BIM kann nicht monodisziplinär gelehrt werden

Absolut. Am meisten freut mich, dass die eigentliche Spitzenleistung von «Lotti» die Kollaboration der ganzen Holzbranche symbolisiert. Wenn 150 Betriebe unterschiedlichster Grösse und Berufe am gleichen Projekt arbeiten und das Ganze dann auf der Messe zusammenpasst wie ein Uhrwerk, dann ist das wahrlich ein schöner Moment.

Lotti, die BIM-Kuh
Mit dem von der Berner Fachhochschule mit Wirtschaftspartnern initiierten Projekt «Lotti, die BIM-Kuh» werden Innovation und Digitalisierung erlebbar. «Lotti» entstand digital und wurde real gebaut: Unternehmen aus der ganzen Schweiz bezogen Produktionsdaten einzelner Teile im Internet, produzierten diese und bauten sie an der «Holz Basel» vor Ort zusammen.
Interview mit Thomas Rohner
Lotti, die BIM-Kuh, ist mit 150 Unternehmen, die in einer BIM-Cloud arbeiteten, das grösste BIM-Projekt der Schweiz. Kürzlich wurde sie bei der Messe Holz Basel vorstellig. Mit dem Modellprojekt der Berner Fachhochschule und zahlreicher Wirtschaftspartner konnten Unternehmen erleben, wie mit einem gemeinsamem Datenmodell und einer kollaborativen Fertigung gearbeitet werden kann und welchen Nutzen sie daraus ziehen können. Im Interview erklärt Initiant Thomas Rohner, warum «Lotti» ein Erfolgsprojekt ist und wie es um das Wissen und Können zum Thema BIM steht.Lotti, die BIM-Kuh, wurde an der «Holz Basel» erfolgreich von 150 Unternehmen vervollständigt. Sind Sie zufrieden?
Absolut. Am meisten freut mich, dass die eigentliche Spitzenleistung von «Lotti» die Kollaboration der ganzen Holzbranche symbolisiert. Wenn 150 Betriebe unterschiedlichster Grösse und Berufe am gleichen Projekt arbeiten und das Ganze dann auf der Messe zusammenpasst wie ein Uhrwerk, dann ist das wahrlich ein schöner Moment. Besonders schön war, dass wir mit «Lotti» nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Handwerksberufe und das Schweizer Holz bewerben konnten.Was war Ihre überraschendste Erkenntnis aus dem Projekt?
«Lotti» stand nur einige Tage online in der Cloud, und alle Mosaikteile waren reserviert, eines davon sogar aus Australien. Wir scheinen einen Nerv getroffen zu haben, der zum Mitmachen aktivierte. Dass «Lotti» nun auch an die Messen Swissbau, Giardina, Impuls und letztlich noch an die Olma geht, freut mich besonders.

Und was hat «Lotti» nun konkret mit digitalem Bauen zu tun?
Ich habe mich bewusst entschieden, ein Symbol wie «Lotti» zu wählen und nicht ein Bauwerk, mit dem wir den ganzen digitalen Workflow zeigen können, von der BIM-Cloud, der ERP-Integration, dem Web-Shop, der Logistik, den Produktionsdateien, der Verbindungstechnik, der RFID (Funketikette) bis zur Mixed Reality mit VR-Brille und Hololens zur millimetergenauen Montage. Mitmachen konnte jeder, ob traditionell handwerklich oder modern hoch technologisiert. Die Holzbaubranche ist in Sachen BIM schon relativ in Form. Der Holzbau lebt längst in der dreidimensionalen digitalen Welt – 3-D-Modellierung, Vorfertigung, Just-in-time-Prinzip sind unter anderem etabliert.

In welchen Bereichen der Baubranche und bei welchen Themen orten Sie das grösste Potenzial respektive den grössten Bedarf, um für BIM fit zu werden?
Der Holzbau ist an sich schon relativ fit. Er kann ab 3-D-Modell oder BIM-Modell produzieren, er kann auch die vierte Dimension «Zeit» und die fünfte Dimension «Kosten und Prozesse» handhaben. Die Kommunikation mit allen anderen Baupartnern ist aber noch zu optimieren. Das «I» (Information) von BIM ist auch im Holzbau noch nicht erreicht.

Wem empfehlen Sie deshalb, sich hinsichtlich BIM weiterzubilden?
Grundsätzlich allen. Gute Ausbildung, forschungsbasiert und praxisbezogen, ist die Voraussetzung für den Wandel vom analogen zum digitalen Bauen.

Wenn ich BIM beherrsche, welche Vorteile ergeben sich dadurch für mich, meine Arbeit und für meine Firma gegenüber Mitbewerbern?
BIM kann als neues Businessmodell sehr viel Wertschöpfung generieren. Wer heute eine gute BIM-Ausbildung hat, ist auf dem Arbeitsmarkt sicher begehrt. Betriebe, die BIM beherrschen, sind für Investoren interessant.

Welche spezifischen «neuen» Fähigkeiten und Kompetenzen setzt das Arbeiten mit BIM voraus?
Spezifische Fähigkeiten sind keine nötig. Jeder kann sich diese Kompetenzen aneignen. Es braucht dazu Offenheit, Affinität zu Technik und Technologie, Freude an der Kommunikation mit anderen, Teamgeist für die Entwicklung kreativer Lösungen, Verständnis für andere Gewerke und andere Denkweisen und die Fähigkeit, alte Paradigmen zu verlassen.

