikalen Lisenen gliedern den stattlichen Baukörper des neuen Saalgebäudes. Dank der Erstellung von Mock-ups konnte die Gestaltung des Sichtbetons mit lokalen Zuschlagstoffen mit der feingliedrigen Holzfassade abgestimmt werden. Die präzise ausgeführten Fassadenmuster dienten einerseits der Bauherrschaft und den Architekten für die definitiven Material- und Farbentscheide, anderseits konnten die Unternehmer dank der Erstellung eines Prototypen im Detail Optimierungen studieren. Dank sorgfältigen Rückschlüssen wird die Qualität der definitiven Ausführungsvariante nochmals gesteigert.

Die Rathauserweiterung erfolgt als viergeschossiger Neubau mit einer verputzten Fassade und Sockelgeschoss. Im Ortbeton wird der lokale Rheinkies verbaut. Der Fassadenputz wird als grobkörniger Kellenwurf ohne Farbpigmentierung ausgeführt. Als Zuschlag werden der lokale Verrucano-Splitt und Steinmehl aus dem Schollberger Kieswerk verwendet. Es handelt sich um einen natürlich hydraulischen Luftkalk. Die innere Rathaushalle mit dem lichtdurchfluteten Luftraum wird in Beige eingefärbtem Sumpfkalk ausgeführt.

Lichtbemusterung 1 : 1

Der grosse Löwensaal wird mit bis zu 21 Meter langen Brettschichtholzträgern aus Fichte überspannt. Alternierend öffnen sich grosszügige Oberlichträume und bringen Tageslicht in den trapezförmigen Konzertsaal mit feiner Giebelform. Für das abendliche Kunstlicht werden die Decken der Oberlichträume als Flächenlichter mit LED und Membranbespannung aktiviert. Die Bemusterung der Saaldeckenbeleuchtung wurde in einem Bergstollen in Walenstadt 1 : 1 getestet. Dabei wurde ein Oberlichtraum des Löwensaals mitsamt der Lichtdecke in Originalgrösse gefertigt und in der geplanten Höhe aufgehängt. Die Farbtemperatur und Intensität der Beleuchtung kann für verschiedene Lichtszenen im Konzertsaal eingestellt werden. Tunable White beschreibt die variable Farbtemperatursteuerung von warm- bis kaltweissem Licht. Die Farbtemperatur lässt sich je nach Nutzungsart und dabei gewünschter Stimmung zwischen 2500K und 6500K regulieren. Die Flächenlichter werden durch einen Lichtfries entlang der Holzwände für eine feierliche Raumstimmung ergänzt. ●

Bautafel

Bauherrschaft Gemeinde Mels

Projektverfasser raumfindung architekten eth bsa sia, Rapperswil

Bauleitung Rolf Bless Bauleitung & Bauplanung AG, Mels

Bauingenieur wlw Ingenieure AG, Mels

Holzbauingenieur Pirmin Jung Ingenieure AG, Sargans

Baumeister ARGE Pfiffner Bau AG / Zindel + Co. AG, Mels

Holzbau ARGE Sarganserland: BN Holzbau, Tscherlach / Jäger Holzbau, Vilters / Edi Willi, Holzbau, Mels

Termine

Wettbewerb 2013

Start Projektierung 2014

Baustart Dezember 2017

Fertigstellung Sommer 2020

Dorfleben
Der grossflächige Bauplatz im Dorfkern wurde dank Arrondierung mehrerer Grundstücke ermöglicht.
Dorfleben
Historischer Stich des Melser Dorfkerns von 1844.
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Visualisierung des Foyers mit dem Eingang.
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Die Innenwände des Löwensaals erfüllen die akustischen Eigenschaften für eine hervorragende Raumakustik für klassische Konzerte.
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Bemusterung der Fassade mit Sichtbetonsockel und Holzfassade.
Dorfleben
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Bemusterung der Lichtdecke.
Dorfleben
Die Gebäudestruktur und Fassadengestaltung wird in einem Arbeitsmodell 1 : 50 überprüft.
Schreinerarbeiten
Der grosse Löwensaal verfügt über Oberlichträume, eine Zuschauergalerie und einen vollwertig mit Schreinerarbeiten ausgekleideten Bühnenraum.
Abwicklung
Abwicklung Saal und Probelokal
Obergeschoss
Obergeschoss
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