Haus für die Kunst

Nach rund vier Jahren Bauzeit ist der Erweiterungsbau des Museums Küppersmühle (MKM) im deutschen Ruhrgebiet von Herzog & de Meuron nun fertiggestellt.

Haus für die Kunst
Das MKM ist ein markantes Indus­triedenkmal aus dem 19. Jahrhundert, das seinerzeit als Mühlenbetrieb errichtet und bis zur Stilllegung 1972 als solcher betrieben wurde. Fotos: Simon Menges

Aussen Ziegel, innen White Cube: Der Erweiterungsbau des MKM verbindet Industriekultur mit Mu­seumsarchitektur der Gegenwart. Wie bereits beim Umbau der historischen Küppersmühle zum Museum (1999) haben sich Herzog & de Meuron am ­Bestand des MKM und an der Architektur des ­Innen­hafens orientiert. Drei unterschiedlich hohe Baukörper schreiben den vorhandenen Museumsbau fort und fügen sich zu einem neuen Kopfbau, der die gesamte Gebäudezeile des Hafenbeckens harmonisch abschliesst. Der Neubau mit seiner markanten roten Backsteinfassade mündet in einen Platz mit 35 neu gepflanzten Platanen – eine grüne Oase in der Stadt. Im Inneren lässt eine Abfolge von 36 hellen, klar strukturierten Sammlungsräumen der Kunst viel Raum zum Wirken. Im Zuge des Erweiterungbaus wurden auch die historischen Silos erschlossen und in den Bau integriert. Hier schaffen Brücken im 1. und 2. OG die Verbindung zwischen den neuen und den bereits existierenden Räumen. Die Silos selbst bleiben in der äusseren Optik wie in ihrer weitestgehend ursprünglichen Materialität als Industriedenkmal erhalten. Eine Plattform auf den Silos, die je nach Jahreszeit und Witterungslage begehbar ist, bietet einen weiten Blick über das Ruhrgebiet. «Der Erweiterungsbau reiht sich in die Kette der eindrucksvollen historischen Backsteinbauten entlang des Hafenbeckens ein und komplettiert so den bestehenden Museumskomplex. Zugleich definiert der neue Kopfbau den Abschluss der gesamten Gebäudezeile am Hafenbecken. Das neue Projekt ist eine integrierte und ergänzende Architektur», erläutern die Architekten.

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Der Erweiterungsbau reiht sich in seiner Massstäblichkeit und Materialisierung in die Kette der eindrucksvollen historischen Backsteinbauten entlang des Hafenbeckens ein.

Schwerpunkt der Bereiche

Ermöglicht wurde das Vorhaben durch das Engagement der privaten MKM-Stiftung, die von Sylvia und Ulrich Ströher gegründet wurde. Die Sammlerin und der Sammler haben massgeblich an der Auftaktplanung der Ausstellungsräume mitgewirkt. Im Neubau liegt der Schwerpunkt auf Informel und Abstraktion deutscher Künstler, ergänzt durch einige Positionen europäischer Nachkriegskunst. Im grossen Saal des 3. OG des Erweiterungsbaus sind Arbeiten von Erwin Bechtold zu sehen, als Reminiszenz an seine pandemiebedingt abgebrochene Ausstellung von 2020.

Im Wandel zum multifunktionalen Dienstleistungsareal

Das MKM ist ein markantes Industriedenkmal aus dem 19. Jahrhundert, das seinerzeit als Mühlenbetrieb errichtet und bis zur Stilllegung 1972 als solcher betrieben wurde. Auf Grundlage des vom britischen Architekten Sir Norman Foster entwickelten Masterplans für den Duisburger Innenhafen erfolgte im Rahmen der internationalen Bauausstellung ­«Emscher Park» (1989 bis 1999) die Umgestaltung der einstigen Industriebrache zu einem multifunk­tionalen Dienstleistungsareal am Wasser – mit Büro- und Wohnflächen, Gastronomie-, Kultur- und Freizeitangeboten. Aus der Küppersmühle wurde das Museum Küppersmühle für moderne Kunst. Beauftragt mit dem Umbau wurden die Basler Architekten Herzog & de Meuron. Sie verwandelten von 1997 bis 1999 das alte Speichergebäude mit seiner historischen Backsteinfassade in ein Haus für die Kunst, das alle Anforderungen eines modernen Museums erfüllt – bis dato mit einer Ausstellungsfläche von rund 36 00 m² auf drei Etagen, deren Architektur sich durch Klarheit und Reduktion auf das Wesentliche auszeichnet. Spektakulär ist der Treppenturm aus gewundenem, terrakottafarbenem Beton, der im Inneren einer Skulptur gleicht und den Blick sogartig nach oben zieht. Auch im Neubau findet sich ein solches als Pendant.

