Neu zusammengesetzt
Die St. Paul’s School in London zählt zu den renommiertesten Privat-schulen des Landes. Walters & Cohen Architects erschufen für diese ein neues Lehrgebäude.
Als Resultat des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und aufgrund des landesweiten Bedarfs an Schulen entstand Mitte der Fünfzigerjahre in Grossbritannien das «Consortium of Local Authorities Special Programme» (Clasp). Das vorgefertigte Stahlbausystem erlangte wegen der Aufnahmefähigkeit von Setzungen besonders in Bergbaugebieten wie Nottinghamshire an Bedeutung und kam zunächst vorwiegend bei mehrstöckigen Sekundarschulen zur Anwendung. Später wandte man es auch bei öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken und Bahnhofsgebäuden an. Der mit modularen Paneelen verkleidete leichte Stahlrahmen ohne tiefe Pfähle und Fundamente nutzte eine eigene Aussteifung und war vor allem kosteneffizient. Ein hoher Anteil an Asbest hat jedoch inzwischen mancherorts zum Rückbau der Clasp-Gebäude geführt.
Abgestuft und geschichtet
Die 1968 von Powell & Moya fertiggestellte St. Paul’s School in Barnes, London, zählt zu den prominentesten Vertretern dieser Konstruktionsmethode. Walters & Cohen Architects ersetzten diesen durch ein neues 2020 fertiggestelltes Lehrgebäude, das auf rund 9000 Quadratmetern Bibliothek, Speisesaal, Küche, Verwaltungsbüros, Kapelle und Aula sowie 56 Klassenräume bündelt. Der L-förmige Bau am Themsepfad beschliesst ein Gebäudeensemble, das sich um einen zentralen Innenhof, den «Founder’s Court», formiert. Ein Erschliessungsring erlaubt auf allen Ebenen den Übergang zu dem angebundenen Wissenschaftsgebäude und dem unter anderem für Workshops genutzten «Milton Building».
Tragende Betonfertigteile und Vorhangfassaden verkleiden das neue Lehrgebäude nach aussen. Abgestufte und geschichtete Flächen verleihen der Fassade des sich horizontal erstreckenden Baus visuelle Tiefe und eine schlanke vertikale Unterteilung. Ein daraus resultierendes unrhythmisches Muster macht die Gebäudehülle zum Blickfang. Die zum Innenhof gerichtete Fassade ist hingegen mit Aluminium verkleidet.
Intimität und Zweckmässigkeit
«Wir wollten ein Gebäude, das gesellig und informell ist, das die Schüler ermutigt, zu interagieren und zu kommunizieren wie in einer Universität, während das Personal sie beaufsichtigen kann», sagt Mark Bailey, Direktor an der St. Paul’s School. Ein sich über drei Geschosse erstreckendes Atrium dient den Lernenden deshalb als grosszügige Aufenthaltszone zum selbstständigen Lernen und sozialen Austausch. «Das Atrium wurde als Mittelpunkt der Schule wiederhergestellt und erstreckt sich auf den Hof und die Sportbereiche. Das Gebäude fördert Stille, Ruhe, Intimität und Zweckmässigkeit. Und doch hat es Präsenz», erklärt Bailey. Als «Breakout Rooms» bezeichnete Bereiche sind überall in der Schule verteilt, um die Zusammenarbeit unter den Lernenden zu fördern und das Lernen ausserhalb des Klassenzimmers zu unterstützen. Robuste Materialien wie Sichtbeton und Holz für die Verkehrsflächen gestalten die Innenräume. Das neue Lehrgebäude wird möglichst natürlich belüftet. Dazu tragen unter anderem Dachfenster und Freiräume bei, welche die verschiedenen Ebenen des Gebäudes verbinden.
Angenehm temperiert
«Alle Lüftungsöffnungen sind von der Verglasung getrennt, sodass beim Herunterziehen der Jalousien zur Blendungsbegrenzung der Luftweg nicht behindert wird», sagt Ben Allwood, Leitender Ingenieur von Max Fordham. Die Lamellen sind so angeordnet und geneigt, dass kein direktes Sonnenlicht in den dahinter liegenden Raum eindringen kann. In der warmen Jahreszeit bleiben die Räume somit angenehm temperiert, ohne die Luftzirkulation zur Abkühlung zu beeinträchtigen. «Die Strategie und die Steuerung innerhalb der Klassenräume wurden in enger Absprache mit der Schule entwickelt. Zum Beispiel werden die hochgestellten Lüftungsöffnungen vom Lehrpersonal während der Unterrichtsstunden manuell über einen Schalter neben ihrem Schreibtisch gesteuert», ergänzt der Ingenieur. CO₂-Sensoren in den Klassenzimmern fungieren hierfür als Hinweisgeber. Wird eine bestimmte Temperatur in den Innenräumen überschritten, werden die Lüftungsöffnungen automatisch aktiviert. Sind die Räume unbesetzt, öffnet das Gebäudeautomationssystem die Lüftungsöffnungen im Sommer zur Nachtauskühlung und hält sie im Winter geschlossen. Niedrigtemperaturheizkörper versorgen die Innenräume im neuen Lehrgebäude zudem mit Wärme, und Photovoltaikanlagen auf dem Dach produzieren für die Schule erneuerbare Energie. ●
Bautafel
Objekt Lehrgebäude St. Paul’s School
Standort London
Fertigstellung 2020
Bauherrschaft St. Paul’s School
Architektur Walters & Cohen Architects