(K)eine Herausforderung

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die rechtliche Situation bei der Anwendung der BIM-Methode. Die Autoren identifizieren Stolpersteine, die es besonders zu beachten gilt.

(K)eine Herausforderung
Mario Marti, Baurechtsanwalt und Partner bei Kellerhals Carrard
Von Mario Marti und Walter Maffioletti (Text)
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die rechtliche Situation bei der Anwendung der BIM-Methode. Die Autoren identifizieren Stolpersteine, die es besonders zu beachten gilt.

BIM (Building Information Modeling; deutsch: Bauwerksdatenmodellierung) hat den Durchbruch geschafft! Die Methode wird immer häufiger angewendet und erfreut sich grosser Beliebtheit. Mit BIM werden prozessuale Abläufe bei der Planung und der Ausführung von (Bau-)Werken geändert, was durch die digitale Erfassung, Kombination und Vernetzung der Gebäudedaten bedingt ist. Neu wird das geplante Bauwerk als virtuelles digitales und elektronisches Modell generiert und geometrisch visualisiert. Dieser Umstand führt nicht selten zur Überforderung der betroffenen Parteien, die über das Auftauchen rechtlicher Probleme besorgt sind und sich die Frage nach der Tauglichkeit der bisherigen Regelungen des Bauprozesses stellen. Insbesondere beschäftigt sie eine allfällige Auswirkung von BIM auf die vertragliche Haftung der am Projekt beteiligten Planenden, die Ausgestaltung der Urheberrechte und die Vergütung der Leistungen. Das nachfolgende simple Beispiel belegt die Legitimität derartiger Sorgen:Fachplanende, Bauherrschaften, Unternehmende und Lieferanten speichern ihre Eingaben in einem Tool, das dann das Modell generiert. Auf der Grundlage des Modells werden sodann Rohre produziert. Nach der Produktion stellt sich (leider) heraus, dass die Rohre falsch dimensioniert sind. Fraglich ist, ob eine Möglichkeit zur Eruierung des Ursprungs der falschen Berechnungen, Dimensionierungen oder Zeichnungen besteht oder ob die Fehlerquelle aufgrund der Erfassung, der Kombinierung und der Vernetzung der eingegebenen Daten nicht mehr ermittelt werden kann.

Regelungen

Die Beziehung zwischen den an einem Bauvorhaben beteiligten Akteuren ist durch das schweizerische Obligationenrecht geregelt. Das Gesetz findet in jedem Fall respektive Bauprojekt Anwendung, unabhängig davon, ob nach dem klassischen Modell oder nach BIM vorgegangen wird. Allerdings bestehen in der Schweiz keine gesetzlichen Vorgaben über die Anwendung von BIM. Wer nach Regeln im Gesetz sucht, hat bereits verloren. Abhilfe schaffen in diesem Zusammenhang nur einige private Organisationen wie zum Beispiel der SIA oder Bauen digital Schweiz. Diese stellen entsprechende Hilfsmittel respektive vorformulierte Vertragswerke zur Verfügung.

Aus den obigen Ausführungen folgt eine fundamentale Erkenntnis: Die Regeln für den Umgang mit BIM sind im jeweiligen Vertrag zu suchen. Der von den Parteien abgeschlossene Vertrag ist die zentrale (Rechts-)Quelle.

Daraus folgt, dass den vorvertraglichen Vorbereitungen und der Vertragsausgestaltung eine noch grössere Aufmerksamkeit als bei klassischen Konstellationen zu schenken ist, um schleppenden Verhandlungen und bösen Überraschungen wirkungsvoll vorzubeugen.

Im Vorfeld der Vertragsverhandlungen drängt sich die Frage auf, ob der Auftraggeber Vorgaben über die anzuwendende Methode macht oder dem Planenden diesbezüglich völlige Freiheit gewährt. Denkbar ist sowohl die Bestellung einer gesamthaften Planungsleistung mittels BIM als auch nur die Bestellung von bestimmten digitalen Arbeitsergebnissen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Während der Vertragsverhandlungen sollten zudem folgende Punkte thematisiert werden: die anzuwendende Arbeitsweise, Zuteilung der Führungs- und Koordinationsaufgaben, Rechte für den Zugriff auf BIM und Kommunikation, Verwendung der Daten im Betrieb des Gebäudes sowie die Form der Daten.

