Wellen aus Glas
Nach den Plänen von Diener & Diener Architekten wurde von 2013 bis 2017 am Hauptsitz der Swiss Re in Zürich ein neues Bürogebäude errichtet.

gun. Der neue Verwaltungsbau – genannt Swiss Re Next – befindet sich am Mythenquai unmittelbar am Ufer des Zürichsees und besticht durch seine wellenförmige Glasfassade, für deren Ausführung das Südtiroler Fassadenbauunternehmen Ferner & Reifer verantwortlich zeichnete. Das transparente Material wird als Baustein verwendet, sodass die Gesamtwirkung einer gläsernen Haut entsteht. Die fünf Obergeschosse des lichtdurchfluteten Baus fügen sich mit Leichtigkeit und Eleganz in die prominente Seefront am unteren Becken des Zürichsees ein. Das ondulierte Glas harmoniert mit den naheliegenden Wellen des Wassers und bricht mit seinen weichen Linien und den damit verbundenen Licht- und Schattenwirkungen die starre Oberfläche des Materials.Für die 6475 m² grosse vorgesetzte Wellglasfassade wurden über 900 senkrecht angeordnete Glaswellen angefertigt, mit speziellen Edelstahlhalterungen versehen und dann mit Zugstangen am Gebäude aufgehängt. Generalplaner des Projekts Swiss Re Next war Diener & Diener Architekten, zusammen mit Proplaning AG, die für das Baumanagement und die Bauleitung verantwortlich zeichneten. Die Fassadenplanung wurde durch die in Emmen ansässige Pfenninger Partner AG als Subplaner realisiert.
Thermische Fassade
Die Gebäudehülle mit einer Länge von rund 72 m und einer Breite von rund 58 m besteht aus einer primären und sekundären Fassade. Die primäre thermische Fassade, eine 5100 m² grosse Pfosten-Riegel-Konstruktion, wurde mit Stahlpfosten in T-Form ausgeführt und mit über 700 Dreifach-Isolierscheiben verglast, die eine Breite von 1,7 m und eine Höhe von 3,5 m aufweisen. Diese Sonderfassade wurde innen mit spiegelpoliertem Edelstahlblech und aussen mit Abdeckleisten aus spiegelpolierten Edelstahlprofilen verkleidet. Insgesamt wurden bei der primären Fassade 2200 lfm horizontale Riegelverkleidungen und 2600 lfm vertikale Pfostenverkleidungen verbaut. Das 360 t schwere Stahltragwerk der Balkone, das pro Stockwerk aus 60 einzelnen Tragelementen besteht, wurde an der Stahlbetonkonstruktion befestigt und mit vorgefertigten Betonplatten in Wellenform abgedeckt. Durch die hohen statischen Anforderungen an die Stahlbalkone mussten die Anbindungen mit einer minimalen Toleranz von insgesamt 2 mm mit der Stahlbetonkonstruktion verschraubt werden.Die Tragkonsolen aus Edelstahl zur späteren Aufnahme der Halterung für die Wellgläser wurden am Stahltragwerk der Balkone befestigt. Eine Herausforderung bildete dabei die exakte Platzierung der Konsolen. Nur durch ein präzises Einmessen und eine millimetergenaue Montage der Tragkonsolen mit Hilfe von Lehren (Toleranz von +/– 1,5 mm) konnte ein spannungsfreies Einhängen der Wellgläser garantiert werden.
Wellglasfassade
Die sekundäre Wellglasfassade wurde auf der Seeseite des Gebäudes in einem Abstand von rund 2,2 m vor die thermische Fassade gesetzt. Für Wartungs- und Reinigungszwecke sind an allen übrigen Gebäudeseiten Balkone mit einer Breite von rund 1,5 m angebracht worden. Die Wellglasfassade, deren 924 gebogene Gläser elegant ineinandergreifen, besteht aus VSG- Floatglas. Die unterschiedlichen nach aussen und innen gewölbten Scheibentypen wurde eigens für dieses Projekt entwickelt und produziert. In Zusammenarbeit mit der FH München und der Uni Innsbruck wurden in der Planungsphase mehrere Pendelschlagversuche und ein Test zur Verklebung der Edelstahlschuhe mit dem Wellglas durchgeführt. Fortlaufende Qualitätsprüfungen garantierten, dass mögliche Einschlüsse und Verzerrungen frühzeitig erkannt wurden. Die Gläser mit teilweise unterschiedlichen Höhen von 4,8 m bis 4,2 m bestehen aus zwei Formatbreiten: 436 Wellgläser vom Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss sind 2,6 m breit, 488 Gläser vom vierten bis zum letzten Stockwerk weisen aus städtebaulichen, architektonischen Gründen nur eine Breite von 1,2 m auf.
