Bauliche Vertonung

Im italienischen Brixen – der ältesten Stadt Tirols und dem wirtschaftlichen Zentrum des Eisacktals sowie der drittgrössten Stadt Südtirols – hat das Architekturbüro Carlana Mezzalira Pentimalli die 1000 Lernende fassende Musikschule fertig­gestellt: eine 1961 gegründete Institution und ein Wahrzeichen für die gesamte Region.

Bauliche Vertonung
Um die Auswirkungen auf die Stadt­silhouette abzumildern, ist das oberste Stockwerk von den anderen Aussenfassaden zurückgesetzt.

Von Carlana Mezzalira Pentimalli (Text) und Marco Cappelletti (Bilder)

Die Musikschule Bressanone befindet sich im nördlichen Teil der Stadt, in der Nähe des alten Stadtkerns, und stellt das neue Tor zur Stadt Brixen dar. Es ist ein zentraler Punkt des Stadtteils Priel und beherbergt öffentliche Einrichtungen wie das städtische Schwimmbad Acquarena. Das Projekt ist Bestandteil eines übergeordneten Vorhabens, das den Bau einer neuen öffentlichen Tiefgarage auf zwei Ebenen im Norden mit einem städtischen Park auf dem Dach vorsieht. Ein Platz mit einer zusätzlichen unterirdischen Park­ebene, welche die Brenner-Staatsstrasse, eine alte Verbindungsstrasse zwischen Österreich und Italien, mit dem städtischen Schwimmbad und der historischen Stadt verbindet, bildet das südliche Gegenstück.

Bauliche Vertonung
Die Schule befindet sich im westlichen Teil der gesamten Anlage.

Als Knotenpunkt für unterirdische Verkehrsströme und Fussgängerwege auf allen Ebenen sowie als Nordseite des künftigen Platzes, der im Osten von einer Kletterwand und dem städtischen Schwimmbad umgeben ist, gewährleistet die Musikschule eine angemessene räumliche Ausrichtung zur Vervollständigung des neuen Stadtplans, löst das orografische Dilemma und lässt die Höhenunterschiede verschwinden. Auf diese Weise werden alle Bereiche miteinander verbunden und leicht zugänglich gemacht, indem der Platz mit dem Parkbereich, den Gebäuden der Musikschule und den Räumen der Banda Musicale sowie des Alpenvereins in einem kompakten Volumen mosaikartig angeordnet wird. Das Ergebnis ist ein durchgehendes Parterre, das sich über mehrere Ebenen erstreckt.

Visuelle Kontinuität
Die Schule befindet sich im westlichen Teil der gesamten Anlage und erstreckt sich über drei oberirdische Stockwerke und einen Teil des Untergeschosses. Um die Auswirkungen auf die Stadtsilhouette abzumildern, ist das oberste Stockwerk von den anderen Aussenfassaden zurückgesetzt, wodurch ein optischer Effekt erzielt wird, der das Gebäude weniger dominant erscheinen lässt.

Bauliche Vertonung
Integrierte Einrichtungsgegenstände aus dunkel gebeiztem Eichenholz erinnern an die Tischlerarbeiten in den Räumen des Bischofspalastes in Brixen.

Die Mauerung umgibt zusammen mit dem Gebäudevolumen der Schule den östlich gelegenen Hof und wurde als zweigeschossiges Volumen konfiguriert, in dem unter anderem Treppen zur Erschlies­sung untergebracht sind. Auf diese Weise werden die Höhenunterschiede aufgelöst und eine visuelle Kontinuität zwischen dem Platz und dem künftigen Priel-Park gewährleistet, während die Tiefenwirkung in Richtung der Berge im Norden und Süden des Geländes ungebrochen bleibt. Der jederzeit für die Öffentlichkeit zugängliche Hof beherbergt eine Reihe von Verbindungseinrichtungen und kollektiven Dienstleistungen wie Kioske und Lager.

«Eine der Besonderheiten des Projekts ist der ‹Garten der Musik›, ein fein dekorierter Raum unter freiem Himmel, der sich innerhalb der Umzäunung und doch ausserhalb des Volumens der Schule befindet und die Grenze zwischen innen und aussen aufhebt. Es ist der ehrgeizige Versuch, einen städtischen Raum zu zähmen. Deshalb der Name ‹Wunderkammer› in Anlehnung an die historische Epoche, in der sich die privaten Sammlungen der Bevölkerung öffneten und ‹Mirabilia› dort zugänglich machten, wo sie früher nur für wenige offen waren. Auf die gleiche Weise haben wir die Architektur als ein gemeinschaftliches Umfeld verstanden, das allen zur Verfügung steht», erklären die Architekten Michel Carlana, Luca Mezzalira und Curzio Pentimalli.

