Tropische Wunderkammer
Mit einer ersten umfassenden Werkschau in Europa stellt das Aedes-Architekturforum die Arbeiten von Kashef Chowdhury/Urbana vor.

gun. Der aus Bangladesch stammende Kashef Chowdhury erhielt 2016 für sein Friendship Centre in den Flutgebieten von Gaibandha im Norden Bangladeschs den renommierten «Aga Khan Award for Architecture». Auch mit Projekten, wie z. B. der Gulshan-Moschee in Dhaka und dem Cyclone Shelter in Kuakata erhielt er grosse internationale Aufmerksamkeit. Durch die sorgfältige Anordnung der Bauten in den durch extreme klimatische Bedingungen geprägten Gebieten, in Kombination mit lokalen Bautechniken und Baumaterialien, sind Kashef Chowdhurys Gebäude vorbildhafte Repräsentanten einer Architektur, die sich mit radikaler Einfachheit und Poesie in den Dienst der Gesellschaft stellt. Die von Niklaus Graber und Andreas Ruby kuratierte Ausstellung lädt mit einer stimmungsvollen Installation zu einer Reise nach Bangladesch und in die Architekturwelten von «Urbana» ein. Auf der architektonischen Weltkarte war das in vieler Hinsicht als Randregion stigmatisierte Bangladesch bisher kaum präsent. Das dürfte sich jedoch in naher Zukunft ändern.Ein Grund dafür ist die Architektur von Kashef Chowdhury/Urbana. Auf den ersten Blick wirken Kashef Chowdhurys Bauten, wie z. B. die sturmsichere Schule oder inselförmig im Bramaputra angelegte Dorfstrukturen, wie ganz unmittelbar aus dem lokalen Kontext Bangladeschs entwickelt, das zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Erde gehört und von tropischen Klima-Extremen bestimmt ist.
Auf den zweiten Blick spannt seine Architektur den Bogen über Raum und Zeit hinweg von Ost nach West, von der Vergangenheit in die Gegenwart und wartet dank der virtuosen Behandlung von Licht, Raum und Materialität mit einer universellen Verständlichkeit auf. Die Werke von «Urbana» sind in ihrer Unmittelbarkeit nicht nur räumlich und architektonisch aussergewöhnlich, sondern sie zeugen darüber hinaus von der hohen gesellschaftlichen Relevanz einer Architektur, die sich ernsthaft und erfinderisch mit brennenden Fragen über Dichte, Klimawandel, Migration oder der Reaktivierung ruraler Potenziale auseinandersetzt.
Durch ein sorgfältig aus der Geschichte und Geografie des grössten Deltagebietes der Erde entwickeltes lokales Handeln erlangt «Urbanas» Arbeit eine globale Bedeutung, die uns fern Geglaubtes in unmittelbare Nähe rückt. Ein ganz neues Projekt, das zeigt, wo Kashef Chowdhury die Potenziale einer relevanten Architektur verortet, ist die aus Bambus konstruierte Schulanlage im Rohingya-Flüchtlingslager von Ukhia im Grenzgebiet zu Myanmar. Auch hier setzt die Architektur trotz minimalstem Budget und prekärster Umstände auf den sinnlichen Reichtum von Raum, der dem kleinen Schulbau inmitten von trostlos ausufernden Notunterkünften seine unverwechselbare Identität verleiht.
Kaleidoskopischer Einblick
Die umfassende Ausstellung über das Werk von «Urbana» dokumentiert anhand von Modellen, Fotos, Filmen und Plänen mehr als ein Dutzend Bauten und Projekte und gewährt einen kaleidoskopischen Einblick in die Entwurfs- und Bauprozesse. In den Räumen von Aedes öffnet das Team von «Urbana» sein Atelier und schenkt Raum, um in einer kontemplativen 1 : 1-Situation seine «Wunderkammer» zu entdecken.
Die Besucher sind eingeladen, mitten aus dem winterlichen Berlin in eine sinnlich choreografierte Reise durch den reichen Kulturraum und die unendlichen Weiten des im Tropenlicht schimmernden Ganges-Deltas einzutauchen.
Die Ausstellung ist bis zum 7. März 2019 im Aedes-Architekturforum in Berlin zu sehen.



