Design Meets Biology

Fluglotsinnen und Fluglotsen, auch Flugverkehrsleitende genannt, koordinieren die Start- und Landefreigabe der Flugzeuge und leiten sie in ihrem Zuständigkeitsbereich. Wie kann die Beleuchtung ihre Arbeit unterstützen, fragte man sich bei der Erneuerung der Beleuchtung im Kontrollzentrum von Skyguide in Wangen bei Dübendorf.

Design Meets Biology
Die Beleuchtung im Kontrollzentrum von Skyguide in Wangen bei Dübendorf wurde komplett erneuert.
Inge Sommerlatte und Oliver Stefani (Text) und Skyguide (Bilder)
Das Flugzeug ist startbereit und der Pilot bekommt die Startfreigabe des Fluglotsen im Kontrollturm. Kurze Zeit später hebt die Maschine ab und verschwindet als kleiner Punkt am Horizont. Fluglotsinnen und Fluglotsen, auch Flugverkehrsleitende genannt, koordinieren die Start- und Landefreigabe der Flugzeuge und leiten sie in ihrem Zuständigkeitsbereich. Es ist ein Beruf der von der Faszination fürs Fliegen, Technik und Teamarbeit geprägt ist. Fluglotsen leisten tagtäglich eine verantwortungsvolle Tätigkeit, im Kontrollturm, in der An- und Abflugkontrolle und in den Kontrollzentren.

Wie kann die Beleuchtung die Arbeit der Fluglotsen unterstützen? Wie können sehr gute Sehbedingungen geschaffen werden, die Konzentrationsfähigkeit und Wohlbefinden steigern? Wie kann die Schlaf-Wachrhythmik durch optimale Lichtbedingungen unterstützt werden? Diese Fragen standen am Beginn des Projekts zur Erneuerung der Beleuchtung im Kontrollzentrum bei Skyguide in Wangen bei Dübendorf. Die Flugsicherungsgesellschaft Skyguide überwacht den Schweizer Luftraum sowie angrenzende Lufträume in Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich. Einer der beiden wichtigsten Standorte befindet sich in Wangen neben dem Militärflugplatz Dübendorf.Die Flugsicherungsgesellschaft Skyguide überwacht den Schweizer Luftraum sowie angrenzende Lufträume in Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich. Einer der beiden wichtigsten Standorte befindet sich in Wangen neben dem Militärflugplatz Dübendorf. Das Flugverkehrskontrollzentrum dort ist zuständig für den Luftraum der Deutschschweiz, Liechtenstein und Süddeutschland. Das Gebäude der Flugsicherung wurde vom Berner Architekten Jakob Burkhard projektiert und 2006 fertiggestellt. Es besteht aus 5 Gebäudeteilen, die durch einen Kommunikationsund Verbindungsgang untereinander verbunden sind. Das Kontrollzentrum befindet sich seit 2009 im Herzen des grössten Gebäudeteils. Der 960m² grosse Raum liegt im Gebäudeinneren und verfügt über kein Tageslicht. Die Beleuchtung bestand zu Projektbeginn aus in die abgehängte Decke montierte grossflächige quadratische Lichtdecken, die diffuses Licht abstrahlten. Die Analyse der bestehenden Beleuchtung und die Befragung der Mitarbeiter ergab für die neue Beleuchtung folgende Ziele: Verbesserung des Sehkomforts durch Minimierung der Direkt- und Reflexblendung, Aussenbezug, Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit und Unterstützung der Schlaf-Wachrhythmik der Mitarbeiter durch biologisch wirksames Licht.

Sehkomfort

Die hohe Leuchtdichte der bestehenden Lichtdecken sowie der hohe Kontrast zur dunkel erscheinenden Decke führten zu Direktblendung und Reflexblendung und dadurch vermindertem Sehkomfort. Das neue Lichtkonzept zeichnet sich durch eine ausgewogene Leuchtdichteverteilung im Raum aus. Die dadurch resultierende Minimierung der Blendung ermöglicht störungsfreies Sehen. Der Radarbildschirm, der zentrale Bildschirm am Fluglotsenarbeitsplatz, verfügt über einen schwarzen Bildschirmhintergrund und stellte sich als kritischer Punkt bei dieser Betrachtung heraus.

Tageslicht / Aussenbezug

Das fehlende Tageslicht wurde von den Fluglotsen als ein grosser Mangel empfunden. Von den in einer schon früher durchgeführten Studie aufgezeigten Varianten, mit welchen baulichen Massnahmen ein Bezug zum Aussenraum bzw. zum Tageslicht hergestellt werden könnte, wurde aus Kostengründen keine als realisierbar eingestuft. Mit dem neuen Lichtkonzept sollte dennoch eine Idee entwickelt werden, einen Aussenbezug herzustellen.

Biologisches Licht

Die Gewährleistung der sicheren Beförderung von Personen und Waren rund um die Uhr bedeutet eine grosse Verantwortung für die Fluglotsen. Sie benötigen sehr gute Konzentrations- und Stressbewältigungsfähigkeiten. Sicherheit steht an oberster Stelle. Ein wichtiger Bestandteil bei der Planung war die Berücksichtigung der neu entdeckten Photorezeptoren („ipRGCs“) im Auge, welche die Schlaf-Wachrhythmik, die Konzentrationsfähigkeit und Müdigkeit beeinflussen können. Über das Umgebungslicht werden die ipRGCs aktiviert, was für die tägliche Adjustierung der inneren Uhr sehr wichtig ist. Diese Wirkung auf den Menschen wird oft als nicht-visuelle Lichtwirkung beschrieben.

Herausforderungen

Beim neuen Lichtkonzept waren folgende Themen besonders herausfordernd:
– Der Indirektanteil der Leuchten im hohen Raum darf nicht zu hell werden da er sonst Spiegelungen im Monitor verursacht. Die derzeitige Meinung ist jedoch, dass dieser wichtig ist, um eine biologische Wirkung beim Arbeiter zu erreichen. Hier stellte sich die Frage, wie eine ausreichende biologische Wirkung ohne störende Spiegelungen erreicht werden kann.
– Für den Schichtbetrieb war die Gestaltung eines optimalen Lichtverlaufs (Lichtfarbe, Lichtverteilung und Beleuchtungsstärke) zur Förderung des Wohlbefindens und der Leistungsbereitschaft besonders herausfordernd.
– Die streng geometrische und stark kontrastierende Deckenbeleuchtung soll aufgelockert und gleichmässiger ausgeleuchtet werden.
– Wände und Boden sollen farblich optimiert werden, um die Lichtwirkung und die subjektive psychologische Wirkung zu unterstützen.

Zur nicht visuellen Lichtwirkung bestand ein hoher Bedarf an einem umfänglichen Überblick zu den Möglichkeiten der Nutzung im fensterlosen Raum bei Tag und bei Nacht da die Arbeit am Bildschirm nur eingeschränkte Möglichkeiten von Lichtapplikationen bietet. Beispielsweise dürfen Leuchtdichteunterschiede Grenzwerte nicht überschreiten und Blendung muss vermieden werden. Eine Quantifizierung von Licht in Bezug auf die spektrale Verteilung, die zeitliche und örtliche Dynamik und die Beleuchtungsstärken am Auge war wünschenswert, um eine physiologische Auswirkung auf den Menschen hinsichtlich der direkten Aufmerksamkeit aber auch der zirkadianen Wirkung (Beeinflussung der zirkadianen Phase und Amplitude) zu erreichen. Die Entwicklung des Lichtkonzepts stand von Beginn an nicht nur unter den lichtspezifischen Zielsetzungen. Zusätzlich gab es organisatorische und bauliche Herausforderungen: Der Umbau musste während laufendem Betrieb realisierbar sein, da das Kontrollzentrum täglich 24 Stunden in Betrieb ist. Gleichzeitig bedeutet dies, dass auch alle zukünftigen Wartungsarbeiten ebenfalls mit geringst möglichem Einfluss durchführbar sein müssen. Baulich stellte vor allen Dingen die bestehende abgehängte Decke eine Schwachstelle dar. Bisher mussten die Lichtdecken unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen revidiert werden. Nur mit Klettergurt durften die Lichtquellen von oben ersetzt werden. Das Risiko war gross, dass Teile oder Werkzeug durch die Spannfolien in das Kontrollzentrum stürzen könnten. Diejenigen Bereiche im Kontrollzentrum über denen in der Decke gearbeitet wurde, mussten jeweils abgesperrt werden, Arbeiten über den Köpfen von Fluglotsen sind ein Tabu. Alle diese Rahmenbedingungen wurden bei der Entwicklung des Lichtkonzepts berücksichtigt. Obwohl das Projekt als reines Beleuchtungsprojekt gestartet ist, wurden zusätzliche Massnahmen notwendig: eine neue Farbgestaltung, Überprüfung der Akustik sowie der Einbezug eines Chronobiologen.