Wie lehren Sie diese im Unterricht, zum Beispiel im Rahmen des «CAS Digital planen, bauen, nutzen»?
Für Bildungsstätten ist es wichtig, ihren Teil zum Wandel des digitalen Bauens beizutragen. Es gilt, neue Wissensinhalte und Kompetenzen, neue Wege in der Didaktik und der Methodik für die Aus- und Weiterbildung zu entwickeln, um die jungen zukünftigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger optimal zu fördern. Moderne Lehre nimmt Themen wie Interdisziplinarität, Kollaboration, E-Learning, Kommunikation auf. Wir versuchen, nicht lange zu reden, sondern schnell umzusetzen.

Welche Inhalte bearbeiten Sie mit den Studierenden, und wie bereiten Sie sie auf das Arbeiten mit BIM vor?
Wir werden Theorien behandeln, die Infrastruktur (Applikationen) kennenlernen, die vorhandenen Hilfsmittel und Dokumente anwenden und sehr schnell gemeinsam etwas entwickeln. Ziel wäre es, zum Abschluss des CAS in der Lage zu sein, ein Planer- und Bauteam zur Formulierung eines IDM (Information Delivery Manual) zu befähigen.

Die BIM-Methode arbeitet durchgehend mit digitalen Arbeitsprozessen, diese gilt es, sich anzueignen. Wie geschieht das? Nur digital oder auch analog?
Das Design der Prozesse kann analog (im Dialog) erfolgen, die Umsetzung geschieht dann digital. Es handelt sich um ein dreistufiges Verfahren:
– Allgemeine Beschreibung (Inhalte des Use-Cases: Beschreibung, Ziele, Nutzen, Grundlagen, Abgrenzungen, Projektteam, Disclaimer)
– Prozessbeschreibung (Beschreibung der Aufgaben und Leistungen pro Phase, Prozessbeschreibung BPMN)
– Informationsanforderungen (Informationsbedarf mit Input/Output, Disziplin, Zeitpunkt, Format)

Wie sieht der Praxisbezug konkret in der BIM-Lehre aus?
Wir versuchen, das Gelernte mit Praxisbeispielen zu unterlegen. Wir arbeiten mit Leitobjekten aus der Wirtschaft, die wir entsprechend anpassen oder neu modellieren können.

Warum kann es ein Vorteil sein, sich BIM in einem interdisziplinären Umfeld mit Fachleuten aus anderen Disziplinen anzueignen, wie das im «CAS Digital planen, bauen, nutzen» vorgesehen ist?
BIM lebt von Interdisziplinarität (Transdisziplinarität), Kollaboration (Kooperation) und Kommunikation. BIM kann nicht monodisziplinär gelehrt und geübt werden.

An der Berner Fachhochschule (BFH) bilden Sie als Professor für BIM und Holzbau den fachlichen Nachwuchs aus. Welche Vorkenntnisse haben die Studierenden?
Das ist abhängig von ihrer Fachdisziplin (Fachrichtung) und ihrem vorherigen Arbeitsplatz und Werdegang. Grundsätzlich können die Architekten und Holzbauer meist schon sehr gut mit dreidimensionalen Objekten umgehen, während Bauingenieure oft aus einer zweidimensionalen Welt kommen. Das Austarieren des Vorwissens auf einen gemeinsamen Wissensstand ist aber meist gut möglich.

Der fachliche Nachwuchs – die Generation Z – ist also gut aufgestellt in Sachen Digitalisierung und digitales Bauen. Wie sieht es bei erfahrenen Leuten aus der Bau- und Immobilienbranche aus?
Auch hier spielen Vernetzung und Kollaboration eine grosse Rolle. Die Jungen lernen von den Älteren und umgekehrt. Wenn alle einen Benefit sehen, sind alle bereit mitzumachen. Es darf kein Zwang sein, sondern sollte zur logischen Konsequenz werden. ●

CAS Digital planen, bauen, nutzen

Der Wandel vom analogen zum digitalen Bauen verändert fast alle Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten und Aufgaben. Im «CAS Digital planen, bauen, nutzen» erwerben Sie die Methodenkompetenz, um Planungs- und Produktionsprozesse durchgehend digital zu führen. Sie beherrschen den digitalen Workflow, verstehen und definieren die BIM-Use-Cases der Baudisziplinen und sind in der Lage, ein IDM (Information Delivery Manual) zu formulieren und praktisch anzuwenden. Die Weiterbildung bezieht sich auf die gesamte Baubranche im Hochbau und richtet sich an Fachleute aus Architektur, Holzbau, Ingenieurwesen, Projektmanagement und Produktionsleitung.

Wann 27. August 2020 bis 19. Februar 2021
Wo Berner Fachhochschule, Architektur, Holz und Bau, Solothurnstrasse 102, 2504 Biel
Informationen und Anmeldung
ahb.bfh.ch/casdigitalesbauen

Thomas Rohner
Thomas Rohner, Berner Fachhochschule, Architektur, Holz und Bau
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