Das Bauprojekt der Zukunft spielt sich in Datenbanken ab

Obwohl manche Projekte für Laien wie BIM aussehen, weil zum Beispiel eine 3-D-Planung vorliegt, sind es keine BIM-Projekte. Warum? Weil die gleiche Information an zwei unterschiedlichen Stellen zu finden ist und es keinerlei Verbindung zwischen diesen Daten gibt. Das Rückgrat von BIM-Projekten ist deshalb künftig eine Datenbank.

Das Bauprojekt der Zukunft spielt sich in Datenbanken ab
Von Matthias Uhl, Die Werkbank IT GmbH (Text)
Obwohl manche Projekte für Laien wie BIM aussehen, weil zum Beispiel eine 3-D-Planung vorliegt, sind es keine BIM-Projekte. Warum? Weil die gleiche Information an zwei unterschiedlichen Stellen zu finden ist und es keinerlei Verbindung zwischen diesen Daten gibt. Das Rückgrat von BIM-Projekten ist deshalb künftig eine Datenbank.

Sinn und Zweck von Building Information Modeling (BIM) ist ein kollaborativer, transparenter und redundanzfreier Planungsprozess, der sich von der Bauphase über die Nutzung bis zum Facility-Management erstreckt. Dafür braucht es einen ungehinderten Datenfluss zwischen den Programmen, der über eine Weiterentwicklung von IFC theoretisch machbar wäre. Aber IFC bleibt weiterhin eine Brückentechnologie, die seit rund 20 Jahren keine nennenswerte Innovation hervorgebracht hat und weiterhin viele Probleme in der Nutzung stellt. Viel wichtiger aber ist, dass sich alle über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie hinweg an der gleichen Informationsquelle bedienen. Eine Datenbank ist deshalb künftig für BIM-Projekte unerlässlich.Für BIM von entscheidender Bedeutung ist und bleibt der Digital Twin. Ihn braucht es vor allem als Information, die in Archicad oder Revit dargestellt werden kann. Manchmal bedarf es einfach nur einer schnellen Information, wenn beispielsweise ein Fenster geändert werden soll und die Frage geklärt werden muss, was das für die Kosten bedeutet. Um das schnell und übersichtlich bewerkstelligen zu können, ist eine Datenbank nötig.

Datenbanken sind in der Bauplanung noch Exoten

Bis anhin wird kaum eine Planung in Datenbanken gesammelt oder strukturiert gesucht. Datenbanken gelten in Verbindung mit der Bauplanung heute noch als Exoten. Dabei sind sie für BIM essenziell, denn das Bauprojekt der Zukunft wird in Datenbanken geplant: Die digitale Bauplanung findet dann zunächst in einer CAD-Umgebung wie Archicad oder Revit statt. Anschliessend wird das Modell in einer Datenbank abgelegt, sauber getrennt in 3-D-Information, alphanumerische Information über Materialien und Produkte. Denn: Sämtliche Produkte und Lösungen wie zum Beispiel Wandaufbauten, Dachaufbauten und Ähnliches werden künftig über Datenbanken in BIM-Prozesse integriert.

Das bedeutet: Planer übernehmen künftig sämtliche Bauprodukte in Form von BIM-Objekten oder anderen BIM-Formaten in die CAD-Umgebung, bauen damit einen Digital Twin und speichern das Modell in der Datenbank ab, und zwar in einer eigens für das Bauprojekt angelegten Projektdatenbank. Nur so funktioniert die Vision eines digitalen, mit Informationen angereicherten BIM-Modells, das im Zentrum eines jeden BIM-Projekts stehen muss, um über alle Lebensphasen hinweg mit Informationen dienen zu können. Eine Planung, die nur in Teilbereichen digital verläuft, ist eine BIM-orientierte Planung, aber kein BIM-Projekt.

