Bühnenreif wohnen

Vorhang auf: Ein vorstädtisches Reihenhaus in Kuala Lumpur zelebriert Wohnen als Bühnenstück. Die Separation von Innen- und Aussenraum bleibt marginal und ist für den Blickwinkel dennoch entscheidend. Den Hauptakteuren obliegt die verantwortungsvolle Aufgabe der Selbstverwirklichung.

Reihenhaus
Der Anbau schliesst im spitzen Winkel an den bestehenden Gebäudetrakt an.
Von Morris Breunig (Text) und Ceavs Chua (Bilder)
Vorhang auf: Ein vorstädtisches Reihenhaus in Kuala Lumpur zelebriert Wohnen als Bühnenstück. Die Separation von Innen- und Aussenraum bleibt marginal und ist für den Blickwinkel dennoch entscheidend. Den Hauptakteuren obliegt die verantwortungsvolle Aufgabe der Selbstverwirklichung.
Mithilfe einer Erweiterung verwandelt sich ein konventionelles Reihenhaus in Kuala Lumpur durch Fabian Tan Architect in einen niveauvollen Kunstbau. Grund dafür ist der Neueinzug einer dreiköpfigen Familie. Das 2010 erbaute Eckhaus erhielt dabei eine im Kontrast zu den umgebenden tropischen Vorstadthäusern stehende Ergänzung, wodurch die ursprünglichen Wohnräume im Erdgeschoss in den 2019 fertiggestellten Anbau ausgelagert und einer neuen Nutzung zugeführt werden konnten. Wohn-, Ess- und Küchenbereich im bestehenden Gebäude wurden dabei renoviert.Aufgrund der parallelen Ausrichtung zur nordöstlichen Grundstücksgrenze schliesst der Anbau im spitzen Winkel an den bestehenden Gebäudetrakt an. Jener Kniff verhilft dem neuen Gebäudeteil zur willkommenen Eigenständigkeit, ohne die Integrität des Ensembles zu untergraben. Die unweigerlich daraus resultierende Dynamik ist der Dramaturgie im Entdeckungsprozess zuträglich.

Ganzheitliches Konstrukt

Ein Bogendach sorgt massgeblich für den kathedralenhaften Charakter des mit den Wohnräumen gebündelten Anbaus. «Mit dem Gewölbedach wurde die Absicht verfolgt, den Raum zu vergrössern. Boden, Wand und Decke sollten durchgehend sein, damit die Elemente zu einem verschmelzen», erklärt der Architekt Fabian Tan. Die Übergänge der Betonoberflächen werden dadurch fliessend und ermöglichen ein zusammenhängendes Konstrukt. «Das Gewölbe vermittelt dieses Konzept auf ideale Weise. Inspiration fand ich in meiner Leidenschaft für höhlenartige Urräume», gesteht Tan. Die als Halbkreise gestalteten Fensteröffnungen verdeutlichen diese Intention. Punktuell eingebracht, nehmen sie der Betonkonstruktion die Schwere. Gleichwohl erzeugen sie auf den Betonoberflächen auf subtile Weise ein rhythmisches Lichtspiel, das an Erkundungen von Höhlen erinnert.

Hauptakteur oder Rezipient

Zwei grosse und sich zum Garten hin öffnende Türen laden in den Erweiterungsbau ein. Der fliessende Übergang von innen nach aussen verbindet den Innenraum unmittelbar mit der Natur. Das Bewboc House eröffnet damit gleichwohl die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Nimmt man am Schauspiel teil, oder bevorzugt man die Rolle des passiven Betrachters? Wohnen und Erleben auf der Metaebene. Dringt man tiefer darin ein, eröffnet sich die Faszination überraschender Wechselwirkungen. Nimmt der Zuschauer auf der Bühne Platz, kann er die Rolle, die der Passivität gilt, einnehmen und dem mit Leoparden-, Kiara- und Eugenia-Bäumen geschmückten Aussenraum das Schauspiel überlassen und wird für andere Betrachter gleichwohl zum Hauptakteur. Eine Bürde oder vielmehr ein Geschenk? So viel ist klar: Das Bewboc House stellt Ansprüche. Die Materialität des Gebäudes treibt diesen Gestaltungswunsch auf die Spitze. Trist und grau oder doch lieber rein und sinnstiftend? In welcher Weise die Betonleinwand wahrgenommen und bespielt wird, obliegt den Bewohnenden. Dort beginnt sie, die nie endende Entdeckungsreise.

Das Obergeschoss entpuppt sich hinsichtlich der Raumhierarchie als dramaturgisch unverzichtbare Ebene. Das Arbeitszimmer mit Ruhezone ist über das ans Treppenhaus angeschlossene Foyer erreichbar und gewährt den Blick auf die Wohnräume. Vom Elternschlafzimmer – im bestehenden Haupttrakt des Gebäudes gelegen – gelangt man über wenige Stufen zu einer als Balkon ausgebildeten Plattform. Diese lädt zum Blick in die Ferne ein. Während der Entdeckungsprozess für kurze Momente unterbrochen wird, setzt Stille ein, bevor sich die Dramaturgie im bühnenhaften Wohnprozess auf ein Neues entlädt. ●

Reihenhaus
Der Erweiterungsbau integriert den Wohnraum im Erdgeschoss.
Reihenhaus
Eine vom Bogendach überspannte Plattform erlaubt den Ausblick auf die Vorstadt.
Reihenhaus
Die Übergange von innen und aussen sind fliessend.
Reihenhaus
Zwei grosse Holztüren öffnen den Wohnraum zum Garten.
Reihenhaus
Blick auf den Übergang zum Erweiterungsbau. Die Bodenbeläge gehen ineinander über.
Reihenhaus
Ein Bogendach sorgt massgeblich für den kathedralenhaften Charakter des mit den Wohnräumen gebündelten Anbaus.
Reihenhaus
Hinsichtlich Farbgebung und Oberflächengestaltung stehen die hellen und neu eingerichteten Innenräume im bestehenden Gebäudeteil im Kontrast zu jenen im Erweiterungsbau.
Reihenhaus
Reihenhaus
Grundriss des Erdgeschosses
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