Mut zur Farbe

Das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle Stuttgart hat eine umfassende Sanierung erhalten. Die hochkomplexe Aufgabe fand in einem architekturhistorisch sensiblen Umfeld statt.

Durch die anspruchsvolle wie behutsame Revitalisierung erscheint die Liederhalle nun in neuem Glanz und edler Atmosphäre.Fotos: Zooey Braun

Die Liederhalle in Stuttgart ist nicht nur eine der ­ältesten Kulturinstitutionen Stuttgarts. Durch ihren Wiederaufbau nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zählt sie zu den wichtigsten deutschen Kulturbauten der Nachkriegszeit. Der denkmalgeschützte, ikonisch-expressive Bau, der lang vornehmlich als Konzerthaus diente, wurde in den Neunzigerjahren erweitert und entwickelte sich dadurch zu einem ­international anerkannten Kongresszentrum. Technische und funktionale Mängel sowie eine Nutzungs- und Kapazitätserweiterung machten nun eine umfangreiche Sanierung des Erweiterungsbaus notwendig. Durch die anspruchsvolle wie behutsame Revitalisierung von Asp Architekten erscheint die Liederhalle nun in neuem Glanz und edler Atmosphäre.

 

Umfangreiche gebäudetechnische Ertüchtigung
Gestartet sind die Stuttgarter Planenden mit einer Analyse der Strukturen, der räumlichen Situation und der technischen Ausstattung. Schnell war klar, dass nicht nur beim Brandschutz eine komplette Nachbesserung notwendig war. Auch sollte die veraltete Bühnen- und Veranstaltungstechnik erneuert werden, bei der die Gebäudeleittechnik nachgebessert sowie vorhandene Gebrauchsspuren beseitigt wurden.

Für die gebäudetechnische Ertüchtigung mussten sämtliche abgehängten Decken entfernt werden. Dabei stiessen die Planenden stellenweise auf gesundheitsschädliche Dämmstoffauflagen, die unter Einhaltung aufwendiger Schutzmassnahmen entfernt und entsorgt wurden. Aber nicht nur im Deckenbereich fanden sich «Überraschungen». Im weiteren Sanierungsverlauf tauchten falsch gebaute Brandabschnittstrennungen, undichte Heizsysteme und Hof­abläufe und sogar ein unerkannter Wasserschaden im Hegel-Foyer auf. Nicht unbedingt ungewöhnlich bei der Sanierung eines Gebäudes. Für das Einhalten von Zeit- und Kostenplänen jedoch unerfreulich.

Punktuell wurden Installations­elemente eingesetzt und strahlenförmig auf den Hegel-Saal ausgerichtet.

 

Ins richtige Licht gesetzt
Der Innenraum weist durch die verschiedenen Ebenen, Lufträume, Säulen und Treppen eine gewisse Komplexität und Vielschichtigkeit auf, die bislang ­allerdings kaum wahrgenommen wurde. Der besonderen Raumstruktur Ausdruck und Bedeutung zu verleihen, war deshalb ein zentraler Aspekt des Gestaltungskonzepts. Insbesondere bei der Überarbeitung der Deckenbereiche, die bislang weiss gehalten waren, sah das Architekturbüro grosses Potenzial für ein neues Raumgefühl und -erlebnis. Die Lichtplanenden von Pfarré Lighting Design entwickelten ein ausgefeiltes Lichtkonzept. Die Räume werden ganz subtil ausleuchtet, ohne dass die Beleuchtungskörper an den Decken wahrgenommen werden.

In enger Abstimmung mit ihnen entstand zudem die Idee, die Decke in ein kräftiges Blau zu tauchen. Das verleiht dem Raum nicht nur eine beruhigende Anmutung, sondern suggeriert unter anderem eine gewisse Wertigkeit, die zur kulturellen Nutzung des Gebäudes passt.

Blau verleiht dem Raum nicht nur eine beruhigende Anmutung, sondern suggeriert unter anderem eine gewisse Wertigkeit, die zur kulturellen Nutzung des Gebäudes passt.

Während die Raumkanten mit Lichtlinien betont werden, nimmt sich die Decke durch den warmen, tiefblauen Farbton zurück, wirkt angenehm ruhig und elegant. Punktuell wurden Installationselemente eingesetzt und strahlenförmig auf den Hegel-Saal ausgerichtet. So wird die besondere Geometrie des Gebäudes betont. Unterstützt wird das völlig neue Raumerlebnis durch ein Orientierungssystem von Studio Tillack Knöll. Es leitet die Besuchenden nahezu intuitiv durch das Gebäude und durch ein modernes, digitales Raumsystem zu den einzelnen Räumen. Ebenfalls in Blau und Kupfer gehalten, nimmt es die Farben seiner Umgebung auf und rundet das Gestaltungskonzept ab.

 

Erst Impfzentrum, dann Wiedereröffnung
Trotz der vielen unvorhergesehenen Erschwernisse haben Asp Architekten zusammen mit dem Planungsteam und den ausführenden Firmen das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle in nur 15 Monaten auf den neuesten Stand der Technik gebracht sowie räumlich und gestalterisch aufgefrischt.

Abgeschlossen wurden die Massnahmen zwar schon im Oktober 2020, doch eine feierliche Wiedereröffnung und die Wiederaufnahme des Veranstaltungsprogramms mussten zunächst verschoben werden. Die Landeshauptstadt Stuttgart richtete im Kampf gegen Covid-19 in den grosszügigen Räumen vorübergehend ihr zentrales Impfzentrum ein. Kürzlich konnte das Programm wieder aufgenommen werden und das Zentrum seine Tore für Veranstaltungen öffnen.

Bautafel

Objekt Kultur- und Kongresszentrum
Standort Stuttgart
Fertigstellung 2020
Bauherrschaft Landeshauptstadt Stuttgart
Architektur Asp Architekten GmbH

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