Mehrwert von Datenbanken während der Bauphase

Ein kleines, aber sehr greifbares, einfaches Beispiel, wie Prozesse automatisiert, besser harmonisiert und strukturiert werden können, wenn wir uns als Planer auf eine Datenbank einlassen, ist der Anwendungsbereich der Baudokumentation. Sie ist unbeliebt, weil zeitraubend. Aber Architekten und Bauleiter müssen sie laut Dokumentationspflicht erfüllen. Wie dokumentiert wird, bleibt dem Verantwortlichen überlassen. Das können zum Beispiel verortete und kommentierte Fotos sein, die wesentliche Schritte des Bauablaufs in einer für die Bauherrschaft nachvollziehbaren Form wiedergeben. Hinzu kommen die Gewerke wie Installateure oder Bodenleger, die Betriebs- und Gebrauchsanleitungen sammeln, aber auch niederschreiben, was sie beim Bauvorhaben gemacht haben. Das kommt normalerweise alles in das Bautagebuch – klassischerweise ein Leitz-Ordner. Darin sind alle Schritte und Dokumente gesammelt. Der Ordner wird am Ende des Bauvorhabens der Bauherrschaft übergeben. Alle externen Dienstleister, das heisst die Gewerke, sollen Bedienungs- und Pflegeanleitungen oder Produktbeschreibungen an die Bauherrschaft übergeben. Im Normalfall sind aber die Architekten immerfort in der Pflicht, den Anleitungen und Dokumentationen nachzujagen.

«Jedes Gebäude braucht in Zukunft einen ‹account in a cloud› – angelegt und gepflegt vom Architekten.»

Grundsätzlich gibt es zwar zur Lösung dieses Problems erste digitale Verwaltungstools, aber sie bieten immer noch Insellösungen an, die unzureichend betreut sind. Zudem nutzen die externen Gewerke diese Tools nicht. Der Einsatz einer Datenbank, die dauerhaft einem Objekt hinterlegt ist, würde sofort Abhilfe schaffen und liesse im Zuge der BIM-Entwicklung zugleich enorme Synergieeffekte erwarten.

Zugriff auf Datenbanken schafft Qualitätssprung

Im Idealfall gibt es einen Digital Twin, der sich aus einer Datenbank mit Informationen füllt. Der Parkettboden inklusive Anleitung wird dann zum Beispiel über ein BIM-Cockpit gepflegt und über BIM-Plug-ins in den Digital Twin integriert. Der grosse Vorteil mit Blick auf das Thema Baudokumentation: In diesem Fall taucht das Problem erst gar nicht mehr auf, dass irgendwelche Anleitungen gesammelt werden müssen. Jedes Bauteil und jede Systemlösung ist fortan mit allen verfügbaren Informationen sowohl geometrischer als auch alphanumerischer Natur inklusive Anleitungen in der Datenbank auffindbar.

Fortan profitieren ebenfalls alle anderen Anwendungsbereiche über den gesamten Lebenszyklus eines BIM-Projekts hinweg, wie das Facility-Management, aber auch die Bauabwicklung und die Bauabrechnung. Themen wie das Generieren von Stücklisten oder das Auslösen und das Tracken von Bestellungen stellen dann keine Herausforderung mehr dar. All diese und viele andere Aufgaben beinhaltet das BIM-Konzept. Das lässt sich aber nur erreichen, wenn alles sauber in einer Datenbank geführt, gepflegt und gemanagt wird.

Vorteile für das Facility-Management

Wenn während des Gebäudebetriebs zum Beispiel eine Tür zu Schaden kommt, kann über die Software der richtige Ersatz bestellt werden. Das richtige Pflegemittel für den Parkettboden, das richtige Reinigungsmittel für die Fliesen oder der passende Ersatz für defekte Leuchtmittel: In der Datenbank ist jede Information hinterlegt und ermöglicht nicht nur die zielgenaue Bestellung, sondern erinnert den Facility-Manager überdies an die entsprechenden Wartungszyklen.

Vorteile von Datenbanken für die Bauausführung

Die ganze Baubegleitung inklusive der wirtschaftlichen Aspekte, also das Thema Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA), kann in Verbindung mit Datenbanken viel effizienter arbeiten. Ein prominentes Beispiel ist der unter dem Stichwort Lean Construction Management bekannte Ansatz für ein schlankes Baumanagement, der nur funktioniert, weil Datenbanken zum Einsatz kommen.

Grosse Bauunternehmen wie Goldbeck, Max Bögl oder Strabag haben eigene AVA-Abteilungen. Auch wenn diese Unternehmen einen extern planenden Architekten beauftragen, wird dieser die Einreichung vornehmen beziehungsweise das Baugesuch stellen. Wenn es zur Baugenehmigung kommt, wird er vielleicht noch ein paar Werkpläne zeichnen, weil sie mit einem fertigen System arbeiten. Spätestens dann wird die AVA-Abteilung des Bauunternehmens die Arbeit weiterführen. Durch sie erfolgen dann die Ausschreibungen. Je nachdem, wie die Angebote zurückkommen, erhält der Bestbietende oder derjenige, der zum Beispiel am schnellsten liefert, den Zuschlag. Nach Einbau lässt sie sich dann über eine Auswertung des Digital Twins mitteilen, ob die Ausführung korrekt war und ob sie bezahlt werden kann. Oder dann das Gegenteil, dass die Ausführung nicht korrekt war und geändert werden muss.

