Weiterbauen – Zielgerichtet und geradewegs über den Campus

Als der Campus der FernUniversität Hagen erweitert und umstrukturiert wurde, wurde auch ein professionelles Leit- und Orientierungssystem implementiert.

FernUniversität
Oberhalb des Campus begrüsst ein Pylon anreisende Besucher.
Von Jörg Frenzel, Kuhl | Frenzel (Text) und Axel Hartmann (Bilder)
Als der Campus der FernUniversität Hagen erweitert und umstrukturiert wurde, wurde auch ein professionelles Leit- und Orientierungssystem implementiert.
Wenige Jahre nach ihrer Gründung 1974 erhielt die FernUniversität in Hagen (D) einen eigenen Campus, auf dem zunächst nur mit dem Allgemeinen Verfügungszentrum (AVZ) ein einzelnes grosses Gebäude stand. Über die Jahre wurden weitere zum Teil grosse Gebäudekomplexe um das AVZ angeordnet. Heute ist die Einrichtung mit 76 000 Studierenden zahlenmässig die grösste Universität in Deutschland. Die Situation auf dem Campus der FernUniversität unterscheidet sich von der einer Präsenzuniversität darin, dass viele der Studierenden nur selten und zu wichtigen Präsenzveranstaltungen vor Ort sind und einen höheren Orientierungsbedarf haben.Als der Campus erweitert und umstrukturiert wurde, entschied sich die FernUniversität Hagen für die Implementierung eines professionellen Leit- und Orientierungssystems, um eine identitätsstiftende Wirkung zu erzielen und einen reibungslosen Studienbetrieb zu ermöglichen.

Die Region Hagen gehört geologisch zum Rheinischen Schiefergebirge und weist eine unregelmässige Topografie auf. Entsprechend ist auch der Campus nicht ebenerdig und sowohl von den Erschliessungspunkten als auch von zentralen Stellen nicht überschaubar. Die Ringstrasse zur Erschliessung des Campusgeländes befindet sich am Fusse des Hügels, auf dem die Universitätsgebäude angesiedelt sind. Die Geländestruktur war deshalb eine Herausforderung für die Erstellung des Leit- und Orientierungssystems. Um eine bessere Übersichtlichkeit zu erreichen, wurde die Erschliessung konzeptionell neu überdacht. Dazu erhielten alle Gebäude und Parkplätze, aufbauend auf einem schlüssigen logischen Prinzip, neue Bezeichnungen. Die langen, nur sehr schwer erinnerbaren Gebäudebezeichnungen wurden durch Gebäudenummern ersetzt. Damit verbunden wurden auch die Parkplätze nach den Gebäuden nummeriert, an denen sie angeordnet sind. Parkplatz 2 befindet sich folgerichtig neben Gebäude 2. Die Besucher und Nutzer erkennen die inhärente Logik unmittelbar und finden sich schneller auf dem Gelände zurecht.

Gelebte Identität

Die Gestaltung des Leitsystems knüpft an das etablierte Corporate Design der Universität an und bietet so einen hohen Wiedererkennungswert. Zusätzlich hat es eine identitätsstiftende Wirkung nach innen und aussen, weil mit den Elementen des Leitsystems das Corporate Design an vielen Orten des Campus räumlich erlebbar wird. Das Signet der FernUniversität Hagen besteht aus einem blau ausgefüllten Kreis und runden Bahnen, die sich um ihn anordnen sowie nach oben geöffnet sind. Dies soll die überregionale Offenheit der Universität und die Homogenität des Systems symbolisieren. Das Leitsystem greift das Motiv der Rundung, das als wichtigstes Markenelement des Auftritts der Universität im Signet und in sämtlichen Kommunikationsmitteln verwendet wird, in Form abgerundeter Ecken als Gestaltungsmerkmal der Leitelemente auf.

Auch die Farbgebung des Leitsystems ist vom Corporate Design und von der Hausfarbe der Universität, Pantone 2945, abgeleitet. Bereits bei der Planung der Massnahmen wurden Aspekte der visuellen Barrierefreiheit sowie die relevanten Vorgaben der DIN berücksichtigt, dies unter anderem bei der Wahl der Schriftgrössen.

Für eine kontrastreiche Darstellung erfolgte die Beschriftung des Leitsystems in Weiss auf dunkelblauem Grund. Konsequent findet sich auf allen Ausprägungen des Leitsystems das Logo der Universität, und auf allen Elementen wird die Schrift Frutiger in den Schnitten Regular und Bold eingesetzt. Dieeigens entwickelte Piktogrammreihe mit allgemein verständlichen Zeichen, mit denen die Raumfunktionen dargestellt werden, sind ebenfalls im Corporate Design gehalten.

Lückenlos zum Ziel

Konzeptionell folgt das System dem Grundsatz «Vom Allgemeinen zum Besonderen». Nutzer erhalten die Informationen wie an einer Perlenkette lückenlos aufgereiht. Das System setzt sich aus begrüssenden, Übersicht schaffenden, richtungsweisenden und kennzeichnenden Elementen im Aussenbereich und Innenraum der Universität zusammen.

Fahnen üben eine Fernwirkung aus und kennzeichnen zusammen mit einem Pylon die Zufahrt und die Zugänge zur FernUniversität in Hagen. Stelen kennzeichnen die Einfahrten der jeweiligen Parkplätze. An den sieben Fusswegen zum Campus empfängt das Leitsystem die Nutzer und Besucher mit einer Begrüssungsstele, die mit einem Campusplan einen Überblick über das gesamte Gelände vermittelt. Von hier startet der Nutzer seine Route über den Campus. Stelen an wichtigen Wegpunkten führen ihn ohne Unterbrechung zu den Gebäuden. Die Richtungsstelen benennen die Gebäudenummer sowie -bezeichnung und weisen mit einem Pfeil den Weg, auch auf den Verkehrswegen. Durch hoch an der Fassade angebrachte grosse Schilder sind die Gebäude auch aus der Entfernung sehr gut zu identifizieren. Haupteingänge von Gebäuden sind durch eine Stele mit der Nummerierung des Gebäudes und den dort untergebrachten Fachbereichen sowie einer Beklebung des Eingangs gekennzeichnet. Viele der grossen Hochschulgebäude haben einen Windfang aus Glas, an dem die durchsichtige Beklebung in blauer Folie angebracht ist. Das Sonnenlicht färbt den Windfang und den Eingangsbereich der Gebäude stimmungsvoll mit blauem Licht. So wirkt die Beklebung wie ein farbiges Kirchenfenster.

Im Gebäude setzt sich die Leitfunktion konsequent fort. In den Fluren führen insgesamt über 700 Elemente zu den Räumen. Richtungsschilder leiten die Nutzer direkt vom Eingang in verschiedene Bauteile und geben die dort ansässigen Fachbereiche an. Lange Gebäude sind in mehrere Abschnitte aufgeteilt, die separat beschildert wurden. Entsprechend erhielt jeder Abschnitt eine Übersicht der Räume und der Zugänge sowie die Kennzeichnung der Anschlüsse zu den weiteren Abschnitten des Gebäudes. So wird gleichzeitig die erforderliche Detailtiefe der Raumdarstellungen erreicht, und die Gesamtorientierung im Gebäude geht nicht verloren. Etagenpläne vermitteln einen Gesamteindruck vom Aufbau und von der Lage des Gebäudes. Abschnitte sind zusätzlich mit einem weithin sichtbaren Fahnenschild markiert.

Türen zu wichtigen Anlaufstationen wie Seminar- und Funktionsräumen, Aufzügen und Treppenhäusern sind grossflächig farbig mit Folie beklebt. Sie tragen die Raumnummer beziehungsweise die Bauteilbezeichnung und das Piktogramm, das die Funktion eindeutig ausweist. Grosse und häufig genutzte Seminarräume sind davon abweichend nicht mit einer Folienbeschriftung auf der Tür, sondern mit einer Teilumrahmung zusätzlich hervorgehoben. Die Beschriftung mit Folie ist reversibel und ermöglicht eine schnelle Anpassung bei Umnutzungen.

Verfügbarkeit für alle

Heute versteht es sich fast von selbst, dass der öffentliche Raum und Gebäude so zu gestalten sind, dass sie für alle Menschen ohne zusätzliche fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sein sollten. Deshalb spielten auch Aspekte der Barrierefreiheit beim Leit- und Orientierungssystems für die FernUniversität in Hagen eine wichtige Rolle. Alle Interessengruppen einzubeziehen und das Design so zu entwickeln, dass keine Gruppe durch die Bedürfnisse der jeweils anderen gestört wird, war eine Herausforderung. In einem Workshop mit Vertretern der FernUniversität in Hagen wurden Barrieren auf dem Campus erkannt und Lösungen zur Überwindung entwickelt. Die Umsetzung erfolgte in mehreren Stufen. Kuhl / Frenzel hat die Entwicklung des Leit- und Orientierungssystems in intensiver Zusammenarbeit mit der FernUniversität in Hagen über viele Jahre betreut.

Zunächst wurden die Stelen und Schilder nach dem Zwei-Sinne-Prinzip entwickelt. Die Begrüssungsstelen an den Campuszugängen sind mit Braille- und einer erhabenen Profilschrift versehen und bieten eine alternative Darstellung an. So können auch Besucher und Nutzer mit einer Sehbehinderung den Campusplan lesen. Damit die Pläne durch das Hinzufügen der taktilen Informationen für sehende Menschen übersichtlich und ansprechend bleiben, sind die taktilen Beschriftungen in der Hintergrundfarbe eingefärbt und so für Sehende nahezu unsichtbar als zusätzliche Ebene integriert. Farbkontraste zwischen dunklem Hintergrund und heller Beschriftung sorgen für eine verbesserte Lesbarkeit. Ausserdem sind die Stelen und Schilder aufgrund ihrer kontrastierten und reduzierten Farbgebung auf dem Gelände gut erkennbar. Die Gestaltung hat auch die häufigsten Farbfehlsichtigkeiten, zum Beispiel Rot-Grün-Blindheit, berücksichtigt. Überdies sind die Oberflächen der Schilder und Stelen matt und dadurch blendfrei. Zusätzlich bietet die FernUniversität in Hagen eine telefonische Unterstützung für Menschen mit Sehbehinderung an, die Telefonnummer des Service-Centers ist in Braille- und erhabener Profilschrift an vielen Stellen auf dem Campus zu finden. Handlaufbeschriftungen erleichtern die Orientierung im Gebäude, indem sie angeben, in welches Geschoss die Treppe führt.

Den nächsten Schritt der Umsetzung stellte die Installation eines taktilen Umgebungsmodells im Massstab 1 : 500 mit angesetztem, um 15° geneigtem Legendenbereich dar. Es wurde auf dem zentralen Platz des Campus vor Gebäude 8 aufgestellt. Auf dem taktilen Umgebungsmodell sind sämtliche Gebäude und Wege des Campus dreidimensional dargestellt, sodass sie im Detail ertastet und auch visuell hervorragend erfasst werden können. Die Beschriftung tritt auf dem Modell zurück, sodass es einen starken visuellen Reiz auch für Menschen ohne Sehbehinderung hat. Die Höhe ist so gewählt, dass Rollstuhlfahrer es unterfahren und optimal ertasten können. Durch die Wahl des Materials Corian liess sich das Modell wetterbeständig einfärben. Damit folgt es der visuellen Sprache der Campus-Übersichtspläne und fügt sich gestalterisch optimal in die Reihe der Elemente des Leit- und Orientierungssystems ein. Um das 3-D-Modell zu fertigen, hat Kuhl/ Frenzel ein CAD-Modell des Campus erstellt.

Themen der Gleichstellung von Männern und Frauen sind bei der Ausgestaltung des Leit- und Orientierungssystems ebenfalls berücksichtigt worden. Die Piktogramme von Hörsälen zeigen Dozentinnen, und die Piktogramme von Wickelräumen stellen eine männliche Figur dar, die ein Kind betreut.

Licht in der Dunkelheit

Im Zuge der Erstellung des Leit- und Orientierungssystems wurde auch die Lichtsituation auf dem Campusareal überprüft und festgestellt, dass die Ausleuchtung insgesamt zu gering ist. Das neue Beleuchtungskonzept erzielt mit LED-Lampen eine bessere Ausleuchtung der Leitsysteme, der Stelen und der Gebäudekennzeichnungen an den Fassaden und des Geländes. Auch werden wichtige Laufwege und Haupteingänge zusätzlich hervorgehoben und eine optimierte Orientierung erzielt. Durch die bessere Ausleuchtung ist der Campus zudem sicherer geworden. Für eine noch komfortablere Orientierung auf dem Campus hat Kuhl / Frenzel das Design für eine Campus-Leit-App entwickelt, die das Leitsystem erweitern kann. Nutzer könnten dann auf einem digitalen Campusplan ihren Standort bestimmen und sich Informationen zu Gebäuden und Zielpunkten anzeigen lassen. Darüber hinaus soll die App eine Navigation zu einem Zielpunkt auf dem Campus – auch in Gebäuden – anzeigen. ●

FernUniversität campus
An zentralen Punkten auf dem Universitätsgelände weisen Stelen mit einem Übersichtsplan den Weg.
FernUniversität
Campuszugängen
Die Begrüssungsstelen an den Campuszugängen sind mit Braille- und einer erhabenen Profilschrift versehen. Die taktilen Beschriftungen sind in der Hintergrundfarbe eingefärbt und so für Sehende unsichtbar als zusätzliche Ebene integriert.
FernUniversität campus
Die Richtungsstelen benennen die Gebäudenummer sowie -bezeichnung und weisen mit einem Pfeil den Weg, auch auf den Verkehrswegen.
FernUniversität campus
Etagenpläne vermitteln einen Gesamteindruck vom Aufbau und von der Lage des Gebäudes.
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