Schweizer Klassiker neu aufgelegt
Der Schweizer Architekt und Designer Hans Bellmann prägte die industrielle Gestaltung der Nachkriegszeit. Nun sind ausgewählte Designs aus seiner Feder wieder erhältlich.

Gestalterischer Meilenstein
Ein Paradebeispiel für die Innovationskraft Bellmanns ist der «einpunktstuhl», den der Gestalter 1951 für Horgenglarus entwarf. Heute sehr vertraut, war der «einpunktstuhl» Anfang der 50er-Jahre ein mutiger Gegenentwurf zum weit verbreiteten Heimatstil. Seinen Namen erhielt der Stuhl von der einzigartigen Befestigung mit nur einer Schraube. Kennzeichnend ist auch der flexible Rücken der Sperrholzschale, die dank einer mittigen Öffnung angenehm federt. Zudem kommuniziert der Einschnitt die Leichtigkeit und Ergonomie des Stuhls. Der «einpunktstuhl» ist ein Meilenstein in der Schweizer Design-Geschichte und Höhepunkt im Werk Bellmanns und seit seiner Entstehung 1951 ein fester Bestandteil des Sortiments von Horgenglarus. Nun bekommt er Gesellschaft, denn die älteste Tisch- und Stuhlmanufaktur der Schweiz bringt drei weitere Entwürfe Hans Bellmanns zurück.
Rückkehr der Klassiker
Nicht minder praktisch und schnörkellos als der «einpunktstuhl» ist der «ga stuhl», den Bellmann 1955 entwarf. Um der Sitzschale aus Formsperrholz eine dritte Dimension zu verleihen, teilte er die Sitzschale in der Sitzrichtung und setzte die beiden Teile in einem leichten Winkel wieder zusammen. Daher wurde der «ga stuhl» oft auch Zweischalenstuhl genannt. Bis 1970 in Produktion, feiert der «ga stuhl» nun seine Rückkehr: Am Designer’s Saturday 2016 stellte Horgenglarus eine Neuauflage des Stuhls vor. Ausserdem fanden auch zwei Tische von Hans Bellmann ihren Weg zurück in die Produktion: der «ateliertisch» von 1953 und das «stapeltischchen» von 1954. Der «ateliertisch» war mit seiner filigranen Form der Zeit voraus und erfreute sich in den 50er- und 60er-Jahren keiner grossen Beliebtheit. Erstaunlich, denn der leichte, robuste und einfach zerlegbare Tisch ist ein äusserst praktischer Begleiter. Auch Hans Bellmann teilte diese Meinung, denn er arbeitete selbst an dem von ihm entworfenen Tisch. Auch das grazile «stapeltischchen» benutzte Bellmann selbst: Er stellte darauf seine Mal-Utensilien ab. So konnte er den beladenen Tisch schnell an einen anderen Ort stellen und flexibel arbeiten. Auf dem Dachboden der Glarner Manufaktur fanden sich noch die historischen Formteile des «stapeltischchens», sodass das stapelbare Möbel originalgetreu nachgebaut werden konnte. Die Masse des «ateliertisches» richten sich nach Le Corbusiers Proportionensystem Modulor, das sich nach den Körpermassen des Menschen richtet und zusammen mit dem Porträt auf der Schweizer 10-Franken-Note aufgedruckt ist.
Mit seinem Wirken in der Schweizer Industrie und Architektur und nicht zuletzt durch seine Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen in der Schweiz, den USA und Deutschland hat Hans Bellmann die Schweizer Wohnkultur und die industrielle Gestaltung der Nachkriegszeit massgeblich beeinflusst. Der Schweiz. Werkbund SWB honorierte diese Leistung mit einem Dutzend Auszeichnungen «Die Gute Form». Nun können Bellmanns ikonische Entwürfe erneut die Schweizer Wohn- und Arbeitsräume erobern.
Protagonist der Schweizer Wohnkultur

Hans Bellmann (191 – 1990) ist eine zentrale Figur der Schweizer Design-Geschichte. Er prägte und beeinflusste die Wohnkultur in den 50er- und 60er-Jahren. Sein eigenständiges, konsequentes Werk formuliert sinnbildlich die Wünsche an die Lebensentwürfe seiner Zeit. Die Monografie stellt seine Arbeiten detailliert vor.
Herausgeber Joan Billing und Samuel Eberli
Buchtitel Hans Bellmann – Protagonist der Schweizer Wohnkultur
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2015
ISBN 978-3-85881-485-2
Preis CHF 49.00




