Planung und bautechnische Umsetzung erfordern digitale Werkzeuge

Ein Gespräch über BIM als Teil einer Gesamtstrategie, die Bedeutung des Recyclings und des menschlichen Faktors.

Planung und bautechnische Umsetzung
Interview mit Lucio Blandini
Von Burkhard Talebitari (Text) und René Müller (Bilder)
Ein Gespräch über BIM als Teil einer Gesamtstrategie, die Bedeutung des Recyclings und des menschlichen Faktors.
Prof. Dr.-Ing. M. Arch. Lucio Blandini ist Vorstand und Partner der Werner Sobek AG und berichtet im Interview über die Bedeutung von Building Information Modeling (BIM).Wenn BIM für Sie Teil einer Gesamtstrategie ist, wie sieht diese aus?
Unser Ziel ist es, das Potenzial von digitalen Werkzeugen optimal zu nutzen. Hierbei geht es nicht nur um einen möglichst effektiven Planungsprozess, sondern auch um die Frage der technischen Realisierbarkeit. Wir arbeiten weltweit an sehr unterschiedlichen Projekten, die aber alle eines gemeinsam haben: Ihre Komplexität ist so gross, dass eine Planung und bautechnische Umsetzung ohne digitale Werkzeuge mittlerweile nicht mehr vorstellbar ist. Als Ingenieure fokussieren wir dabei gezielt auf bestimmte, immer wiederkehrende Fragestellungen. Die wichtigste davon ist: Welche Lösung ist zugleich ökonomisch und funktional vorteilhaft und erfüllt den Gestaltungsanspruch, den wir selbst all unseren Arbeiten zugrunde legen?Und als Vorteil von BIM sehen Sie hierbei …
… dass seine Nutzung uns eine schnelle, präzise und detaillierte Kommunikation mit anderen Planenden ebenso wie mit den Bauherrschaften und den ausführenden Firmen ermöglicht. BIM beschleunigt und erleichtert gleichermassen interne wie externe Abstimmungsprozesse. Wir können die Auswirkungen unterschiedlicher Ansätze auf das Gesamtkonstrukt ebenso wie auf einzelne Gewerke so mit relativ überschaubarem Aufwand überprüfen. Bei vielen Projekten sind BIM-Modelle an Berechnungsmodelle gekoppelt, sodass es einen permanenten Qualitätsabgleich über die Grenzen einzelner Softwareprogramme hinaus geben kann. Dazu verwenden wir BIM-Modelle zur gewerkeübergreifenden Kollisionskontrolle, zur Erzeugung von Plänen und zur Mengenermittlung. BIM spielt bei unserer Arbeit also eine zentrale Rolle. Trotz dieses grossen Potenzials versuchen wir aber nie zu vergessen, dass BIM nichts anderes ist als ein Werkzeug.

BIM und Kooperation sind nicht selten Thema für Festtagsreden zwischen zwei Buchsbäumen. Wie würden Sie die Realität beschreiben?
Die Realität ist wie immer komplexer, als manch einer das gern wahrhaben möchte. Ich kenne «BIM-Skeptiker» genauso wie «BIM-Schwärmer» und habe natürlich meine eigene Position zu diesem Thema.

Die da wäre?
BIM ist ein Werkzeug, eine Methode. Der Erfolg (oder Misserfolg) bei der Anwendung dieser Methode hängt stark von den Menschen ab, die sie verwenden. Das gilt bereits beim Closed BIM, umso mehr aber beim Open BIM, da die Modelle hier durch eine Kooperation unterschiedlicher Akteure entstehen. Abgesehen von der nicht zu vernachlässigenden Frage, wer für welchen Teil des Modells haftet: Ein solcher Prozess der Kooperation kann nur dann erfolgreich sein, wenn die beteiligten Personen sinnvoll miteinander umgehen und offene Fragen pragmatisch lösen können.

«Persönliche Gespräche und Begegnungen bleiben insbesondere in einer stark digitalisierten Umgebung wichtig.» Lucio Blandini

«The human factor», so heisst ein bekannter Roman von Graham Greene.
Das ist richtig: Persönliche Gespräche und Begegnungen bleiben auch und insbesondere in einer stark digitalisierten Umgebung wichtig. Letztlich müssen wir als Menschen die Planungsprozesse steuern und dürfen uns nicht von den Prozessen steuern lassen.

Ihr Büro vertritt avancierte Positionen in Sachen Recycling. Können Sie in kurzen Worten beschreiben, wie der komplette Lebenszyklus eines Bauwerks bei Werner Sobek gedacht und realisiert wird?
Die Ressourcen unseres Planeten sind begrenzt – und wir tragen die Verantwortung für einen sorgsamen Umgang mit ihnen. Das Bauwesen ist momentan bei Weitem der grösste Verbraucher von Rohstoffen und der grösste Produzent von Abfall. Dem gilt es entgegenzuwirken. Ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung ist die konsequente Umsetzung des Leichtbauprinzips, wie es in unseren Arbeiten immer angewandt wird. Nur so können wir für die nach wie vor wachsende Weltbevölkerung mehr gebaute Umwelt mit weniger Ressourcen schaffen.

Also angewandte Nachhaltigkeit statt Festtagsrede …
Ja, denn wir Planenden haben mit unseren Entscheidungen grossen Einfluss auf die Frage, welche Ressourcen in welcher Menge und in welcher Form verbaut werden. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist das Recycling. Wenn wir als Planende nachhaltig handeln wollen, müssen wir dafür sorgen, dass unsere Häuser eines Tages wieder komplett in technische oder biologische Kreisläufe zurückgeführt werden können. Architektur- und Ingenieurschaffende dürfen deshalb nicht nur die Entstehung eines Gebäudes im Blick haben, sie müssen auch an den späteren Um- oder Rückbau denken. Bei Experimentalprojekten wie R128, F87 oder B10 haben wir bereits gezeigt, wie ein solches «design for disassembly» funktioniert. Darüber hinaus versuchen wir, unsere Gebäude nicht nur für ein späteres Recycling fit zu machen, sondern bei ihrem Bau bereits einen möglichst grossen Anteil an Rezyklaten (d. h. aus Wiederverwertungsprozessen gewonnene Baustoffe) einzusetzen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?
Mit dem Kreishaus Ludwigsburg haben wir Deutschlands bislang grösstes Projekt aus Recyclingbeton realisiert. Und die Experimentaleinheit Umar im Schweizer Nest-Campus in Dübendorf zeigt eine sehr breite Palette an Lösungen für den Einsatz von wiederverwendeten, wiederverwerteten und recycelten Materialien auf. Als Planer können wir so gute Voraussetzungen für ein Schliessen der Wertstoffkette schaffen.

Kann Ihnen dabei BIM nicht zu Hilfe kommen?
Ganz genau: BIM ist ein wichtiges Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn das gleiche Modell grundsätzlich mit unterschiedlichem Informationsgrad von der Planung über die Ausführung und das Facility-Management bis zum Rückbau verwendet werden kann, ist es leichter, bereits in der Planung gezielt auf Recyclingthemen einzugehen. ●
(Das Interview ist erstmals erschienen im BIM-Special 2018, S. 51 f, Berlin 2018, Verlag Ernst & Sohn.)

Zur Person

Lucio Blandini ist im italienischen Catania geboren, 1994 bis 2000 Studium des Bauingenieurwesens in Catania und Bologna. 2000 bis 2004 Promotion am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart, 2004 bis 2006 Master der Architektur an der University of Pennsylvania. Seit 2006 Projektleiter bei der Werner Sobek AG, seit 2018 Vorstand (mit dem Schwerpunkt Innovation & Knowledge Management), seit 2020 Professor an der Universität Stuttgart und Leiter des ILEK.

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