Ein Schulhaus in Buchs steht sinnbildlich für moderne Bildungsarchitektur
Mit dem Schulhaus «La Nave» haben Carlos Martinez Architekten in Buchs (SG) eine einladende Lernwelt geschaffen. Beim als Holzbau konzipierten Gebäude prägt die Funktionalität die Architektur auf eindrückliche Weise.

Die ehemalige und 1992 eröffnete Freie Volksschule Werdenberg trägt seit 2020 den Namen «La Nave – Schule die bewegt». 2024 haben sie nach einer vierjährigen Bauzeit in der Lagerstrasse in Buchs (SG) zudem einen von Carlos Martinez Architekten entworfenen Neubau bezogen. Dieser verdeutlicht, dass das Bildungskonzept mit einem besonderen pädagogischen Schwerpunkt zur Erkennung und Förderung von Talenten, Architektur sowie die räumliche Inszenierung bei «La Nave» eine unverwechselbare und zugleich kraftvolle Einheit bilden.
Der am Stadtrand gelegene Neubau bietet freien Blick auf die Natur und das Bergpanorama. Als beispielhafter Bau für eine neue Generation von Bildungsarchitektur reflektiert das Gebäude nicht nur seine Umgebung, sondern macht Lernen, Wachstum und Begegnung mithilfe der räumlichen Sprache architektonisch erlebbar.

Rückgrat des Gebäudes
Die Idee einer ineinandergreifenden Lernlandschaft steht im Zentrum des architektonischen Konzepts. Die Räume sind weniger statisch, sondern dynamisch organisiert – sie schaffen durch verschiedene Ebenen und Blickbeziehungen ein hohes Mass an räumlicher Vernetzung. Eine helixartige Struktur verbindet die einzelnen Lernbereiche auf spiralförmige Weise: von der «Wurzelstufe» im Erdgeschoss bis hin zu den höheren Stufen in den oberen Geschossen. Diese vertikale Ausrichtung erinnert damit an das Wachstum eines Baumes. Dieses bewusst gewählte Bild wird gestalterisch durch das zentrale Treppenhaus unterstrichen, welches wie der Stamm eines Baumes alle Bereiche miteinander verknüpft.

Die architektonische Gestaltung fördert das soziale Miteinander: Offene Übergänge, Sitzstufen, Kommunikationszonen und Lernnischen erzeugen ein vielfältiges Raumgefüge, das unterschiedliche Lern- und Lebenssituationen zulässt. Eine grosszügige Sitztreppe verbindet die Geschosse visuell sowie funktional miteinander und fungiert dadurch als Rückgrat des Hauses. Flankiert von einer Bibliothek bildet sie das Herzstück für individuelles und gemeinschaftliches Lernen. Eine Rutschbahn rundet die Inszenierung der kindlichen Neugier und Verspieltheit auf gelungene Weise ab.
Im obersten Geschoss führt der Weg auf die Dachterrasse. Diese ist als zusätzliche Lernlandschaft gestaltet und verbindet damit den Innen- sowie Aussenraum nahtlos miteinander.
Auch funktionale Elemente wie Brandschutztüren wurden integrativ gestaltet und fügen sich nahtlos in das architektonische, spielerisch anmutende Gesamtbild ein. Darüber hinaus komplettieren Räume wie die Aula, Schulküche oder das «Brütwerk» als offene Werkstatt im Untergeschoss das durchdachte Raumprogramm.

Individualität der Lernenden
«La Nave» hat sich konstruktiv vollkommen dem Holzbau verschrieben. Ab dem Sockelgeschoss wurde der Bau vollständig in Systemholzbauweise errichtet. Die sichtbaren Holzrippendecken mit integrierter Kalksplittschüttung dienen dem Schallschutz und zeigen auch das konstruktive Potenzial des Materials. Das bewitterte Tragwerk mit organisch gefrästen Holzstützen verleiht dem Gebäude eine skulpturale Qualität. Die geschwungene Attika sowie die komplexe Geometrie der versetzten Ebenen verlangten eine präzise Ausarbeitung im Detail und verdeutlichen zugleich den hohen Anspruch an modernen Holzbau.
Einzigartig ist zudem die Gebäudehülle. In Form, Länge und Tiefe variierende Holzschindeln zieren die Fassade, um die Individualität der Lernenden zu symbolisieren. Vielfalt statt Norm, denn Unterschiedlichkeit ist Teil eines funktionalen Ganzen.
Das Schulhaus ist die gelungene bauliche Umsetzung einer zukunftsorientierten Bildungskultur. Das Gebäude symbolisiert ein grosses Schiff, das Kinder auf ihrem Bildungsweg begleitet – mit Offenheit, Struktur und der nötigen Freiheit zur Entfaltung. «La Nave» wird damit zu einem integrativen Ort und Architektur nicht nur zu einer Hülle, sondern zu einem festen Bestandteil des Lernens. ●


