So ein Theater

Mit Instandsetzung und Erweiterung haben Gähler Flühler Fankhauser dem Theater St. Gallen neues Leben eingehaucht. Damit knüpfen sie nahtlos an die ursprüngliche gestalterische Prämisse an.

Neu gepolsterte Stühle schmücken den grossen Saal. (Foto: Holger Jacob)

Das einst von Claude Paillard entworfene und 1968 eröffnete Theater St. Gallen positioniert sich im weit angelegten Stadtpark. Im Zusammenspiel mit der 1909 eröffneten Tonhalle vervollständigt es den wertvollen historischen Kontext des Standortes im Museumsquartier.

Der moderne Theaterbetrieb erforderte jedoch von 2020 bis 2023 funktionelle Anpassungen am bestehenden Gebäude. Gähler Flühler Fankhauser planten diese unter sensibler Weiterführung der ursprünglichen Entwurfsidee von Claude Paillard. Dazu gehörte unter anderem ein Ersatz der haustechnischen Anlagen und eines Grossteils der Bühnentechnik. Man behob bauliche Mängel an Dächern, Fassaden und verbesserte die inneren Abläufe. «Die Renovation wurde insbesondere auch deshalb notwendig, weil die Arbeitsbedingungen – vor allem in den technischen Abteilungen wie Werkstätten – nicht mehr mit den Arbeitsgesetzen vereinbar waren», sagt Johannes Hunziker von der Genossenschaft Konzert und Theater St. Gallen. Denn seit Entstehung des Gebäudes in den Sechzigerjahren hat sich der Theaterbetrieb massgeblich verändert. Demzufolge sind die Anforderungen an die Räumlichkeiten und die inneren Strukturen inzwischen andere. Unter anderem wich die Prospektmalerei den dreidimensionalen Bühnenbildern. Funktionen wie Schreinerei, Schlosserei und Requisitenabteilung rückten stärker in den Fokus. Licht-, Audio- und Videotechnik erweitern seitdem das neue technische Spektrum. Um zusätzlichen Platz für notwendige Nutzungen zu erzeugen, wurden Lagerräume im Laufe der Jahre bereits in andere Liegenschaften ausgelagert. 1997 entstand zudem mit einem unterirdischen Anbau zusätzlicher Raum für eine leistungsfähige Schreinerei. «Wir führten bei der Umsetzung des neuen Raumprogramms die Strategie der ‘Verdichtung nach innen’ fort. Der bestehende Schutzraum im Untergeschoss wurde aufgelöst und dient neu als Garderobe für die Mitarbeitenden und das Orchesterensemble», erklärt Architekt Bernhard Flühler von Gähler Flühler Fankhauser. Bühnenbildlager und Ballettsaal wurden zudem aufgestockt, wodurch das Neubauvolumen auf ein Minimum reduziert werden konnte.

Das einst von Claude Paillard entworfene und 1968 eröffnete Theater St. Gallen positioniert sich im weit angelegten Stadtpark. (Foto: Till Forrer)

In Addition

Das unter Denkmalschutz stehende sowie brutalistisch anmutige Gebäude erhielt zugleich eine kaum wahrnehmbare Erweiterung im nordwestlichen Teil des Gebäudes. Dies erzeugte rund 700 Quadratmeter an zusätzlicher Nutzfläche. «Die Versuchung, segregativ, leicht losgelöst vom Bestandsbau, einen Erweiterungsbau zu erstellen, der dem heutigen Zeitgeist entspricht, war gross», sagt der Architekt. Das Planungsbüro widerstand dieser Idee und entschied sich laut Flühler für einen konträren und für den in der Gesamterscheinung harmoniebildenden Ansatz: «Nämlich integrativ weiterzubauen und die expressive, plastisch-dynamische Architektursprache der bereits vorhandenen Architektur nahtlos weiterzuführen.» Auch die eng geschnittene Parzelle und der damit eingeschränkte Gestaltungsspielraum sprachen folglich gegen einen neu interpretierten Anbau.

Stattdessen baute man die überdachte Vorfahrt teilweise zurück, um den Vorplatz zwischen Theater und Tonhalle grosszügiger zu formulieren und die Interaktion des Gebäudeensembles zu fördern. Das ausladende Vordach kam einst nachträglich hinzu, wohl als Reaktion auf die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung des Automobils, um das Aussteigen direkt am Haupteingang zu ermöglichen.

Die grossen Verglasungen im Foyer erlauben den Blick auf den Park. (Foto: Holger Jacob)

Alles beginnt in der Maske

Verfärbungen und Betonabplatzungen aufgrund von Korrosion der Bewehrung erforderten bereits 1996 eine Gesamtsanierung der Sichtbetonfassade. Diese erhielt dabei zugleich eine zwei bis drei Millimeter starke Mörtelschicht. Einige Bereiche dieses Poren-Lunker-Verschlusses (PLV) zeigten an der Oberfläche inzwischen Ablösungen. Ebenfalls gab es Verfärbungen oder Haarrisse an der Betonfassade. Der PLV musste daher wieder vollständig entfernt werden. Die ursprünglichen Betonoberflächen mit Bretterstruktur und die dem Originalzustand entsprechende Farbigkeit aus den Sechzigerjahren erstrahlen hingegen neu.

Der Erweiterungsbau fasst lediglich Räume mit unmittelbarem Bühnenzugang wie Garderoben, Werkstätten, Räume für die Requisiten sowie den Raum für die Bühnenmeister. Dazu zählen ebenso die Maskenräume. Ihre räumliche und technische Aufwertung hat Tragweite. «Für die gewünschte Wirkung der Schauspielenden sind beim Schminken annähernd die gleichen Lichtverhältnisse erforderlich wie auf der Bühne. Mit der neuen Beleuchtung in den Maskenräumen können nun verschiedene Lichtsituationen und Farbtemperaturen inszeniert werden», beschreibt Johannes Hunziker. Mit positiven Auswirkungen auf das Bühnenerlebnis. Neue kleine Duschnischen in den jeweiligen Garderoben machten zudem die Gemeinschaftsduschen überflüssig. Durch das neue zusätzliche Treppenhaus ist die Bühne nun ausserdem von jedem Obergeschoss direkt erreichbar.

Foyerbereich unter den Sitzreihen des grossen Saals. (Foto: Holger Jacob)

Weich und fliessend

Die Sitzmöbel im Foyer erstrahlen im Lila des ursprünglichen Farbkonzepts. Ein erneuerter Bodenbelag sowie neu gepolsterte und mit dem nachgewobenen Stoff bezogene Stühle schmücken nun den grossen Saal. Als weiteren Teil des Innenausbaus setzte man die Brandschutzvorgaben um, baute ein akustisches Nachhallsystem ein und verlieh den Oberflächen neuen Glanz.

Der auf einem Sechseck basierende Aufbau des Gebäudes ist in den Innenräumen bis hin zu den Zuschauerräumen ablesbar und findet zugleich dort seinen Ursprung. Weiche, fliessende Übergänge prägen die publikumswirksamen Bereiche als Kontrast zum massiven Volumen. «Trotz des brutalistischen Ausdrucks sollte das Gebäude nach aussen stets transparent sein», erklärt Hunziker. Grossflächige, zum Stadtpark ausgerichtete Verglasungen im grosszügig angelegten Foyer unterstreichen dies. Wie im gesamten Gebäude wurden auch dort die bisherigen Einfach- durch neue Dreifachverglasungen ersetzt. Der Anschluss an das Fernwärmenetz und ein verringerter Heizenergiebedarf tragen massgeblich zur Verbesserung der Energieeffizienz des Gebäudes bei.

Die respektvolle Instandsetzung sowie die Erweiterung unterstreichen die bedeutsame Funktion des Theaters St. Gallen als wichtige Kulturstätte und seines Standorts als «Theaterstadt». Denn der genaue Blick zurück verdeutlicht: St. Gallen erhielt als erste Schweizer Stadt überhaupt ein Theatergebäude. Die Erfolgsgeschichte begann 1801 mit dem temporären Theaterbetrieb in einer leer stehenden Wagenremise. Es folgte Akt auf Akt. Und der Abgang? «Wenn der Vorhang zugeht, geht er zu», resümiert Johannes Hunziker. Denn so will es die heutige Bühnentechnik. Es erinnert gelegentlich an die früheren mit schweren Seilen und von Hand aufgezogenen Bühnenvorhänge. Ein Kraftakt. Was tröstlich ist: Es ist ein Neuanfang. ●

Die Farbe der Sitzmöbel entspricht dem ursprünglichen Farbkonzept. (Foto: Holger Jacob)
Die Maskenräume wurden räumlich und technisch aufgewertet. (Foto: Holger Jacob)
Das Gebäude bedient sich der plastisch-dynamischen Architektursprache. (Foto: Holger Jacob)
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