Blitzschutz im Campus Biel

Der mehrteilige Bau des Campus Biel stellt aus blitschutztechnischer Sicht eine Besonderheit dar, da er vollständig aus Holz erstellt wird.

Blitzschutz
Visualisierung Campus Biel (Teilansicht).
Holzbau
Von Michael Arnold (Text) und Arnold E. und B. | pool Architekten (Zeichnungen und Bilder)
Der mehrteilige Bau des Campus Biel stellt aus blitschutztechnischer Sicht eine Besonderheit dar, da er vollständig aus Holz erstellt wird.

Die Struktur des Gebäudekomplexes stellt aus blitzschutztechnischer Sicht eine Besonderheit dar. Der mehrteilige Bau wird in seiner Gesamtheit, inklusive den Kernzonen, aus Holz erstellt. Ein Blitzschutzsystem nach dem Stand der Technik soll Blitzströme vom Gebäudeinneren fernhalten und über die Gebäudehülle zur Erde führen. Die Holzstruktur des Gebäudes erfordert dazu besondere Massnahmen. Diese müssen in Absprache mit der Gebäudeversicherung und in Zusammenarbeit mit dem Blitzschutzplaner, dem Elektroplaner und dem Architekten getroffen werden.

Gesetzliche Vorgaben

Blitzschutzsysteme haben Gebäude vor physikalischen Schäden sowie Personen, die sich im Gebäude befinden, vor Lebensgefahr zu schützen. Um den Schutz von elektronischen Geräten im Gebäude gewährleisten zu können, sind diverse Massnahmen erforderlich. In der Schweiz gilt für Blitzschutzanlagen die Brandschutzrichtlinie der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen). Im Kanton Bern richtet sich die Gebäudeversicherung (GVB) für die Ausführung der Blitzschutzanlagen nach den Regeln des CES SNR 464022 Blitzschutzsysteme von 2015. Um einen optimalen Blitzschutz zu errichten, ist es notwendig, Blitzströme über die Gebäudehülle abzuleiten. Verschleppungen von Blitzströmen ins Gebäudeinnere sind wenn immer möglich zu vermeiden.

Die Holzkonstruktion des Gebäudes lässt nicht in allen Bereichen eine vollständige Umsetzung nach Stand der Technik zu. So sind zum Beispiel Kompromisse hinsichtlich Verbindungen ins Gebäudeinnere unumgänglich. Ein geeignetes Blitzschutzkonzept muss den technischen und praktischen Erfordernissen gerecht werden. In dieses sind auch die baulichen Formen und die Ansprüche der Architekten miteinzubeziehen.

Die Blitzschutzmassnahmen für das Gebäude müssen gemäss der aktuellen Normung und in Absprache mit der GVB nach der Blitzschutzklasse II erfolgen. Bei dieser beträgt die Maschenweite für das Fangnetz max. 10 × 10 Meter und der maximale Ableitungsabstand 10 Meter.

Architektonische Vorgaben

Beim Objekt handelt es sich um einen Campus der Berner Fachhochschule, in welchem sich die Departemente Architektur, Holz und Bau sowie Technik und Informatik befinden werden (siehe Visualisierung). Der Gebäudekomplex verfügt über verschiedene Dachniveaus sowie einen Innenhof. Auf der obersten Dachfläche des 5. Obergeschosses befinden sich einige Technikaufbauten sowie begehbare Aussenflächen, welche teilweise zu Testzwecken genutzt werden. Eine umlaufende Fassadenbefahranlage und eine ausgedehnte PV-Anlage befinden sich ebenfalls auf dem Dach. Der Aussenumfang des Gebäudes beträgt ca. 475 Meter, die maximale Gebäudehöhe ca. 30 Meter. Das Untergeschoss besteht aus bewehrtem Beton. Die tragende Struktur des Gebäudes (überirdisch) besteht aus einer Holzkonstruktion. Sämtliche Decken und Kernzonen sind ebenfalls aus Holz. Die Dachränder der verschiedenen Dachniveaus bestehen aus Metall. An der Fassade sind in jedem Geschoss umlaufende metallene Fensterbleche angebracht.

Blitzschutztechnische Besonderheiten

Das Gebäude hat überirdisch keine Bewehrung, die ins Blitzschutzsystem miteinbezogen werden kann. Bei einem Durchschlag durch die Holzkonstruktion zwischen Bauteilen des Blitzschutzsystems und leitenden Teilen im Inneren des Gebäudes besteht bei dieser Bauweise eine erhöhte Brandgefahr. Folglich sind Trennungsabstände notwendig. Diese erfordern exakte Berechnungen.

Des Weiteren ist bei einem Blitzereignis, bedingt durch die schlechtere Stromaufteilung als bei einem bewehrten Gebäude, mit einer erhöhten Magnetfeldbelastung im Inneren des Gebäudes zu rechnen. Durch ungünstige Verkabelungsstrukturen (Schleifenbildungen) sowie Platzierungen von sensiblen Geräten in der Nähe von Ableitungsachsen können Einrichtungen durch Einwirkungen von Überspannungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Es ist schwierig, einen Überspannungsschutz auf Ebene der Elektroverteilungen zu realisieren, weil dafür die notwendigen grossflächigen Potenzialausgleichsstrukturen (z. B. Gebäudebewehrung) fehlen. Die Konzeption einer grossflächigen, niederimpedanten Trassenstruktur in den Kernzonenbereichen wird dazu als Ersatz dienen. Diese bildet einen Bestandteil des Elektroprojekts.