Die Informationsanforderungen des Auftraggebenden (IAG) und der BIM-Projektabwicklungsplan (BAP) sind wertvolle Instrumente, auch das Merkblatt «BIM Vertrag, Rollen, Leistungen» von Bauen digital Schweiz liefert wichtige zu thematisierende Punkte. So sind beispielsweise allgemeine Projektorganisation, Projektphasen, Meilensteine, übergeordnete Projektziele, BIM-Strategien, BIM-Ziele des Bestellenden, Qualitätsanforderungen des Endprodukts, Rollen und Verantwortlichkeiten, Arbeitsweise, Daten, Softwares, Schnittstellen, Plattformen für Modell- und Datenaustausch, Koordination, Qualitätssicherung und Toleranzen vertraglich genau zu bestimmen und zu vereinbaren.

Vertrag

«Drum prüfe, wer sich ewig bindet … Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.» Die weisen Worte von Friedrich Schiller treffen besonders auf BIM-relevante Verträge zu. Der Wortlaut der Verträge ist eingehend zu prüfen, und die Formulierungen müssen präzise sein. Eine genaue Projektdefinition ist unabdingbar, genau wie die Erläuterung der durch die Anwendung der BIM-Methode verfolgten Ziele. Zu verifizieren ist ausserdem eine allfällige Verschiebung von Leistungen in andere Teilphasen. BIM-spezifische Leistungen sind besonders/explizit zu vereinbaren und deren Vergütung festzulegen. Ebenso haben sich die Parteien über das Nutzungsrecht an BIM, die Verantwortlichkeiten, das reibungslose Funktionieren des BIM, den Datenaustausch, die Datensicherung und die Aufbewahrungspflicht zu einigen. Eine Prüfung der Arbeitsergebnisse durch die Auftraggebenden ist ebenso festzulegen. Dabei sind die IAG zu den BIM-spezifischen Leistungen ein wichtiger Vertragsbestandteil. Hingegen ist der BAP mit den Projektbeteiligten als Vertragsgegenstand eher ungeeignet, da er sich ständig ändert. Leistungsanteile, Zahlungsplan, Vergütungsangabe der BIM-spezifischen Leistungen und allfällige Sonderleistungen wie BIM-Koordination und Betrieb des virtuellen Datenraums sind ebenfalls im Vertrag festzuhalten.

Der Vertragsstruktur ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken: Grundsätzlich sind sowohl Einzelverträge mit BIM-Zusatz als auch Mehrparteienverträge mit allen Beteiligten denkbar. Einzelverträge bergen die Schwierigkeit der Einheit, aus Mehrparteienverträgen geht das Risiko einer Solidarhaftung aller Beteiligten hervor (einfache Gesellschaft).

Die Parteien müssen darüber hinaus klären, ob die Bauherrschaft die BIM-Vorgaben macht oder ob diese zweiseitig vereinbart werden. Auch hier existiert keine Quadratur des Kreises: Wenn die Bauherrschaft die BIM-Vorgaben diktiert, lauert Einseitigkeit im Hintergrund. Wenn sich die Parteien darüber einig sein müssen, um Änderungen zu treffen, droht Starrheit.

Auswirkungen

Die Parteien haben es in der Hand, ob sich BIM auf die vertragliche Haftung der beteiligten Planenden, auf deren Urheberrecht und auf die Vergütung auswirkt. Wenn sie sorgfältige Unterlagen vorbereiten und Standards einhalten, wirkt sich BIM kaum auf die Haftung der Beteiligten aus. Jeder Schritt kann jederzeit zurückverfolgt werden. Es wird klar sein, wer welche Handlungen gemacht hat. Wenn sie hingegen nichts vereinbaren oder ungenaue Vereinbarungen treffen, wird es reichlich Arbeit für die Juristen geben. Die Urheberrechte werden durch BIM nicht tangiert, und bei der Vergütung gilt das Dogma: Grundleistungen sind im Honorar inbegriffen, besonders zu vereinbarende Leistungen sind zusätzlich zu honorieren.

Fazit

Die Herausforderung ist die Genauigkeit der Vereinbarungen: Bei der Anwendung des BIM-Modells ist diese noch wichtiger als sonst. Deswegen lohnt es sich, Juristinnen und Juristen beim Abschluss der Verträge beizuziehen, anstatt später Vereinbarungen auslegen lassen zu müssen. ●

«Der Wortlaut der Verträge ist eingehend zu prüfen, und die Formulierungen müssen präzise sein. Eine genaue Projektdefinition ist unabdingbar, genau wie die Erläuterung der durch die Anwendung der BIM-Methode verfolgten Ziele.»
«Die Beziehung zwischen den an einem Bauvorhaben beteiligten Akteuren ist durch das schweizerische Obligationenrecht geregelt. Das Gesetz findet in jedem Fall respektive Bauprojekt Anwendung …»
(K)eine Herausforderung
Rechtsanwalt lic. iur. Walter Maffioletti, MRICS, Counsel bei Vialex Rechtsanwälte, Zürich und Lugano
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