Experimentierfreude fördern

Das von A + R Architekten sanierte und erweiterte Kinderhaus Wieseneck stellt vielfältige Räumlichkeiten für mehrere Kindergruppen und ein multiprofessionelles Betreuungsteam zur Verfügung.

Von Heike Bering (Text) und Marcus Ebener (Bilder)

Das neue Ensemble besteht aus einem behutsam sanierten Bestandsbau aus dem Jahr 1913 und einem daran ange­bundenen Neubau.

Der steigende Bedarf an Betreuungsplätzen hatte den Vorstand der Stiftung Kinderheim Wieseneck dazu veranlasst, das bestehende Kinderhaus im Göppinger Ortsteil Jebenhausen zu sanieren und zu erweitern. Was mit zwei Gruppen im alten Kinderhaus begann, weitete sich im Laufe der Zeit zunehmend aus, sodass Umbau, Sanierung und Erweiterung unumgänglich wurden. Nach den baulichen Massnahmen wurde es möglich, bis zu rund 100 Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren aufzunehmen und das Kinderhaus in vier verschiedene Fachbereiche mit insgesamt acht Gruppen zu gliedern. Auf dem gesamten Gelände werden nach Aussage der Kinderhausleiterin zurzeit 155 Kinder betreut. 55 davon in weiteren, temporär errichteten Gebäuden. Das zeigt den in den vergangenen Jahren enorm gestiegenen Betreuungsbedarf.

Lernfreudiges Umfeld schaffen
Bereits 1913 wurde die Stiftung Wieseneck von Pfarrer Christoph Blumhardt aus Bad Boll und Schwester Anna von Sprewitz gegründet: Zweck der Stiftung war, dass «solche Kinder der Einwohner Jeben­hausens ohne Unterschied der Konfession vom 3. Lebensjahr ab, tagsüber kostenlose Aufnahme und Verpflegung finden, deren Eltern, Vater oder Mutter ausserhalb ihrer Wohnung beschäftigt sind».

Spieltreppe in der Mitte des Neubaus.

In der Konzeption der Stiftung des Kinderhauses aus dem Jahr 2020 wird überdies festgehalten, dass «in einem lernfreudigen Umfeld Selbstbewusstsein, Neugierde und Experimentierfreude in Ruhe gedeihen können». Auch die Architektur fördert diese Haltung.

Die vertikale, ge­rundete Holzfassade stellt einen feinen Kontrast zum Bestandsbau mit Putzfassade und Satteldach her. Die Spieltreppe erschliesst Spielzonen vor den Gruppenräumen, Sitzecken und ruhigere Bereiche zum Entspannen.

Behutsam dem Bestand angeschlossen
Eine besondere Herausforderung bedeutete es zunächst, mit der maroden Bausubstanz des bestehenden Kindergartengebäudes umzugehen und dieses stimmig dem Erweiterungsbau anzuschliessen. Das historische Bestandsgebäude lag als Solitär in einer parkartigen Grünfläche am Ortsrand. In der Planung wurde darauf geachtet, der Erweiterung eine eigene Identität zu vermitteln. Zugleich sollte sie harmonisch in den Garten eingefügt werden. Entstanden ist ein Gebäude, das durch seine vertikale, gerundete Holzfassade einen feinen Kontrast zum Bestandsbau mit Putzfassade und Satteldach herstellt. Aufgrund dieser natürlichen Materialität erzielt die ­Fassade eine sehr ansprechende und einladende Wirkung. Mit einem gläsernen Zwischenbau sind beide Gebäude zu einem Ensemble verbunden.

In der Planung wurde darauf geachtet, der Erweiterung eine eigene Identität zu vermitteln.

Geplant wurde ausserdem unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit: Die kompakte Hülle des Erweiterungsbaus minimiert aufgrund ihrer geringen Oberfläche den Wärmeverlust und ermöglichte es, den ­alten Baumbestand zu erhalten.

Familienähnliches Konzept
Das Kinderhaus bietet ein familienähnliches Konzept mit Ganztagesbetreuung an, sodass sich einige Kinder bis zu zehn Stunden in den Räumlichkeiten aufhalten. In der Planung wurde auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder Rücksicht genommen. Das Herz des Kinderhauses bildet die Spieltreppe, die sich in sanftem Schwung durch die Mitte des Neubaus windet und übersichtlich die einzelnen ­Bereiche erschliesst: vielfältige Spielzonen vor den Gruppenräumen, Sitzecken und ruhigere Bereiche zum Ausruhen und Entspannen.

Erdgeschoss

Im September wurde das Kinderhaus Wieseneck für «Beispielhaftes Bauen Landkreis Göppingen 2014 – 2021» von der Architektenkammer Baden-Württemberg ausgezeichnet. Zu den Bewertungskriterien zählen unter anderem: äussere Gestalt, Innenraumgestaltung, Gesamteindruck und Zeitbezug sowie Nachhaltigkeit unter ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten. ●

Bautafel

Objekt Kinderhaus
Standort Göppingen
Fertigstellung 2019
Bauherrschaft Stiftungsvorstand der Stiftung Kinderheim Wieseneck
Architektur A + R Architekten
Bauleitung Gaus + Knödler Architekten Partnerschaft mbB
Tragwerkplanung Hagedorn Ingenieure
Bauphysik J. Paech und Steffen Bitsch
Energieberatung Städtische Energieberatung
Elektroplanung Elektroplan Ingenieure GmbH
HLS Gecon Engineering und Consulting GmbH
Aussenanlagen Büro für Freiraumplanung und Landschaftsarchitektur

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