Viele Insellösungen, aber kein Rückgrat

Der Status quo ist also, dass der Einsatz von Datenbanken bereits eine gewisse Anwendung im AVA-Bereich, in der Baudokumentation sowie im Facility-Management findet. Das Problem ist allerdings, dass all diese Bereiche sich jeweils einer eigenen Datenbank bedienen. Es fehlt eine globale Projektdatenbank, die gepflegt, weitergegeben und weitergeführt wird. Jeder Bereich pflegt stattdessen brav seine Insellösung, die am Ende die gesamte Wertschöpfungskette gefährdet, weil die entscheidenden Potenziale ungenutzt bleiben, die mit BIM assoziiert werden. Was fehlt, ist eine durchgehende Linie. Die Lösung ist einfach, aber entscheidend: Dem Digital Twin fehlt das Rückgrat, das die einzelnen Bereiche über den Lebenszyklus der Immobilie hinweg miteinander verbindet. Wenn unter alle Insellösungen eine Projektdatenbank gelegt wird, also eine Datenbank, in der immer aus jeder Insel die projektspezifischen Informationen gespeichert werden, dann ist ein durchgehender Datenfluss möglich.

Rollenverteilung beim Umgang mit Datenbanken

Jedes Gebäude braucht in Zukunft zudem einen «account in a cloud» – angelegt und gepflegt vom Architekten. Bei kleineren oder einmaligen Projekten geht es eher darum, dass der Architekt selbst die Cloud pflegt und sie für alle am Bau Beteiligten als Kommunikationsplattform nutzt. Am Schluss müsste der Architekt der Bauherrschaft nur noch einen eigenen Zugang erteilen, am besten mit einer eigenen User-Rolle, über die sie auf Baudokumentationen zugreifen und sich die wichtigsten Ergebnisse jederzeit herunterladen kann. Das wäre der Use-Case für kleinere oder einmalige Projekte. Bei grossen Investoren mit bis zu 50 Bauprojekten pro Jahr legt der Investor selbst eine Cloud an und vergibt Zugriffsrechte für seine externen Architekten. Diese können pro Bauprojekt jeweils mit ihrem Account über die Cloud des Investors zugreifen.

Ablauf über den Building-Lifecycle hinweg

Nachfolgend möchte ich skizzieren, wie der gesamte Prozess im Alltag aussähe: Zunächst befüllt der Architekt die Cloud mit seiner Planung und dem Digital Twin. Von Produktdatenbanken bezieht er Produktinformationen, Anleitungen und vieles mehr und reichert die Datenbank mit relevanten Informationen an. Später kommt es dann darauf an, wie die Arbeitsteilung geregelt ist. Die grossen Bauunternehmen machen die AVA selbst. Steht das Modell, kann die AVA-Abteilung über ihren Projekt-Account auf die gleiche Cloud zugreifen und weiterarbeiten.

Die AVA-Abteilung hat einen eigenen Cloud-Zugang, also eine eigene User-Rolle, und kann bestimmte Dinge dort wieder generieren, zum Beispiel Stücklisten für Trockenbauwände. Sie kann dann etwa für 5000 Quadratmeter Trockenbauwand W 112 Stücklisten erstellen, woraus hervorgeht, dass 445 000 Schrauben und 450 Laufmeter von diesem oder jenem Band, so viel Ausgleichsmasse, Gipskartonplatten und diese oder jene Profile benötigt werden. Damit lässt die AVA-Abteilung ein Angebot erstellen. Das geht dann zum Verarbeiter, der ebenfalls ein Angebot macht. Auf dieser Grundlage kann er sagen, dass er genau das will und keine Schraube mehr. AVA-Abteilungen können bei BIM-Projekten in Verbindung mit Datenbanken also höchst präzise Angebote einholen und eine faktenorientierte Entscheidung treffen. Der Verarbeiter hat dann gleich alle Informationen wie Mengen und Massen vorliegen. Die Abrechnung kann ebenfalls über die Cloud erfolgen. Es gibt die bestellten und die tatsächlich eingebauten Mengen. Besteht hier eine Diskrepanz, kann relativ schnell ermittelt werden, wo der Fehler liegt. In der Abrechnung steht unmittelbar eine Übersicht zur Verfügung. Das ist deshalb möglich, weil das der Bauleiter während des Bauprozesses im Sinne der Baudokumentation gewissenhaft über seinen Account in die Cloud eingepflegt hat.

