Desibach ansicht aussen

Pflanzenkohle macht die Kuh erträglicher für das Klima. Florian Gut produziert diese aus Holz. Dafür hat er in eine Holzvergasungsanlage investiert. In einem komplexen Prozess entstehen neben der Kohle auch Wärme zur Beheizung mehrerer Gebäude sowie Warmluft zur Trocknung von Brennholz. Herzstück der Anlage ist ein Gasmotor zur Produktion von Strom.

desibach ansicht aussen korr
Kohle, Kraft und Wärme: Holzvergasungsanlage Desibach. Nach dem Produktionsprozess rieselt die Wunderwaffe Pflanzenkohle in die Big Bags.
Von Christoph Rutschmann (Text) und Holzenergie Schweiz (Bilder)
Pflanzenkohle macht die Kuh erträglicher für das Klima. Florian Gut produziert diese aus Holz. Dafür hat er in eine Holzvergasungsanlage investiert. In einem komplexen Prozess entstehen neben der Kohle auch Wärme zur Beheizung mehrerer Gebäude sowie Warmluft zur Trocknung von Brennholz. Herzstück der Anlage ist ein Gasmotor zur Produktion von Strom.

Ein markanter Holzbau steht im Weiler Desibach bei Buch am Irchel. Florian Gut ist Landwirt, Winzer, Unternehmer, Waldbesitzer, Anlagenbetreiber, Pflanzenkohlevermarkter und Bauherr des Gebäudes: «Zehn Jahre hat die Projektentwicklung gedauert, bis wir im August 2021 die Anlage in den ordentlichen Betrieb überführen konnten. Wir sind sehr zufrieden.» Der Wald hat in der Familie Gut Tradition. Seit Generationen bewirtschaftet die Familie etwa 33 Hektaren eigenen Wald. Man ist auf die Herstellung von Stückholz spezialisiert. «Pro Jahr stellen wir etwa 500 Ster Scheiter her, die wir zurzeit sehr gut verkaufen können», erklärt Florian Gut. Die neue Anlage produziert Warmluft zur Trocknung noch grösserer Mengen. Die Nachfrage nach Stückholz ist gross, der Geschäftszweig soll in nächster Zeit ausgebaut werden. Die Nutzung von Stückholz in kleineren Anlagen im Wohnbereich wird «wiederentdeckt». Die Menschen verbringen mehr Zeit zu Hause und geniessen die gesunde Strahlungswärme des Holzfeuers.Die Warmluft trocknet aber nicht nur grosse Mengen an Scheitern und Spälten, sondern auch die Hackschnitzel für den Holzvergaser. Im Schnitzelsilo lagern grosse Mengen waldfrischer Schnitzel, die sukzessive durch den Warmlufttrockner gefördert werden und anschliessend in ein Zwischenlager gelangen. Von dort aus laufen sie durch eine Mischanlage und werden in der optimalen Zusammensetzung (Stückigkeit, Feuchte) dem Vergaser zugeführt. Erstaunlich und auffällig ist die grosse Variabilität des Rohstoffs. «Wir können eigentlich alle bei uns anfallenden Sortimente in den Vergaser führen, das heisst auch Rinde und Feinanteile aus der Stückholzproduktion. Der Vergaser ist diesbezüglich sehr tolerant», präzisiert Florian Gut. Die Installationen gleichen eher einem grossen Labor mit unzähligen Leitungen, Behältern, Ventilen, Mess- und Steuergeräten. Komplexe, elektronisch gesteuerte und überwachte Beschickungssysteme bringen den Brennstoff und später die Verbrennungsprodukte in ausgeklügelten Prozessen zur richtigen Zeit an den richtigen Ort.

Kohle, Strom und Wärme aus Holz

Der vorgetrocknete Brennstoff – ausschliesslich naturbelassenes Energieholz aus der Region – gelangt in den Pyrolysereaktor. Bei etwa 500 Grad Hitze wird das Holz entgast, die erste Stufe der Kohle entsteht. Das Gas und die Kohle gelangen dann in einen Schwebereaktor, wo weitere Verbrennungsluft zugeführt und der Entgasungsprozess bei einer Temperatur von etwa 850 Grad zu Ende geführt wird. Die mittlerweile recht feine Kohle «schwebt» im Gasstrom zum Filter, der sie vom Gas trennt und unter Zugabe von Wasser kühlt und in Big Bags ablagert. Das Holzgas gelangt weiter durch einen Kühler, der seine Temperatur auf etwa 100 Grad senkt. Anschliessend strömt es durch einen mit Wasser betriebenen Wäscher und von dort mit noch etwa 20 Grad in den Gasmotor. Dieser dröhnt in einer schalldichten Kabine und hat eine elektrische Leistung von 240 kW. Seit August läuft der Motor und hat im ersten Betriebsmonat gleich viel Strom hergestellt, wie etwa 30 vierköpfige Schweizer Haushalte während eines ganzen Jahres verbrauchen. Für die Stromproduktion erhält Florian Gut eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). Er kann dank dieser Förderung die Anlage wirtschaftlich betreiben. Die bei allen Schritten des Prozesses anfallende Wärme wird mittels Wärmetauscher zurückgewonnen und genutzt. Dadurch erreicht der Holzvergaser einen sehr hohen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 90 Prozent.

Kohle, Kuh und Klima

Warum der ganze Aufwand zur Herstellung von Pflanzenkohle? Hier öffnet sich ein sehr breites, neues Feld. Denn Pflanzenkohle ist ein aussergewöhnlich wertvoller Stoff. Sie kann einen grossen Beitrag zur Verbesserung des Humusgehalts und der Wasserspeicherung der Böden leisten. Zudem gilt sie als Kohlenstoffsenke, weil sie sehr lange – durchaus mehrere Jahrhunderte – im Boden verbleibt. Der Landwirtschaftsbetrieb von Florian Gut ist an einer mehrjährigen Studie der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft beteiligt. Sie bestätigt die positiven Auswirkungen von Pflanzenkohle auf den Humusgehalt (Fruchtbarkeit), den Nährstoffkreislauf (Stickstoff), die Wasserspeicherfähigkeit und die Klimaverträglichkeit intensiv genutzter Landwirtschaftsböden. Pflanzenkohle wirkt wie ein Schwamm für Nährstoffe und ist Lebensraum für Mikroorganismen. Gemäss Agroscope verfügt die Wunderwaffe Pflanzenkohle über eine weitere positive Eigenschaft: «Durch die Ausbringung von Pflanzenkohle lassen sich die Lachgasemissionen (N₂O) aus landwirtschaftlich genutzten Böden verringern, was auf eine veränderte Aktivität der Mikroorganismen im Boden hindeutet. Für die Treibhausgasbilanz von landwirtschaftlich genutzten Böden ist die Reduktion der N₂O-Emissionen von grosser Bedeutung, da Lachgas ein 300-fach höheres Erwärmungspotenzial als CO₂ hat.»

Florian Gut erklärt, wie die Pflanzenkohle schliesslich in den Boden kommt. Daraus werden weitere Vorteile ersichtlich: «Pflanzenkohle als Beigabe im Futter der Kühe wirkt sich positiv auf die Verdauung und das Wohlbefinden der Tiere aus. Es stinkt weniger im Stall, da die Ammoniakausscheidungen verringert werden.» Auch das ist positiv für die Umwelt, da Ammoniak sensible Ökosysteme wie Moore und Wälder verändert. Mit der ammoniakärmeren Gülle gelangt die Pflanzenkohle schliesslich aufs Feld und entfaltet ihre positiven Wirkungen in den Böden während sehr langer Zeit. Für Florian Gut geht die Rechnung auf, da Pflanzenkohle ein begehrter und entsprechend hochpreisiger Rohstoff ist.

Die Anlage in Desibach ist ein hervorragendes Beispiel für Ressourceneffizienz. Besonders geeignete Standorte befinden sich überall dort, wo es möglichst ganzjährig einen hohen Wärmeleistungsbedarf von mindestens ein paar Hundert Kilowatt gibt. Beispielsweise bei grossen Wärmenetzen sowie vor allem bei industriellen Prozessen, die viel Wärme brauchen. ●

desibach holzvergaser
Glühend heiss: Beschickung des Schwebereaktors mit dem Kohle-Gas-Gemisch.
desibach gasmotor
Kraft fürs Netz: Holzgasbetriebener Motor mit 240 Kilowatt Leistung.
desibach pflanzenkohle
Pflanzenkohle: Wunderwaffe für die Böden und das Klima.
(Visited 59 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema