Als Wolkenkratzer noch Aufzugshäuser hiessen
Mit der Erfindung des Personenaufzugs hat sich die Welt verändert. Ohne ihn gäbe es keine Hochhäuser.

gun. Der Personenlift ist wohl eine der wichtigsten Erfindungen. Otis war’s, ein Mechaniker aus New York, dessen Erfindung ab 1854 das erste Kapitel in der Geschichte der Hochhäuser schrieb.Zu dieser Zeit lagen die Chefbüros meist in den unteren Etagen, denn schon fünf oder sechs Stockwerke jeden Tag über die Treppe zu erreichen, ist etwas für den kleinen Angestellten. Aber selbst diese konnten nicht jeden Tag ins 30. Stockwerk laufen. Mit den Aufzügen und dem Hochhausbau kehrten die Chefs in die oberen Etagen zurück.
Am Anfang stand ein spektakulärer Auftritt von Elisha Graves Otis: Am 6. Mai 1854 versammeln sich in einer der Ausstellungshallen an der ersten Weltausstellung in New York Hunderte von Menschen und blicken auf eine Aufzugsplattform unter dem Hallendach. Sie hängt an einem Seil, und auf ihr steht eben besagter Elisha Graves Otis. Dann wird unter dem Aufschrei der Zuschauer das Seil, an dem die Plattform hängt, durchgeschnitten. Die Plattform rutscht ein paar Zentimeter nach unten, bis die Sicherung sie zum Halten bringt. Die Aufzugsbremse war die bahnbrechende Erfindung von Otis. Jedoch war der Antrieb damals noch ziemlich gefährlich: Er erfolgte entweder mit Dampf oder mit Gas.
Es sollte noch bis zum 16. September 1880 dauern, bis Werner von Siemens in Mannheim einen Aufzug vorstellte, der von einem kleinen Elektromotor angetrieben wurde.
Nun fehlte nur noch eine stabile Konstruktion. Diese kam in den 1890er-Jahren: Es war eine Stahlkonstruktion. Nun konnte der Siegeszug des Hochhauses und mit ihm der des Personenlifts beginnen.
Es wurde auch Zeit, denn die US-amerikanischen Grossstädte platzten aus allen Nähten. Dazu kam noch der knappe Baugrund, sodass nur noch Platz nach oben blieb. Für mehr als sieben Stockwerke hatte es bisher aber nicht gereicht. Dank Stahlbauweise und dank der Aufzugsentwicklung entstand in Chicago 1885 mit dem Home Insurance Building das erste Hochhaus, das bereits über einen elektrischen Aufzug verfügte. In den USA nannte man die ersten Hochhäuser daher auch Elevator Buildings: Aufzugshäuser. In Europa ging die Entwicklung langsamer voran. Erst 1932 – ein Jahr nach dem Abriss des Home Insurance Building – wurde in Lausanne mit dem Tour Bel-Air das erste Hochhaus der Schweiz gebaut.
Heute ist der Lift das sicherste Transportmittel, und die Grenzen des Möglichen scheinen auch hier wie in vielen anderen Bereichen nicht definierbar. Punkto Schnelligkeit und Höhe werden immer neue Grenzen überschritten, parallel zu den immer «höheren Höhen». Es werden bereits über 60 km/h erreicht, womit die Fahrgäste auf weit über einen halben Kilometer katapultiert werden.
Hoch- und runterfahren reicht aber längst nicht mehr. Intelligente Aufzugsysteme berechnen für jeden Gebäudebenutzer einen effizienten Weg bis zu seinem Ziel im Gebäude. So erhalten zum Beispiel Angestellte beim Einchecken am Eingang einen Lift zugewiesen, der sie ohne Stau an ihren Arbeitsplatz bringt. Neuerdings auch horizontal direkt ins Büro. Wer weiss, wo uns die Reise noch hinführt. b