Fangeinrichtungen

Über die gesamte oberste Dachfläche verteilt befinden sich geschlossene metallene Aufbauten der Haustechnik (siehe Auszug aus Dachaufsicht). Diese überragen die oberste Dachfläche um ca. 4 Meter. Um die gesamte Aussenkante sowie um den Innenhof des Gebäudes verläuft ein metallener Dachrand. Die meisten begehbaren Dachflächen befinden sich im Schutzbereich zwischen den metallenen Technikaufbauten und dem metallenen Dachrand. In diesen Bereichen sind keine sichtbaren Fangeinrichtungen erforderlich. Lediglich an einigen exponierten Stellen sind sichtbare Fangleitungen anzubringen. Die metallenen Technikaufbauten werden in den Ableitungsachsen mit dem Dachrand und somit mit der Ableitstruktur verbunden. Diese Verbindungsleitungen können unsichtbar in der Dachfläche im Belag geführt werden. So entstehen keine Stolperfallen. An den Stellen, bei denen sichtbare Fangleitungen erforderlich sind, müssen diese sichtbar in den Belag (Nut) eingebracht werden. Die umlaufende Fassadenbefahranlage ist in die Fangeinrichtung zu integrieren.

Dachaufbauten mit integrierten elektrischen Einrichtungen, die sich ausserhalb der Technikaufbauten befinden, werden aufgrund von Berechnungen nach dem Schutzwinkelverfahren mit Fangstangen geschützt. Der Trennungsabstand zwischen den Fangeinrichtungen und den sich darunter befindlichen Installationen wurde berechnet. Die oberste Decke weist genügend Stärke auf. Bei einem Blitzereignis ist deshalb nicht mit einem Durchschlag durch die Holzkonstruktion zu rechnen.

Ableitungen

Das Gebäude verfügt über Fassadenbereiche mit Stützenrastern von 7,2 Metern sowie 2,4 Metern. In den zwei Bereichen unterscheiden sich zusätzlich die Dimensionen der Stützen.

Stützenraster 7,2 Meter: Die Ableitungen werden vom Dachrand bis zu den Erdanschlüssen in der Holzstützenkonstruktion geführt (siehe Abb. 1). Um eine optimale Stromverteilung bei einem Blitzereignis zu gewährleisten, werden an definierten Stellen pro Geschoss umlaufende Verbindungsleitungen zwischen den Ableitungen angebracht (siehe Abb. 2). Dadurch wird der Trennungsabstand verringert. Dieser musste je Geschossebene ebenfalls berechnet werden. Der Trennungsabstand von Ableitungen bzw. Verbindungsleitungen zu metallenen Konstruktionsteilen und Leitungen im Gebäudeinneren ist zwingend einzuhalten. Die Fensterbleche der Geschossebenen sowie die metallenen Fensterkonstruktionen werden nicht an die Ableitungen angeschlossen, da sie direkt mit metallenen Komponenten (z. B. Brüstungskanal) im Gebäude verbunden sind.

Stützenraster 2,4 Meter: Die Ableitungen sowie die Verbindungsleitungen werden sinngemäss wie in den Fassadenbereichen mit dem Stützenraser 7,2 Meter verlegt. Der Trennungsabstand in diesen Fassadenbereichen kann jedoch, bedingt durch die Anordnung sowie die Dimension der Stützen (siehe Abb. 3), nicht in allen Geschossen eingehalten werden. In den Geschossen, in denen der Trennungsabstand zwischen der Ableitstruktur und zu den sich in der Nähe befindlichen metallenen Einrichtungen (Fensterkonstruktionen, Brüstungskanäle usw.) nicht eingehalten werden kann, wird die Ableitstruktur mit diesen Komponenten blitzstromtragfähig verbunden. Die beschriebenen zusätzlichen Verbindungsleitungen verringern den Stromfluss ins Gebäudeinnere.

Erdungsanlage

Die Erdungsanlage wird durch eine Fundamenterderstruktur sowie durch den Einbezug der Pfahlfundation gebildet. Im Fundamentbereich werden im bewehrten Beton nach Vorgaben des Elektroplaners die notwendigen Einlagen verlegt. An diese werden die Ableitungen angeschlossen.

Controlling

Da das Blitzschutzsystem insbesondere bezüglich Einhaltung der Trennungsabstände keinen Spielraum zulässt, wird ein umfangreiches Controlling am Bau in Absprache mit der GVB nötig. Die Komplexität der Blitzschutzanlage macht es erforderlich, dass das Konzept den ausführenden Unternehmen detailliert erläutert wird, bevor mit den Montagen begonnen wird.

Über den Autor

Michael Arnold ist Geschäftsführer der Firma Arnold Engineering und Beratung, AG für EMV und Blitzschutz, 8152 Opfikon. Er ist Mitglied der technischen Kommission TK 81 Blitzschutzsysteme des Schweizerischen Elektrotechnischen Komitees CES. Die Firma Arnold Engineering und Beratung befasst sich seit über 25 Jahren mit der Konzeption und dem Controlling von Blitzschutzanlagen.

arnoldeub.ch

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Auszug aus der Dachaufsicht des Blitzschutzsystems.
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