«Eine Planung, die nur in Teilbereichen digital verläuft, ist eine BIM-orientierte Planung, aber kein BIM-Projekt.»

Aber auch während der Bauphase kann es auf der Baustelle notwendig sein. Zum Beispiel wenn die Bauleitung vor Ort mit dem Laptop die Stückliste aufruft und eine Diskrepanz zwischen dem angelieferten Material und dem Material in der Stückliste besteht. Diese Abweichung muss natürlich unmittelbar beseitigt werden, noch bevor der Bau abgeschlossen ist, sodass eine korrekte Abrechnung verschickt werden kann. Nach der Bauphase folgt das Facility-Management. Dann stehen die Themen Beschreibungen, Verbrauchsmittel, Wartungszyklen und dergleichen im Vordergrund. Der Clou ist, dass jeder seine Inhalte einspielt, damit jeder für seinen Use-Case einen Mehrwert daraus ziehen kann. Es geht um Prozesstransparenz.

Schlüsselfigur Baustoffindustrie

Eine Schlüsselfigur in diesen Überlegungen kommt weiterhin der Baustoffindustrie zu. Sie muss mit BIM-Infrastrukturen beziehungsweise Datenbanken wie «BIM and More» in einem frühen Projektstadium Produktinformationen für den kompletten Gebäude-Lifecycle zur Verfügung stellen – so aufbereitet, dass immer der richtige Level of Information Need (LoIN) möglich ist. Schliesslich benötigt der Architekt zum Beispiel keine Pflegeanleitung, wenn er den Digital Twin plant, der Objektverwalter beim späteren Facility-Management aber schon. Der Mehrwert von BIM-Infrastrukturen wie «BIM and More» liegt deshalb in der Aufbereitung der Daten, damit sie in den Projektdatenbanken in der jeweiligen Detailtiefe zur Verfügung stehen. Dafür gibt es im Datenmodell entsprechende Datenbankfelder für die frühe Phase, die mittlere Phase und die spätere Facility-Management-Phase. Wenn Datenbanken wie «BIM and More» zudem mit zusätzlichen Fähigkeiten wie einem Projektmanagement ausgestattet werden, kann der Architekt ein Projekt anlegen und Produkte in den Projektordner legen. Wenn dieser Projektordner beziehungsweise diese Produktinformation alle Angaben für den gesamten Lifecycle enthält, kann ein Filter regeln, welche Informationen der Architekt bei der Gestaltung des Digital Twins, welche Informationen später der AVA-Mitarbeiter sieht – zum Beispiel den Preis – und welche Informationen der Facility-Manager. Das übergeordnete Ziel dieser Projekte ist immer, dass der Datenbank eine Projektdatenbank unterliegt, die dieses Rückgrat für alle Glieder bildet.

Fazit

Wir stehen noch ganz am Anfang. Visionäre Köpfe haben eine Perspektive geschaffen: dass Daten über den gesamten Lifecycle eines Gebäudes verfügbar sind. Eigentlich ist das eines der wichtigsten Kriterien für die Umsetzung von BIM-Projekten. Dieser Grundsatz ist aktuell aber eine Vision, von der wir noch weit entfernt sind. Die Herausforderung liegt weiterhin in der Aufbereitung der Produktdaten aufseiten der Bauindustrie. Noch liegen die Daten nicht so vor, dass das möglich ist. Das wird auch noch Jahre dauern. Das Gute aber ist: Wir sind auf dem richtigen Weg. Und das ist die Hauptsache. ●

Der Autor

Matthias Uhl ist Experte im Bereich Building Information Modeling (BIM) und Gründer sowie Geschäftsführer von Die Werkbank IT GmbH, die mit der BIM-Infrastruktur «BIM and More» Herstellern von Bauprodukten und Baustoffen die Übersetzung und die Aufbereitung der Produktdaten in BIM-Objekte ermöglicht.

Das Bauprojekt der Zukunft spielt sich in Datenbanken ab
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