Historisches bewahrt und modern ergänzt

Ehemaliges Landeshospital: Der Zustand der Hauptfassade vor dem Baubeginn im Jahr 2014.

Landeshospital
Ehemaliges Landeshospital: Der Zustand der Hauptfassade vor dem Baubeginn im Jahr 2014.
Von Ralf Röwer von Redstone (Text) und Simon Menges, David Chipperfield Architects (Bilder)
Infolge der Realisierung neuer Firmengebäude kommt es zur energetischen Sanierung eines Klostergebäudes ohne sichtbare Eingriffe.

Auf dem Grundstück des ehemaligen Landeshospitals an der Kisau im deutschen Paderborn, dem Stammsitz des von der Familie Jacoby geführten Unternehmens, liess die Tap Holding ihren neuen Hauptsitz durch David Chipperfield Architects Berlin errichten. Mit der Realisierung der neuen Gebäude wurden zugleich die Ruinen historischer Klostergebäude sowie die unter Denkmalschutz stehende Fassade der Klosterkirche aus der Renaissancezeit erhalten, diese gar zum Zentrum des gesamten Komplexes gemacht. Um zukünftig eine nachhaltige Entwicklung der gebauten Umwelt zu erzielen, stellen der Erhalt und die Umnutzung derartiger Bausubstanzen einen essenziellen Beitrag dar.

Historie erhalten, neue Architekturstandards setzen

Auf dem rund 9000 Quadratmeter grossen Gelände, das am westlichen Ausläufer der Paderquellen liegt, entwickeln sich zwischen der historischen Struktur aus Bruchsteinmauerwerk die neuen Bürotrakte in Sichtbeton und mit klar strukturierten Fensteröffnungen. Damit stehen sie einerseits in klarem Kontrast zum ehemaligen Kapuzinessenkloster, andererseits in direktem Bezug, denn auch diese wurden durch Chipperfield maximal reduziert, um sich auf den ursprünglichen Bestand zu konzentrieren. So blieben im Rahmen der Sanierung insbesondere die Fassade der Kirche, der Kreuzgang sowie der östliche Gebäudeflügel und der Keller erhalten.

Die Nutzung der Bestandsgebäude geht bis in das 17. Jahrhundert zurück. Ab dem Jahr 1841 wurde der Komplex als Landeshospital genutzt, im Zweiten Weltkrieg allerdings schwer beschädigt. Es erfolgte im Rahmen der damaligen Sanierung eine rigorose Veränderung des Ensembles, auch in seiner Kubatur – wenig Authentisches blieb seinerzeit sichtbar.

Wenngleich die Klostergebäude rein äusserlich ihrem Ursprung wieder näher gebracht werden sollten, galt es, im Innenraum doch einen Standard zu erzielen, der heutigen Ansprüchen an moderne Büroarbeit gerecht wird. Energetische und ökologische Standards wurden dabei berücksichtigt, und so erfolgte die Innendämmung mit einer raumseitig grundierten, mineralischen Wärmedämmplatte aus Kalziumsilikat. Das mineralische «Clima Redboard pro» von Redstone wurde nach dem Verputzen der Innenwände angebracht und über einen feuchteregulierenden Dünnbettmörtel mit diesen verbunden. Die Platte integriert sich nicht nur optisch in den Raum, sondern wirkt ausserdem feuchteregulierend und damit schimmelhemmend. Darüber hinaus zählen eine gute Wärmedämmung sowie Umweltverträglichkeit zu ihren Vorzügen. Weil das Material zudem nicht brennbar ist, trägt es dazu bei, die hohen Anforderungen an den Brandschutz mit den ästhetischen Vorstellungen der Architekten sowie den denkmalbehördlichen Vorgaben zu vereinen. Nach dem Anbringen der klimaregulierenden Platten erfolgten die Begradigung und die Grundierung mit einem Kalkinnenputz, auf den später die mineralische Wandfarbe aufgebracht wurde.

Nachhaltige Architekturstandards integrieren

Neben dem Statement über eine besondere Architektursprache bewiesen Bauherrschaft und Architekten auch in Sachen Nachhaltigkeit Innovationsgeist. Zur Vermeidung einer flächendeckenden Klimaanlage mit hohem Energieverbrauch wurden unterschiedliche Massnahmen zur Klimaregulierung im Innenraum ergriffen. So kommt das Wasser aus der angrenzenden Pader zum Einsatz, um mittels einer Wärmepumpe Energie zu gewinnen. Die Kühlung im Sommer erfolgt über eine Betonkernaktivierung, die Erwärmung im Winter mit einer Fussbodenheizung. In das nachhaltige Konzept integriert sich die Innenwanddämmung, die eine zu hohe Raumluftfeuchte verhindert und so für ein angenehmes Raumklima sorgt. Kapillaraktive Mikroporen nehmen überschüssige Feuchtigkeit im Raum auf und verhindern so eine Kondenswasserbildung.

Hohe Beachtung

Ende 2019 wurden die Massnahmen abgeschlossen. Hinter Bruchsteinmauerwerk, hellem Ziegel und rohem Beton befinden sich nun moderne Arbeitswelten für rund 140 Mitarbeiter der Unternehmensgruppe. «Die Entdeckung der verloren geglaubten Klosteranlage im Komplex des Landeshospitals eröffnete uns die Gelegenheit, den Neubau an die reizvolle Ruinenstruktur anzulagern. Bestand und Neubau verbinden sich zu einem Ganzen und schreiben die städtebauliche Entwicklung der Paderborner Altstadt behutsam fort», beschreibt Frithjof Karl, Associate und Projektleiter bei David Chipperfield, den Grundcharakter der Planungen.

Im Oktober 2020 erhielt das Projekt die Auszeichnung «Vorbildliche Bauten NRW 2020» der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und wurde zudem mit der Auszeichnung «Respekt und Perspektive. Bauen im Bestand 2020» der «Deutschen Bauzeitung» prämiert. Internationales Renommee erhält das Projekt durch die Nominierung für den «Mies van der Rohe Award 2022». ●

Bautafel

Objekt Jacoby-Forum

Standort Paderborn, Deutschland

Bauherrschaft Jacoby GbR

Fertigstellung 2019

Architektur David Chipperfield Architects, Berlin

Ausführungsplanung Schilling Architekten

Tragwerksplanung G + W Ingenieurplanung

Landschaftsplanung Wirtz International Landscape Architects

Gebäudetechnik, Lichtplanung Köster Planung

Bauphysik, Akustik Hansen Ingenieure

Wärmedämmprodukte Redstone GmbH & Co. KG

Klosteranlage
Die denkmalgeschützte Klosteranlage im Neubau der Firmengruppe Jacoby wurde energetisch saniert.
Atrium
Atrium als Innenhof: Das Mauerwerk von Teilen des Klosters wurde beim Rückbau des Landeshospitals wieder freigelegt und in das Architekturkonzept von Chipperfield übernommen.
Kreuzgang
Kreuzgang: Um den Bestand zu erhalten, setzten die Architekten mit dem mineralischen «Clima Redboard pro» auf grossflächige Innendämmungen.
Unsichtbares system
Mit einem speziellen Dünnbettmörtel wurden die Wärmedämmplatten schonend an die Bestandswände angebracht und verputzt.
Klosterkapelle
Die historische Klosteranlage: Nach dem Rückbau waren grosse Teile der Klosterkapelle wieder sichtbar.
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