Die neue Beleuchtung

Neben gestalterischen Aspekten sollten heutzutage Beleuchtungsprojekte auch chronobiologische Aspekte berücksichtigen. Dies wird oft als HCL (Human Centric Lighting) bezeichnet. Allerdings gibt es bis heute keine spezifischen Vorschriften. Die Einhaltung gängiger Beleuchtungsnormen, welche nur die visuellen Aspekte des Lichts berücksichtigen, resultieren leider meist darin, dass nur wenig nicht-visuell wirksames Licht das Auge erreicht. Die neue Beleuchtung bei Skyguide richtete sich nach einem kürzlich veröffentlichen Praxisbericht „Should We Re-think Regulations and Standards for Lighting at Workplaces? A Practice Review on Existing Lighting Recommendations“. Hier werden bestehende Vorschriften und Normen zu visuellen Beleuchtungsaspekten mit neuen Empfehlungen zu nichtvisuellen Aspekten konfrontiert und zeigen Konflikte zwischen ihnen auf. Bestehende Richtlinien zur Vermeidung von Blendung zu befolgen und dennoch chronobiologischen Anforderungen an Arbeitsplätzen zu genügen, wurde durch folgende Ideen realisiert:
1. Auswahl eines geeigneten Spektrums durch Verwendung von Lichtquellen mit einem relativ hohen sogenannten «MEDI» (und einem hohen CRI). Da die nichtvisuellen Effekte vor allem mit der sogenannten melanopisch tageslichtäquivalenten Beleuchtungsstärke «MEDI» und nicht unbedingt mit der Farbtemperatur zusammenhängen, wurde durch ein optimales Lichtspektrum auch die cirkadiane Rhythmik unterstützt.
2. Optimierung der vertikalen Beleuchtungsstärken am Auge durch Optimierung der Lichtverteilung (auch unter Berücksichtigung der Reflexion der umgebenden Oberflächen). Durch die optimierte Beleuchtungsplanung wurden bei gleicher horizontaler Beleuchtungsstärke höhere Lichtwerte am Auge (vertikale Beleuchtungsstärken) erreicht. Häufig führt die nach unten gerichtete Beleuchtung von Deckenleuchten, die für Räume mit PC-Bildschirm vorgesehen sind, zu relativ geringen vertikalen Beleuchtungsstärken. Um höhere vertikale Beleuchtungsstärken und damit mehr Licht am Auge zu erreichen, wurden Stehleuchten mit indirekter Lichtverteilung (die das Licht auf die Decke richten) eingesetzt.
3. Da die iPRGCs im Auge grossflächig auf der Netzhaut verteilt sind, kann man davon ausgehen, dass die nichtvisuelle Wirkung des Lichts am grössten ist, wenn das Licht aus einer grossflächigen Quelle kommt. In der Natur kommt dieses Licht vom Himmel. Wird nur ein kleiner Bereich der Netzhaut beleuchtet, wie es bei dem gerichteten Licht eines Spots der Fall ist, wird eine schwächere nicht-visuelle Wirkung angenommen. Aus diesem Grund wurde zusätzlich zur spektralen Veränderung auch die Lichtverteilung zwischen Tag und Nacht verändert.

Die Beleuchtung wurde entwickelt, um allen oben aufgeführten Anforderungen in einem hohen Masse gerecht zu werden. Ganz zu Beginn stand die Entscheidung über den Umgang mit der bestehenden Decke. Von den geprüften Varianten Abbruch, Aufwerten und Ausblenden entschied sich Skyguide für die Lösung Ausblenden. Unter die bestehende Decke wurde eine leichte und in der Vertikale offene Papierschicht eingespannt. Sie dient als Reflektor für die indirekte Beleuchtung, die an den Längswänden und in der Raummitte auf Lichtmasten montiert ist. An den Längswänden sind die Leuchten in die neue Wandgestaltung integriert, die Lichtmasten nehmen in Formsprache und Materialisierung Bezug zur Welt des Fliegens. Die Leuchten sind mit LEDs mit der Lichtfarbe 5700K und einer Farbwiedergabe CRI>92 bestückt.

Über den Arbeitsplätzen der Supervisoren im vorderen Raumbereich schweben leichte Propeller bestückt mit Arbeitsplatzleuchten gleicher Spezifikation wie die Leuchten an den Arbeitsplätzen der Fluglotsen. Sie ermöglichen in der Nacht eine kleine Lichtinsel über diesem Arbeitsbereich

Um trotz fehlender Fenster einen Tageslichtbezug herzustellen wurden vier grosse künstliche Oberlichter realisiert. Die Oberlichter bestehen aus jeweils acht Leuchten, die einen virtuellen Himmel und ein zenitales Sonnenlicht erzeugen. Die Glasabdeckung der Leuchten ist mit Nanopartikeln beschichtet und erzeugen so die blaue Farbe des Himmels. Die Wirkung der Oberlichter ist verblüffend und verändert die Raumwahrnehmung radikal. Der Raum wirkt höher und offener, der virtuelle Sonnenschein wirkt sich positiv auf die Stimmung des Betrachters aus.

Die Beleuchtung verändert sich im Tagesverlauf. Die indirekte Beleuchtung bildet am Tag die blendfreie Grundbeleuchtung. Die Arbeitsplatzleuchten können von jedem Fluglotsen individuell eingeschaltet werden. In der Nacht, wenn am Flughafen Zürich von 23:30 bis 6:00 das Nachtflugverbot herrscht und nur sehr wenige Fluglotsen anwesend sind, ist die Beleuchtung sehr reduziert. Nur die Pendelleuchten über dem Bereich der Supervisor strahlen schwaches Licht ab. Die Helligkeit der künstlichen Oberlichter folgt dem natürlichen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Jeder Mitarbeiter kann so mit einem Blick erkennen, ob es draussen hell oder dunkel ist.

sommerlatte.com

Zumtobel

VAERO von Zumtobel ist mehr Licht als eine Leuchte. Ihre Formensprache – geradlinig und klar im ureigenen Sinn des Wortes – fügt sich unaufdringlich in jede Raumarchitektur ein und empfiehlt sich somit für unterschiedlichste Bürobereiche. Von der klassischen Arbeitsumgebung bis zur kreativen Kommunikationszone. Angepasst an die Anforderungen zeitgemässer Büroflächen, liefert VAERO ergonomisches Arbeitslicht in höchster Präzision. Eine ausgewogene Direkt-/ Indirekt-Abstrahlung verleiht den Räumlichkeiten eine Atmosphäre, die sich motivierend auf das Wohlbefinden der Nutzer auswirkt.

Noch nie war eine Leuchte so wirkungsvoll und unscheinbar zugleich. Im ausgeschalteten Zustand sind die transparenten Lichtflügel kaum zu erkennen. Was bleibt, ist ein schmaler Mittelsteg, hinter dem sich die flache Konverterbox verbirgt. Selbst die Decke wurde somit von störenden Elementen befreit.

Eingeschaltet verwandelt sich die Pendelleuchte in ein magisch anmutendes Lichtobjekt – als wäre VAERO gar keine Leuchte, sondern pures Licht. Rahmenlos und transparent, perfektioniert die hauchdünne Lichtaustrittsfläche das puristische Design.

Wesentliche Voraussetzung für das einzigartige Design der VAERO Pendelleuchte mit ihren unsichtbaren Qualitäten ist die hochmoderne Side-Lit Technologie. Sie leitet das Licht der linearen Lichtquellen in die transparenten Lichtleiterplatten und verteilt es gleichmässig von der Mitte bis an den Rand.

Zumtobel

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HyperFocal: 0

Erco

Im Projekt sind hauptsächlich die Leuchten des Typs Lightscan Deckenfluter in einer Sonderausführung vertreten. Sie erscheint der speziellen Oberflächenbeschaffenheit (Alu roh) sowie einer speziellen Lichtfarbe: LED 5700K CRI 92.

Erco

Lightscan1
Lightscan2
Lightscan3

Abkürzungen

Medi melanopic equivalent daylight illuminace

CRI colour rendering index

ipRGCs intrinsically photosensiteve retinal ganglion cells

Bautafel

BauherrschaftSkyguide

LichtplanungSommerlatte & Sommerlatte AG

ChronobiologieChronolight und Zentrum für Chronobiologie

FarbgestaltungRaumgwand

Befeuerungsmast totale_1
Dunkel Ausschnitt
Einzelplatz dunkel
Farbtafeln
ganzer Raum dunkel
ganzer Raum
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Mast dunkel
Mast und Papierdecke
Oblicht 2
Propeller mit Papierdecke
Pult eine Leuchten an
Pult
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HyperFocal: 0
Lightscan1
Lightscan2
Lightscan3
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