Wohnen am Park

Das Gebäude «Graswinkel 3» erweitert die bereits bestehenden Räumlichkeiten der Stiftung Pigna auf ihrem Areal in Kloten. Schneider Gmür Architekten verleihen diesem eine eigene Identität und respektieren zugleich bestehende Hierarchien.

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Die Stiftung Pigna betreut und beschäftigt Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung in ihrem Lebens-, Arbeits- und Wohnraum. Der 2021 fertiggestellte und von Schneider Gmür Architekten geplante Erweiterungsbau «Graswinkel 3» ist eine Reaktion auf die hohe Nachfrage nach entsprechenden Plätzen in den bestehenden Räumlichkeiten der Stiftung in Kloten. Daraus resultieren 36 neue Wohnplätze, 23 neue Tagesstättenplätze und 10 neue Arbeitsplätze im geschützten Rahmen.

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Horizontale Ausdehnung
Mit einem Erweiterungsbau reagiert das Architekturbüro auf die Gegebenheit des Areals Graswinkel, das vor allem vom bestehenden Wohnheim Pigna mit einem dreigeschossigen mehrteiligen Bauensemble definiert wird. Der zweigeschossige Neubau mit seiner flossartigen, horizontalen Ausdehnung schliesst den Freiraum entlang der Nord-Ost-Seite, ohne die Bedeutungshoheit des bestehenden Wohnheims zu mindern. Fünf Höfe – unter anderem zwei zur seitlichen Belichtung der Wohngruppen, ein dritter dient der oberirdischen Anlieferung und als geschützte Terrasse der Pflegewohngruppe – erleichtern die Orientierung der Nutzenden und schaffen eine Verzahnung von Gebäude und Park. Nahezu alle Räume erhalten dadurch einen direkten Bezug zum Aussenraum. Gleichzeitig flankiert der Erweiterungsbau zusammen mit einem bestehenden Gewächshaus und Kindergarten den Pigna-Park, der auf rund 5000 Quadratmeter vergrössert wurde. Dieser ist nicht öffentlich zugänglich, sondern ausschliesslich für die Bewohnenden vorgesehen und bietet ­ihnen einen geschützten Raum, in dem sie selbst­bestimmt handeln können.

Der Erweiterungsbau bietet 36 neue Wohnplätze, 23 neue Tagesstättenplätze und 10 neue Arbeitsplätze im geschützten Rahmen.

 

Bestehendes respektiert

Das Hauptgebäude der Stiftung Pigna wurde 1990 durch die Architekten Max Baumann und Georges Frey als eine in sich abgeschlossene Anlage in Klinker und gestrichenem Holz erstellt. Der Erweiterungsbau schafft es, sich durch die städtebauliche Setzung und die Materialisierung vom Bestand zu emanzipieren. «Dieser setzt sich mit seiner dunklen Holzfassade ab und nimmt die Materialität des bereits bestehenden Kindergarten- und Ateliergebäudes auf. Unser Projekt versteht sich als Erweiterung, welche die bestehenden Hierarchien respektiert», sagt Birgit Pedretti, Architektin und Projektleiterin bei Schneider Gmür Architekten AG.

Die hybride Beton-Holz-Konstruktion wird mit der realisierten Materialisierung im Innenraum sichtbar gemacht. Im Kontrast zu den vertikal geschalten Sichtbetonwänden werden hochwertige Holzeinbauten in der Form von Innentüren, Wandverkleidungen, Akustikelementen und Garderobenmöbeln eingesetzt. «Der Innenraum ist von Mate­rialien geprägt, die über einen starken Ausdruck verfügen und dem Raum auch im unmöblierten Zustand einen wohnlichen Ausdruck verleihen», erklärt die Architektin.

 

An die Bedürfnisse angepasst

Die wesentlichen Bestandteile des Projekts wurden bereits im Wettbewerbsprogramm formuliert und mit dem Wettbewerbsprojekt umgesetzt. Im Rahmen der Weiterarbeit hat die Stiftung Pigna, welche 1981 durch 28 Gemeinden aus dem Zürcher Glatttal und Unterland sowie durch Privatpersonen gegründet wurde, ihre zusätzlichen Anliegen in die Projektierung einfliessen lassen. Das Besondere in der Konzeption der Innenräume war die Berücksichtigung von Flächen für die Gemeinschaft und die Privatsphäre sowie Aspekte des hindernisfreien Bauens. «Wir haben alle Räume grosszügig dimensioniert, damit keine Enge entsteht und überall genügend Platz vorhanden ist. Lifte und Wendebereiche für Roll­stühle sind zudem mit grösseren Flächen bedacht», erklärt Architekt Marc Schneider. Die erhöhten Schallschutzanforderungen durch die Nähe zum Flughafen Zürich konnten mit einem reinen Holzbau nicht eingehalten werden. Es bedurfte einer massiven Dachkon­struktion sowie eines zweischaligen Aufbaus der Fassade. Darüber hinaus realisierte man einzelne Zimmer zum Wohnen mit erhöhten Schallschutzanforderungen, um den individuellen Bedürfnissen der Bewohnenden gerecht zu werden.

Die Wohneinheiten verfügen über Eingangsbereich, Wohn- und Essraum, Küche sowie Einzelzimmer mit direktem Zugang zum Badezimmer.

 

Die sechs neuen Wohneinheiten bieten Platz für jeweils sechs Bewohnende und verfügen über Eingangsbereich, Wohn- und Essraum, Küche sowie Einzelzimmer mit direktem Zugang zu einem Badezimmer. Im Obergeschoss befinden sich zwei Wohneinheiten für Bewohnende mit erhöhtem Pflegebedarf. «Für diese Wohngruppen wurden die Zimmer und Bäder grösser ausgestaltet und die Durchgangbreiten der Türen erhöht. Ausserdem verfügt nur diese Wohngruppe über eine grosszügige Dachterrasse, welche als geschützter Aussenbereich genutzt werden kann», erklärt der Architekt. Weitere zwei Wohngruppen im Obergeschoss sind vor allem für Personen, die tagsüber in den Werkstätten, im internen Dienstleistungsbetrieb oder in den Tagesstätten beschäftigt sind. Die zwei Wohngruppen im Erdgeschoss haben zusätzlich einen direkten Zugang zum Pigna-Park.

Dunkles Fichten- und Tannenholz ziert die Fassade.

 

Gewachsener Dienstleistungsbetrieb

Die Tagesstätte von Pigna bietet Menschen mit Beeinträchtigung eine auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Tagesstruktur und eine sinnvolle Tätigkeit ohne Produktionsdruck. Im Atelierbereich wurde ein Warmraum realisiert, der allen Parkbenutzenden zur Verfügung steht – mit WC, Kochnische und Aufenthaltsbereich. Mit der Gebäudeerweiterung ist zugleich der interne Dienstleistungsbetrieb gewachsen, der für den Unterhalt und die Pflege des Areals Graswinkel zuständig ist. Zu seinen Aufgaben gehört die Verarbeitung der Wäsche. Teil davon ist ebenso eine Kantine mit Aufbereitungsküche, deren Räumlichkeiten im Erdgeschoss angesiedelt sind.

Das gesamte nach Minergie-Standard geplante Gebäude verfügt über eine kontrollierte Lüftung. Die Wärmeerzeugung für den Neubau erfolgt über eine im Bestandsgebäude vorhandene und erneuerte Holzschnitzelanlage. In der Übergangszeit und im Sommer übernehmen zwei Wärmepumpen die Wärmeerzeugung und stellen ausserdem das Brauchwarmwasser bereit.

Das gesamte Dach mit einer Fläche von rund 2200 Quadratmetern ist zudem mit einer Photovoltaikanlage bestückt (Anlageleistung: 198 kWp). ●

Aussenansicht

 

Bautafel

Objekt
Tagesstätte, Wohnung, Arbeitsplätze

Standort
Kloten

Fertigstellung
2021

Bauherrschaft
Pigna Raum für Menschen mit Behinderung

Architektur
Schneider Gmür Architekten AG

Bauleitung
WT Partner AG, Baustudio GmbH

Bauingenieurwesen
Tantanini & Partner AG

Elektroingenieurwesen
Kurt Bachmann AG

HL-Planung
Planforum AG

Sanitärplanung
Schoch Reibenschuh AG

Landschaftsarchitektur
Krebs und Herde GmbH

Bauphysik
Mühlebach Partner AG

Lichtplanung
LLAL AG

Hochwasserschutzplanung
Hunziger, Zarn & Partner AG

Brandschutzplanung
B-Planing AG

Gastroplanung
Creative Gastro Concept & Design AG

Gebäude Nutzfläche
6000 m2

Gebäudevolumen
21 000 m3

 

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