Das Refugium am See

Die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude Haus U und Haus K der psychiatrischen Klinik Münsterlingen gehören zum Psychiatriecampus der Spital Thurgau AG. Basierend auf der im Vorfeld gemachten Machbarkeitsstudie entstand eine harmonische Einheit in Ufernähe des Bodensees.

Eine Einheit beider Gebäude war das Ziel des verantwortlichen Architekten Pascal Palmieri.

Jeder zweite Mensch ist im Laufe seines Lebens ein- oder mehrmals von einer psychischen Störung betroffen. Jeder kennt die «ganz normalen» Belastungen des Alltags oder den Stress und kann in akute oder längerfristige Beziehungs-, Abhängigkeits-, Sinn- oder Lebenskrisen geraten. Die Gebäude in Münsterlingen zur Behandlung dieser Patientinnen und Patienten entsprachen zunehmend nicht mehr den heutigen Anforderungen wie Komfort dank moderner Nasszellen, Wohnlichkeit, individuelle Rückzugsmöglichkeiten und betriebliche Effizienz der Stationen. Es sollte nicht einfach eine psychiatrische Klinik entstehen, sondern ein temporäres oder permanentes Zuhause für psychisch, sucht- und demenzkranke Menschen. Verantwortlich für Um- und Neubau war das Architekturbüro Stäheli Partner AG mit Pascal Palmieri als Projektleiter. Die Lichtplanung wurde zudem durch die Michael Josef Heusi GmbH wahrgenommen.

Neues Leben im Haus U

Das Haus U wurde während rund fünf Jahren in fünf Etappen und im Betrieb umfangreich umgebaut und umgestaltet. Die Gebäudeform musste im denkmalgeschützten Umfeld auf der Halbinsel erhalten werden. Die innere Struktur wurde umfangreich erneuert. Übergeordnetes Ziel war auch die Verdichtung der Zimmer für die zu Behandelnden und ermöglichte eine um ein Drittel bessere Belegung mit neu 24 Betten je Etage bei gleichzeitiger Komfortsteigerung und Therapieräumlichkeiten im Dachgeschoss. In den höheren Aufenthaltsräumen unterstützen Mineralfaserdecken die Akustik. Nach einer Massgabe der Bauherrschaft wählte man hier in Dreiergruppen angeordnete Standard-Deckenleuchten.

Prägendes Element sind die inneren Kernzonen, der Rundlauf aus Holz mit – aus Rammschutzgründen – Chromstahlblenden, Linoleumböden, tapezierte Wände und abgestimmte Leuchten. Dieser innere Kern mit Küchen zum gemeinsamen Kochen, den Technik- und Nebenräumen wird vom Korridor, dem Rundlauf, umschlossen. Die Türen sind zurückhaltend in der Holzverkleidung integriert. Die gegenüberliegenden Patientinnen- und Patientenzimmer heben sich gestalterisch von der Wand ab und sind mit Licht inszeniert, damit diese in der Wand optisch klar erfassbar sind. So entsteht ein Eindruck wie im Hotel und keine Spitalatmosphäre. Der Rundlauf hilft der Bewegung im Raum, er mündet in Aufenthaltsräumen und macht Orientierung für die zu Behandelnden und das Pflegepersonal selbstverständlich. Es war ein wichtiges Anliegen der Bauherrschaft, nirgends scharfe Kanten oder andere Risiken für Verletzungen zu schaffen. Der Korridor ist gleichzeitig auch Treffpunkt mit seiner angenehm diffusen Ausleuchtung der Wände, ergänzt mit leicht schattiger Akzentuierung der Türen und der sich in der Nähe aufhaltenden Personen. Die sehr hohe Farbwiedergabe und die mit 3000 Kelvin warme Farbtemperatur des gewählten Lichts helfen gegen Probleme wie Angst oder Unsicherheit und schenkt den Menschen, die temporär oder permanent hier wohnen, ein kostbares Gut: Wohlbefinden.

Konsequenterweise wurde grossen Wert auf das Licht in diesem Innenkörper gelegt – es soll illuminieren, wie einzelne Zonen herausheben. Zudem sind die Leuchten auch ein willkommenes Dekor: Licht am richtigen Ort und so wenig Blendung wie möglich. Die ausgewogene Mischung von Tages- und Kunstlicht vermittelt Atmosphäre und Geborgenheit. Intime respektive gesellige Lichtstimmungen unterstützen Personal und zu Behandelnde im Tages- und Nachtablauf. Elemente der Architektur, Licht- sowie die Farbgestaltung vermitteln Behaglichkeit und sind wichtiger Bestandteil der heute angewandten heilenden Architektur. Das benachbarte Haus K, mit neuem Anbau in Sichtbeton, innen gedämmt, folgt dem gleichen Raumkonzept mit multifunktionalem sowie nutzungsneutralem Grundriss und öffnet sich zum Garten hin. Der Garten von Haus K ist abgetrennt und ein gesicherter Garten für akut demenzkranke Menschen (geschlossener Bereich im sonst öffentlichen Ufergebiet des Bodensees). Das Gebäude wurde bis auf die drei historischen Fassaden komplett neu errichtet. Hoher Zeit- und Kostendruck stellten enorme Ansprüche an alle Beteiligten. Die Architektur sollte nicht spektakulär sein, sondern nutzergerecht und zeitgemäss im Einklang mit dem geschützten Gebäude-Ensemble auf der Halbinsel.

Der geschützte Garten

Ein behutsam und gut entblendet eingeleuchteter Demenzgarten erweitert den Lebensraum vorwiegend älterer zu Behandelnden. Ihr geschützter Demenzgarten ist einfach ein schöner Ort am See, der das Bedürfnis, sich im Aussenraum zu bewegen, in sicherem Umfeld erfüllt. Grosszügig angelegt, bietet er Schutz und Erholung. Wege ohne Sackgassen helfen Patientinnen sowie Patienten bei der Orientierung und dem Pflegepersonal für die einfachere Betreuung mit gutem Überblick. Die gewählten Aussenleuchten in traditioneller Typologie und Laternenanmutung erinnern an Objekte, wie sie gerade älteren Menschen vertraut sind. Beleuchtet werden neben den Wegen auch die Inseln als Orte zum Verweilen mit Sitzgelegenheit. Licht mit 2700 Kelvin und guter Farbwiedergabe führt von Insel zu Insel. Seine Intensität mit auf den Boden gerichteten Lichtkegeln nimmt Rücksicht auf die Natur am öffentlich zugänglichen Ufergebiet des Bodensees als geschütztes Ortsbild.

Lebensqualität Licht

Licht ist Lebensqualität für psychisch kranke Menschen. Das Haus U hat eine geringe Raumhöhe, daher kamen Wandleuchten in unterschiedlicher spielerischer Setzung zum Einsatz, die den gegenüberliegenden holzverkleideten Kern illuminieren und trotz Abwesenheit des Tageslichts eine helle Atmosphäre schaffen. In Dreiergruppen angeordnet, verteilt sich der Lichtstrom auf mehr Fläche und minimiert dadurch die Blendung – Unterstützung der Behaglichkeit und Dekor zugleich. Die Gruppen in logischer Abfolge führen und unterstützen die Architektur.

Die tiefgezogene Polykarbonatabdeckung der Leuchten wurde zusätzlich gesichert, um Vandalismus und Selbstverletzung auszuschliessen. Mehrere Tests zwischen Produzentin und Lichtdesigner waren notwendig, bis die gewünschte Lichtqualität mittels geeigneter LED-Platinen erzielt war. Alle Bestandteile der Leuchten sind demontabel sowie austauschbar und erleichtern somit den Unterhalt, denn Nachhaltigkeit war von Anfang an ein wichtiges Thema.

Über jeder Eingangstüre zu den Patientenzimmern ist ein Downlight angebracht. Der entstehende sanfte Lichthof unterstützt das Gefühl von «zu Hause sein» und lässt Patientinnen und Patienten im Zwischen-Tür-und-Angel-Gespräch im leicht schattigen natürlichen Licht erscheinen.

In Aufenthaltsräumen und Patientenzimmern können unterschiedliche Lichtszenen geschaltet und manuell gedimmt werden. Grossformatige Schirmleuchten, ins Farbkonzept integriert und ebenfalls in Dreiergruppen angeordnet, spenden ein weiches Grundlicht, das mit Einbau-Downlights abgemischt wird. Von den Lichtdesignern wurde zunächst unterschätzt, dass die neue Klinik nah am Wasser steht und so ein enorm erhöhtes Insektenaufkommen mit sich bringt. Naturgerecht, aber nicht ganz einfach zu lösen. Konsequenterweise musste der an den Fenstern schon angebrachte Insektenschutz auch bei den Fenstertüren vervollständigt werden, um das Problem zu beheben.

Architektur und Lichtdesign im Einklang

Eine Einheit der beiden Gebäude war das erklärte Ziel des verantwortlichen Architekten Pascal Palmieri. Ausserdem war er von Beginn an offen für die Vorschläge des Lichtdesigners Michael J. Heusi. Dies war eine für eine erfolgreiche Zusammenarbeit glückliche, nicht immer selbstverständliche Fügung, ebenso wie die Tatsache, dass die Lichtdesigner von sehr früher Projektphase weg an der Planung des Projektes beteiligt waren. Aus Mitwirkenden wurde rasch ein gutes Team. Dazu Michael J. Heusi: «Es war ein wichtiger und logischer Prozess – ein gemeinsames Entwickeln von Lösungen und gegenseitiges Lernen.»

Die subtile Farbberatung und die Wahl der Materialien in beiden Gebäuden erfolgten in engster Zusammenarbeit mit Anita Heeb und ihrer Firma Konturpunkt. Mit Tapeten in sanften und dennoch vitalisierenden Farbverläufen schuf sie stimmige Akzente, die sich in der Verkleidung der Deckenleuchten wiederholen. Dies erlaubt Individualität, Orientierung, Wohnlichkeit, Stärkung der Zimmer als Rückzugsort für die zu Behandelnden und unterstützt das architektonische Konzept mit der Farb- und Materialwahl. ●

Die Farbverläufe der Tapeten und der Verkleidung der Deckenleuchten sind aufeinander abgestimmt.
Die Farbverläufe der Tapeten und der Verkleidung der Deckenleuchten sind aufeinander abgestimmt.
Mit Tapeten in sanften und dennoch vitalisierenden Farbverläufen schuf Anita Heeb stimmige Akzente im Haus U.
Mit Tapeten in sanften und dennoch vitalisierenden Farbverläufen schuf Anita Heeb stimmige Akzente im Haus U.
Der innere Kern im Haus U mit Rundlauf.
Der innere Kern im Haus U mit Rundlauf.
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