 

Namensgebend

Die Gründung eines Mühlenbetriebs im Jahr 1860 auf dem Areal des heutigen Museums Küppersmühle geht auf den Unternehmer Wilhelm Vedder zurück, einen der Väter des Duisburger Innenhafens. 1900 wurde die erste Mühle unter Einsatz seinerzeit modernster Technik am Innenhafen, dem «Brotkorb des Ruhrgebiets», in Betrieb genommen, 1908 ersetzte man die ersten Gebäude durch den – heute zum Museum umgestalteten – dreiflügeligen Neubau. Das Unternehmen wurde 1912 von den Werken Werner & Nicola übernommen, die das Kesselhaus mit Schornstein ergänzten. Die angrenzenden Stahlsilos wurden in den 1930er-Jahren errichtet. Die Fusion mit den Homberger Küpperswerken erfolgte 1969. Sie gaben der Mühle und dem heutigen Museum ihren Namen. Im Jahr 1972 wurde der Mühlenbetrieb stillgelegt.

Das Museum Küppersmühle, ein Projekt von Herzog & de Meuron aus dem Jahre 1997, setzte den ersten Meilenstein in der Umgestaltung des alten ­Innenhafens zu einem Anziehungspunkt städtischen Lebens. Aus dem ehemaligen Mühlen- und Speichergebäude Küppersmühle mit seiner historischen Backsteinfassade wurde das MKM. Dieses ­bildete den Kern für eine hochwertige, innerstädtisch heterogene Nutzung des Areals. Initiiert durch die Stiftung für Kunst und Kultur e. V. Bonn, beherbergt die Küppersmühle seit 1999 als Museum für moderne Kunst eine der bedeutendsten Sammlungen deutscher Kunst aus den Fünfzigerjahren bis heute.

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Die neuen Ausstellungsvolumen fügen sich in die bestehende, additive Gesamtkomposition der Küppersmühle.

Projekterweiterung

Im Jahr 2008 sollte auf den Silotürmen ein Erweiterungsbau für die Sammlung Ströher erfolgen. Wegen der grob mangelhaften Ausführung und der Insolvenz der beteiligten Stahlbaufirma konnte das Stahlskelett jedoch nie auf die Silos gehoben werden. Die Bauarbeiten wurden eingestellt und das Projekt aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten seitens der Bauherrin Gebag gestoppt. Der Gebäudekomplex ging in den Besitz von Ströher über. Im Jahr 2013 erfolgte der Start des Erweiterungsprojekts unter der direkten Bauherrschaft der Familie Ströher. Dafür wurde von Herzog & de Meuron in einer vorgeschalteten Machbarkeitsstudie das Potenzial einer Erweiterung unter den heutigen Gegebenheiten untersucht.

Das neue Projekt ist ein Neuanfang. Das ursprüngliche Konzept eines weithin sichtbaren, auf den Silos balancierenden Leuchtkubus wird nicht weiterverfolgt. Stattdessen reiht sich der Erweiterungsbau in seiner Massstäblichkeit und Materialisierung in die Kette der eindrucksvollen historischen Backsteinbauten entlang des Hafenbeckens ein und komplettiert so den bestehenden Museumskomplex. Zugleich definiert der neue Kopfbau den Abschluss der gesamten Gebäudezeile am Hafenbecken.

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Der innere Ausbau und die Architektur der Ausstellungsräume orientieren sich an den bestehenden Sälen und setzen diese fort.

Am Bestand orientiert

Es sind drei unterschiedlich hohe Baukörper mit 33,5 Meter, 30,5 Meter und 27,5 Meter, die sich hinsichtlich Volumetrie, Höhenentwicklung und Materialisierung am Bestand orientieren und diesen zu einem stimmigen Gesamtkomplex fortschreiben. Zwei Kuben beinhalten dabei die Ausstellungsflächen, der dritte Baukörper dient der Erschliessung, der Versorgung und dem Art-Handling. Es entstehen eine zusätzliche Bruttogeschossfläche von etwa 4900 m² auf vier oberirdischen Geschossen und einem Untergeschoss und eine Ausstellungsfläche von rund 2500 m².

Prägend auf die Volumetrie wirkt sich dabei die 40-Meter-Anbauverbotszone zur Autobahn aus. Der durch ein zusätzliches Volumen ergänzte, übergeordnete Ausstellungskubus sowie die Nebennutzungsfläche nehmen diese Baugrenze auf und nutzen die zur Verfügung stehende Fläche optimal aus. Die additiv zusammengefügten Baukörper bleiben dabei jeweils klar ablesbar. Das oberste Geschoss (3. OG) orientiert sich im Bereich des oberen Abschlusses am bestehenden Hauptbaukörper.

Der Erweiterungsbau wird mit Brücken in den ­Silos im 1. und 2. OG unmittelbar an die bestehenden Ausstellungsgeschosse angeschlossen, sodass sich eine Durchgängigkeit der Wegebeziehung ergibt. Die Höhe der neuen Ausstellungsräume orientiert sich direkt am Bestand. Die Silos werden zu einem räumlichen Verbindungs- und Erschliessungselement zwischen dem bestehenden Museum und der direkt an die Silos angrenzenden Erweiterung zu einem beeindruckenden Ausstellungsraum umfunk­tioniert. Sie bleiben aber in ihrer rohen, ursprüng­lichen Materialität erhalten. Die Silos, die längst nicht mehr gebraucht werden, sind unverzichtbarer, plastischer Bestandteil des Industriedenkmals ­Küppersmühle. Als Erschliessungselement und Ausstellungsraum erhalten sie nun einen neuen Verwendungszweck und sind nicht bloss dekorative Versatzstücke. Durch die zuvor herausgenommenen sechs inneren Silos und die grosszügige Deckenöffnung über dem Erdgeschoss sowie die Brückenverbindungen wird der Siloraum für den Besucher über die gesamte Höhe sicht- und erlebbar. Ausserdem werden die Silos über die zum Teil offenen Aus­stellungs- und Galerieflächen erfahrbar. Die Fassadenöffnungen zum Innenhafen und in Richtung ­Philosophenweg bieten, wie in den bestehenden Ausstellungsräumen, vielfältige Einblicke und vor allem einen eindrucksvollen Ausblick in die Umgebung. Ziegel als Fassadenmaterial nimmt die Mate­rialität des bestehenden Komplexes auf.

 

Innerer Ausbau

Das ergänzende Treppenhaus ermöglicht eine ­kontinuierliche Besucherzirkulation und einen geschlossenen Museumsrundgang. Es nimmt konzeptionell und räumlich Bezug zum Treppenhaus des ersten Museumsprojekts von 1999. Die neuen Ausstellungsvolumen fügen sich in die bestehende, additive Gesamtkomposition der Küppersmühle, einer typischen Industrieanlage des 19. und 20. Jahrhunderts. Der innere Ausbau und die Architektur der Ausstellungsräume orientieren sich an den bestehenden Sälen und setzen diese fort. Der nicht ­direkt über den Bestand angebundene obere Ausstellungsraum ist als Oberlichtsaal mit sichtbarer Shed-Konstruktion konzipiert. Die räumliche Struktur der Ausstellungsgeschosse ist so ausgelegt, dass eine vielfältige und flexible räumliche Nutzung und Bespielung möglich ist. Der obere Abschluss des Silos wird, ähnlich seiner ursprünglichen Erscheinung in den Dreissigerjahren, mit einem Aufbau ergänzt und erhält als extern von der Innen­hafenpromenade zugäng­liche Aussichtsplattform eine neue Nutzung.

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Erdgeschoss
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Obergeschoss

museum-kueppersmuehle.de

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