 

Räumliche Aufteilungen
In direkter Beziehung zum Garten und zur künftigen Piazza Priel befinden sich der Eingang der Schule und das grosse Foyer zur unmittelbaren Orientierung im Süden des Gebäudes. Die Verwaltung liegt vollständig im Erdgeschoss und ist gleich ausgerichtet. Ein Saal mit Bühne befindet sich im Erdgeschoss, diese ist teilweise in den Boden eingelassen, der Saal ist für öffentliche Konzerte vorgesehen. Im Erdgeschoss sowie im 1. und 2. Obergeschoss befinden sich 29 Musikräume. Die Treppen und Verbindungselemente – als durchgängiges System vom Eingangs­foyer aus konzipiert – führen durch alle Ebenen der Schule. Die Räume und Verteilungselemente sowie der grosse zentrale Korridor, von dem die Klassenräume abzweigen, werden von einem grossen Oberlicht erhellt, das dank doppelter Höhen das gesamte Volumen mit natürlichem Licht durchflutet. Sie wurden zudem als Räume der Aggregation sowie als Warte-, Lern- und Begegnungsbereiche für die Schüler konzipiert.

Bauliche Vertonung
Ein Saal mit Bühne befindet sich im Erdgeschoss, diese ist teilweise in den Boden eingelassen, der Saal ist für öffentliche Konzerte vorgesehen.

Im Untergeschoss, das über den Lastenaufzug der Schule, einen öffentlichen Aufzug und eine Treppe im Nordosten des Gebäudes zugänglich ist, befinden sich Technik- und Lagerräume für die Schule und die Stadtverwaltung von Brixen. Ein Tunnel unter dem Innenhof stellt die künftige Verbindung mit den Strassen dar, die durch den Priel-Parkplatz entstehen. Im Vergleich zur Monumentalität der Aussenfassaden setzte man im Inneren auf Vertrautes, um dem Charakter einer historischen Stätte der Stadt gerecht zu werden. Das grosse Eingangsfoyer und die Verteilerräume erscheinen als grosszügige und einladende Räume, in denen man sich dank der mit kostbarem hellgrauem Marmor gekennzeichneten Öffnungen und Durchblicke zurechtfindet. Einladende Sessel mit gepolstertem Stoff sind strategisch in der Nähe der Servicebereiche platziert. Sie sind vollständig mit Tapeten in neutralen Farben bedeckt, die an jene Wandteppiche in den Räumen des Bischofspalastes in Brixen erinnern. Die vertikalen Erschliessungszonen und die in das Gebäude integrierten Einrichtungsgegenstände aus dunkel gebeiztem Eichenholz erinnern an die Tischlerarbeiten jener Gebäude im historischen Stadtzentrum. Tageslicht fällt durch gewellte Vorhänge in sanften Pastellfarben und mit schallschluckenden Eigenschaften.

Bauliche Vertonung
Im Erdgeschoss sowie im 1. und 2. Obergeschoss befinden sich 29 Musikräume. | Einladende Sessel mit gepolstertem Stoff sind strategisch in der Nähe der Service­bereiche platziert.

In Kombination
Mit sorgfältig ausgewählten Elementen, authentischen Materialien und einem einfachen Konstruk­tionssystem hat das Studio ein Projekt von grosser technischer und ästhetischer Qualität geschaffen, das die Tradition und die Materialien der Region respektiert. Das vollständig in Sichtbeton errichtete Gebäude ohne Verkleidungen zeigt eine überraschende Übereinstimmung zwischen Struktur und Architektur. Durch die Beigabe von Farbzuschlägen und Pigmenten zum Beton erhält der Komplex eine Farbe und Textur, die sich hervorragend mit den Bräuchen und traditionellen Materialien verbinden.

Bauliche Vertonung
Durch die Beigabe von Farbzuschlägen und Pigmenten zum Beton erhält der Komplex eine Farbe und Textur, die sich mit traditio­nellen Materialien verbinden.

In diesem Projekt des Architekturbüros Carlana Mezzalira Pentimalli vereinen sich Kunst, Architektur, Ingenieurwesen und Stadtplanung zu unzertrennlichen Elementen – in der Überzeugung, dass Architektur nicht diktieren, sondern mit Bezug auf die Stadt gesellschaftlich relevant fungieren muss. ●

Bauliche Vertonung Bauliche Vertonung Bauliche Vertonung

(Visited 93 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema