Basels neue «Bau»- Reihe

Basel baut mit Herzog & de Meuron als Architekten. Die bewährte Kombination setzt sich beim Bürohochhaus Bau 2 sowie beim Forschungs- und Entwicklungszentrum von Roche fort. Die städtebauliche Entwicklung Basels schreitet weiter voran.

Herzog & de Meuron
Mit dem Forschungszentrum und Bau 2 werden erneut Prestigeprojekte von der F. Hoffmann-La Roche AG in Basel in Zusammenarbeit mit Herzog &de Meuron und weiteren Planungsfirmen realisiert. Foto: Roche, Beat Ernst
Morris Breunig (Text), Roche, Beat Ernst (Bilder) und Herzog & de Meuron (Visualisierungen)
Basel baut mit Herzog & de Meuron als Architekten. Die bewährte Kombination setzt sich beim Bürohochhaus Bau 2 sowie beim Forschungs- und Entwicklungszentrum von Roche fort.
Die städtebauliche Entwicklung Basels schreitet weiter voran. Nach Bau 1 wird mit Bau 2 erneut ein Prestigeprojekt von der F. Hoffmann-La Roche AG in Basel in Zusammenarbeit mit Herzog & de Meuron und dem Generalplaner Drees & Sommer realisiert.Das Gebäude fasst 50 oberirdische Stockwerke und 3 Untergeschosse. Für bis zu 3400 Mitarbeitende stehen flexible Arbeitsplätze – «Activity Based Working» – zur Verfügung. Die in Dreiergruppen unterteilten Bürogeschosse sind über Wendeltreppen verbunden. Zusätzlich zu den Büroetagen gibt es fünf Stockwerke für Besprechungs- und Konferenzräume, Café, Bistro und Topfloor-Cafeteria sowie Batterieladestationen für E-Bikes im Keller.

Die im Fall von Bau 2 eingesetzte Closed-Cavity-Fassade minimiert den Energieeintrag und -verlust. Damit sollen die Gebäude bereits in den ersten Betriebsjahren die prognostizierten tiefen Energiekennzahlen eines Green Building erreichen.

Kollisionen reduzieren

Die BIM-Methode stellt in der Planung von Bau 2 einen durchgängigen Prozess von der Konzeption über die Planung und Ausschreibung bis zur Ausführung und Inbetriebnahme sicher. «Alle Disziplinen innerhalb des Projektteams arbeiten mit BIM. Auch die Unternehmer müssen in der Lage sein, auf Basis ihres jeweiligen BIM-Teilmodells ihre Konstruktionspläne zu erstellen», erklärt Claus Herrmann, Projektleiter Bau 2.

BIM ermöglicht zunächst einen höheren Detaillierungsgrad, wodurch beispielsweise die Aufhängungssysteme für Decken, Rohrleitungen und Trassen sowie die Ständer des Doppelbodens mitmodelliert werden. Damit kann das Risiko von Koordinationsfehlern und Kollisionen stark reduziert werden. Durch den Einsatz von Virtual Reality können Layouts und Installationen sowie deren Zugänglichkeit einfacher und schneller überprüft werden.

Der Construction Manager nutzt ein 4-D-Modell, das den Terminplan mit dem 3-D-Modell verknüpft. Hierdurch lassen sich im Bauablauf sehr einfach Abhängigkeiten erkennen. Das 4-D-Modell enthält die Logistik mit Kränen, Liften, Umschlags- und Lagerflächen, um die Arbeiten effizient zu koordinieren und Flächen zuweisen zu können.

BIM befähigt zudem die Unternehmer, das BIM-Modell in ihrer Werk- und Montageplanung zu verwenden, ihren Vorfertigungsgrad zu steigern und damit auf der Baustelle eine höhere Produktivität zu erreichen, was sich wiederum positiv auf die Baukosten und auf die Reduktion von Nachträgen auswirkt.

Sensorische Regelung

Im fertigen Gebäude dienen Tausende Sensoren einer effektiven und effizienten Bewirtschaftung mit BIM. Sie gewährleisten den optimierten Betrieb der Bauwerke und das Energiemanagement, generieren aber für die Nutzenden auch Real-Time-Informationen. Wo im Gebäude freie Arbeitsmodule verfügbar sind, ist also leicht ersichtlich. Optische Sensoren in Sitzungszimmern sichern den Betrieb der Lüftungsanlagen. Zudem steuern sie das Licht in Abhängigkeit der Zahl der darin befindlichen Personen und melden für ein optimales Flächenmanagement die Frequenz der Belegung an das Real-Estate-Management.

Strukturierte Aufgabenverteilung

Mit der BIM-Methode ergeben sich auch Vorteile hinsichtlich der Strukturierung und der Zeitabläufe. Wie die unterschiedlichen Projektbeteiligten zusammenarbeiten, ist im BIM-Execution-Plan (BEP) festgehalten. In der Regel ist der Generalplaner bei Roche-Grossbauprojekten zugleich BIM-Manager und BIM-Koordinator. Jene Person ist für das Gesamtmodell, die BIM-Datenbank und für die Abstimmung der Prozesse sowie die Tools verantwortlich.