Montage der Wellglasfassade
Bei der Montage der Gebäudehülle von Swiss Re Next wurden Prinzipien der Lean Construction angewandt. Forschungswissen, das in Zusammenarbeit mit Universitäten in den letzten Jahren erarbeitet worden ist, konnte auch bei diesem Projekt von Ferner & Reifer in der Praxis zur Anwendung gebracht werden. So wurde es möglich, die Bauabläufe besser zu strukturieren und sowohl ökonomisch als auch ökologisch zu rationalisieren. Von Beginn an erfolgten z. B. strategische Absprachen zwischen der technischen Fassadenplanung und der Ausführungsplanung, um den Gesamtprozess zu optimieren.
Vor Montagebeginn wurden die Wellgläser werkseitig mit Edelstahlschuhen zur späteren Aufhängung verklebt. Es musste darauf geachtet werden, vollkommen plane untere Aufstandskanten der Wellgläser herzustellen. Nur mit perfekt ebenen Aufstandskanten ist es möglich, dass keine unkontrollierten Spannungen ins Glas übertragen werden. Nach Fertigstellung der thermischen Fassade und der Stahlbalkone wurde im Februar 2017 mit der Montage der Wellgläser begonnen. Die einzelnen Scheiben wurden schrittweise, beginnend mit dem fünften Obergeschoss, in Richtung der unteren Stockwerke montiert.
Die Montage der grossen und kleinen Wellgläser erforderte zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Bei den schmaleren Glaswellen konnte wegen der engen Überlappungen der Scheiben der Zugstab erst bei der Montage der Gläser eingesetzt werden.
Bei den breiten Wellgläsern wurden die Zugstäbe hingegen vormontiert und dann die Gläser über einen Zwischenhalter eingehängt und mit Bolzen gesichert.Die Lastabtragung der schmalen Wellen erfolgt über die Befestigung der Zugstäbe auf der sechsten Ebene. Die Last aller breiten Wellgläser wird über die Decke der vierten Ebene des Gebäudes abgetragen. Das heisst, zwei ganze Stockwerke mit schmalen Wellgläsern hängen an den Decken im fünften Obergeschoss, und vier Stockwerke mit breiten Wellgläsern hängen an den Decken im dritten Obergeschoss.
In allen übrigen Stockwerken und im Erdgeschoss werden über die Zugstäbe und Konsolen lediglich die horizontalen Windlasten aufgenommen. Da die Glaskante im letzten Stockwerk architektonisch bündig mit der Oberkante der Geschossdecke gesetzt werden musste, war es hier nicht möglich, gerade Konsolentragarme einzusetzen. Hier wurden geschwungene Arme erforderlich, welche in den Überlappungszwischenräumen der Wellglasfassade eingreifen können. Daraus sind sogenannte «Schwanenhals-Konsolen» entstanden, die auch im Erdgeschoss zum Einsatz gekommen sind. Aufgrund der speziellen geschwungenen, statisch ungünstigen Konsolengeometrie dieser Tragarme mussten sie mit einer Höhe von 150 mm konstruiert werden.
Der Schwanenhals wurde aus Edelstahl V4A hergestellt und die Oberfläche korundgestrahlt und gebeizt. Die Fassade sowie die vollständige Aufhängung zur Befestigung der Wellgläser wurden eigens für dieses Projekt neu entwickelt und optimiert. Bei der technischen Planung der Edelstahltragkonsolen wurde zum einen darauf geachtet, eine optisch ideale Lösung zu finden, und zum anderen versucht, die Halterungen so montagefreundlich wie möglich zu konstruieren.
Atriumdächer und Natursteinfassade
Das Gebäude verfügt über zwei Atriumdächer, die zusammen 580 m² gross sind. Die verglasten Stahlkonstruktionen der Dächer haben seitliche Blechabdeckungen und einen aussenanliegenden Sonnenschutz als Gegenzugsanlage. Dieser musste technisch so konstruiert werden, dass er bei Windgeschwindigkeiten von 45 km/h noch frei bewegt werden kann, ohne Schaden zu nehmen, und im ausgefahrenen Zustand Böenspitzen bis zu 90 km/h standhält. Zur Reinigung können beide Dächer betreten werden.
Die 600 m² grosse Natursteinfassade aus Wachenzeller Dolomit befindet sich im Erdgeschoss und auf der Terrasse im fünften Obergeschoss. Die technisch hochkomplexe und zugleich elegante Gebäudehülle von Swiss Re Next ergibt ein interessantes und harmonisches Gesamtbild. Mit der technischen Planung, Fertigung und Entwicklung der Fassade konnte Frener & Reifer seinen Erfahrung mit ondulierten Gebäudehüllen weiter ausbauen. Das Fassadenbauunternehmen durfte in den letzten Jahren bereits andere Gebäudehüllen mit gebogenen Scheiben realisieren, so zu Beispiel für das Investcorps Building in Oxford von Zaha Hadid Architects und mehrere Apple-Shop-Fassaden mit hohen gebogenen Gläsern.






