Städtebau – Mit zeitloser Gestaltung Identität schaffen

or der Jahrtausendwende galt in Zürich zwanzig Jahre ein Verbot für den Hochhausbau. Nach der neuen Bau- und Zonenordnung (BZO) 1999 waren Hochhäuser in bestimmten Gebieten wieder zulässig.

Hochhausbau
Testplanung Hardturm-Areal Zürich 2015.
Ein Gespräch mit Michael Frey, Mitglied der Geschäftsleitung von atelier ww über den Hochhausbau in der Schweiz.
Vor der Jahrtausendwende galt in Zürich zwanzig Jahre ein Verbot für den Hochhausbau. Nach der neuen Bau- und Zonenordnung (BZO) 1999 waren Hochhäuser in bestimmten Gebieten wieder zulässig. 2001 wurde die Umsetzung der neuen städtebaulichen Vision in Richtlinien festgehalten. atelier ww darf für sich in Anspruch nehmen, den Hochhaus-Dialog massgebend beeinflusst und gefördert zu haben. «Architektur + Technik» unterhielt sich mit Michael Frey von atelier ww über die Situation des Hochhaus-Baus in der Schweiz.

Das Hochhaus-Ensemble Hagenholzstrasse in Zürich gilt als Vorreiter der neuen städtebaulichen Vision. Welche Bauten sind aus Ihrer Sicht noch erwähnenswert?

In Zürich folgten von uns das Westlink um den Vulkanplatz und das Löwenbräu-Areal. Letzteres wurde zusammen mit Gigon Guyer entwickelt, nachdem beide Architekturbüros den 1. Rang in einem Wettbewerb belegt hatten. In Zürich Nord und West stand jeweils ein Stadtgebiet im Mittelpunkt, das eine neue Identität erhalten sollte. Beim Löwenbräu fand ein Weiter- und Umbauen des Bestandes in gewachsener Stadtstruktur statt. Zudem war ein chirurgischer Eingriff in denkmalgeschützte Bausubstanz des ehemaligen Brauerei-Areals notwendig. Im Salmenpark Rheinfelden – ebenfalls ein ehemaliges Brauerei-Areal – wurde selbst das Malzsilo nach Hochhaus-Vorschriften umgebaut.

Was gilt es beim Hochhausbau zu beachten?

Die Projekte haben neben wirtschaftlichen immer auch politische und baurechtliche Hürden zu überstehen. Die Ansprüche technischer Art, wie beispielsweise Statik, Brandschutz und die architektonischen Herausforderungen betreffend Einordnung und Gestaltung, sind zu bewältigen. Die baurechtlichen Schranken, wie beispielsweise der Zweistundenschatten, der vorgibt, dass ein Hochhaus benachbarte Wohnzonen oder Gebäude mit Wohnnutzung an keiner Stelle länger als zwei Stunden beschatten darf, können an gewissen Lagen, die für ein Hochhaus städtebaulich sinnvoll wären, eine Planung verunmöglichen.

Hochhäuser haben in der Schweiz einen sehr grossen Einfluss auf das Stadtbild. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Bei der Planung müssen Architekten äusserst sorgfältig und mit einer zeitlosen Gestaltung Identitäten schaffen sowie die Massstabsbezüge übergeordneter grossräumiger Strukturen miteinbeziehen.

Verdichtet bauen im Städtebau ist eine aktuelle Forderung der Raumplanung. Erfüllt ein Hochhaus dies nicht in idealer Weise?

Die Typologie Hochhaus vermag noch nicht alle Vorteile auszuspielen. Beispielsweise sind die gesetzlichen Anforderungen bezüglich Ausnützung und Freiräume unabhängig davon, ob ein Hochhaus oder eine Regelbauweise geplant wird, einzuhalten. Meines Erachtens sollten die Hochhausprojekte einen Ausnützungsbonus erhalten, damit auch eine höhere Dichte und damit die Typologie wirtschaftlicher umgesetzt werden kann. Es stellt sich also die Frage, wie Hochhäuser das Credo nach «innerer Verdichtung» mit den heutigen Regeln erfüllen können. Auch bei einem Hochhaus darf die Ausnützung nicht grösser sein als bei einer gewöhnlichen Überbauung. Eine Abweichung von diesem Grundsatz beispielsweise im Kanton Zürich ist nur möglich wenn Arealüberbauungsbonus, Sonderbauvorschriften oder Gestaltungspläne zur Anwendung kommen. In den Sonderbauvorschriften kann eine gegenüber der BZO erhöhte Ausnützung festgelegt werden.

Wie sieht es an den Stadträndern und in den Agglomerationen aus?

Dort ist in den letzten Jahren die Urbanisierung immer weiter fortgeschritten. Nicht zuletzt haben dazu Hochhäuser als Landmarks in die dortigen Industriegebiete beigetragen, wie beispielsweise der Giessenturm in Dübendorf oder der Ceres-Tower in Pratteln. Noch in den 1960er- und 1970er-Jahren wurden in der Schweiz Hochhäuser meistens an peripheren Lagen oder sogar in ländlich geprägten Umgebungen errichtet.

Was hat sich seither geändert?

An den Standorten der von uns geplanten Hochhaus-Projekte ist ersichtlich, dass seither andere, wieder städtischere Anforderungen an die Lage von Hochhäuser gestellt werden. Interessant ist beispielsweise die Platzierung des bereits erwähnten Wohnhochhauses in Dübendorf. An einer Schnittstelle zwischen städtischen und industriellen Stadtstrukturen tritt der Giessenturm als Vermittler auf und verkörpert die einzigartige Position, indem zwei verschiedene Richtungen aus dem Stadtgefüge als Gestaltungsidee aufgenommen werden.

Wie sieht die Zukunft für den Hochhausbau aus?

In den Städten selbst wird der Hochhaus-Typus lebendig bleiben. Dies ergab eine städtebauliche Studie, die wir 2015 für die Stadt Zürich als Vorbereitung des Investorenwettbewerbs des Hardturm-Areals erstellten. Dabei wurde mit dem Baukollegium die maximale Dichte und Gebäudehöhe überprüft. Für ländliche und alpine Gebiete haben wir einmal mehr festgestellt, dass es immer auf den Kontext ankommt.

Hochhausbau

In einem völlig anderen Massstab, Kontext und mit anderen Terminvorgaben hat atelier ww Hochhäuser in China mitgeplant. 2016 konnte in Tianjin der Plot 03-16 (im Bild) mit dem Einkaufszentrum im Sockel und das Hochhaus eingeweiht werden, und beim Studienauftrag für den Hafen in Qingdao schaffte es sein Beitrag «Anchor» auf den 3. Rang. Foto: atelier ww

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Das Radisson-Hotel in Kloten.
Michael Frey
Michael Frey, dipl. Arch. ETH/SIA, MAS Curem, ist Mitglied der Geschäftsleitung.
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Das Löwenbräu-Areal in Zürich. Foto: Thies Wachter
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Der Westlink entsteht direkt am Bahnhof Zürich-Altstetten. Foto: Gian Vaitl
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