Durch das gemeinsame 3-D-Modell werden grosse Bauteile, wiederholende Module und Baugruppen «programmiert» respektive gescriptet und nicht mehr konventionell gezeichnet. Eine Schablone beschleunigt die Modellerstellung um ein Vielfaches. «Im Unterschied zur konventionellen Planung werden die Gewerkemodelle tagesaktuell auf einer Cloudplattform gewerkübergreifend referenziert und zu einem Stichzeitpunkt zur Kollaboration fixiert. Ein Modelchecker übernimmt eine erste Qualitätssicherung», erklärt Herrmann. Weitere Qualitätschecks finden mit der 3-D-Brille im virtuellen Raum statt. «Wird ein Fehler erkannt, hängt der Prüfer im virtuellen Raum einen roten Zettel an das entsprechende Detail. Der Konstrukteur sieht das zeitgleich im Backoffice und beseitigt den Fehler. Der rote Zettel wird grün, und der Prüfer erkennt das bei seiner nächsten Begehung», schildert Herrmann den weiteren Ablauf. Prüfungen und Qualitätschecks werden so effizienter, zeitsparender und können in der digitalen Welt parallel erfolgen.

Ortsunabhängige Kollaboration

Modelchecker und Kollisionschecks reduzieren die Fehler bereits in der Planung. Modell- und Plan-Reviews können in der digitalen Welt parallel erfolgen. In den anschliessenden Design-Koordinationsmeetings wird nur noch im virtuellen Raum über die Lösung entschieden. «Wir sparen grosse Mengen an Papier und Reprokosten. Bei Unklarheiten kann ich mich ortsunabhängig mit dem Planer von Bau 2 im digitalen Zwilling treffen und Fehler oder Vorschläge diskutieren», erklärt der Projektleiter. Die Auftraggeber-Informationsanforderungen werden bei Roche in sogenannten Deliverables-Listen und in den zugehörigen Leistungsverzeichnissen detailliert beschrieben. Geometrische 3-D-Modellierung im LOG (Level of Geometry) und Attribuierung im IDM (Information Delivery Manual) sind zudem pro Phase festgeschrieben.

Auch für die Betriebsphase von Bau 2 ist man laut Herrmann gewappnet: «Augmented Reality zeigt beispielsweise die über der abgehängten Decke oder im Doppelboden versteckten Installationen, ohne diese zu öffnen. Im Fall eines notwendigen Umbaus können die Nutzenden bereits frühzeitig per 3-D-Brille Vorschläge einsehen.»

Nach der Fertigstellung 2022 wird Bau 2 mit 205 Metern das neue höchste Gebäude der Schweiz sein und damit Bau 1 (178 Meter) überragen.

Forschungs- und Entwicklungszentrum

Mit dem pRED Innovation Center erhält das Roche-Areal zudem ein Forschungs- und Entwicklungszentrum, das die «Baureihe» von Bau 4 bis Bau 7 fortführt. Rund 1800 Büro- und Laborarbeitsplätze werden dort künftig zur Verfügung stehen. Der Neubau soll die notwendige Forschungsinfrastruktur am Firmenhauptsitz in Basel sicherstellen. Bau 6 und Bau 7 werden zudem die höchsten, bisher geplanten Laborhochhäuser. Jede Einheit umfasst drei Stockwerke – Neighborhoods – für rund 140 Forschende und bietet eine übersichtliche Strukturierung. Dabei beinhalten die Geschosse sowohl Labor-, Büro- als auch weitere Begegnungsbereiche.

Effizient planen und umsetzen

BIM ist im Forschungszentrumsprojekt pRED Innovation Center ebenfalls die zentrale Planungsmethode und unterstützt wesentlich den interdisziplinären Planungsprozess sowie die Ausführung und den Betrieb der Gebäude. Auch hier unterstützt algorithmisches Zeichnen das modulare Planen. Wiederkehrende Module können so effizient gezeichnet werden, und der hohe Detaillierungsgrad verspricht eine Werks- und Montageplanung mit geringerem Aufwand. «Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Markt entsprechend vorbereitet ist und die Schnittstellen der Planung erkennbar sind», erklärt Marcus Hablützel, Projektleiter pRED Innovation Center.

Flexible Gebäudekonzepte, die während der Planung innerhalb des 3-D-Modells simuliert werden, ermöglichen unterschiedliche Nutzungen. Künftige Mitarbeitende und Betreiber helfen bei der Entscheidungsfindung. Auch die Arbeitsplatzausgestaltung im Laborbereich, Arbeitswege und Materialzuführung können frühzeitig wahrgenommen und optimiert werden, wodurch Änderungen nach dem Bezug erheblich reduziert werden können. Der Planungsaufwand bezüglich Koordination ist bei Laborgebäuden aufgrund vielfältigeren Anforderungen wie Medienversorgern und Materialmanagement sowie anderer Besonderheiten einer Laborumgebung wesentlich höher als bei einem Bürogebäude wie Bau 2. Der Koordinationsaufwand und die Komplexität steigen mit der erhöhten Installationsdichte und den Ansprüchen an die flexible Umbaubarkeit in der Betriebsphase.

Smart Building

Für die Umsetzung eines Smart Building ist eine projekt- und fachübergreifende interne Arbeitsgruppe für die Integration neuer Betriebsbedürfnisse (Use-Cases) zuständig. Die Use-Cases werden geprüft, und nur diejenigen mit deutlichem Mehrwert für Betrieb oder Mitarbeitende werden umgesetzt. In der Planung wurde durch verschiedene «Umbauszenarien» dem späteren flexiblen Umbau Rechnung getragen. Allein im Forschungszentrum ermöglichen rund 4000 Sensoren den optimalen Betrieb. Ein Teil davon ist dem Smart Building zuzuordnen. So werden beispielsweise mit Beacons ausgestattete WLAN-Antennen die Indoor-Navigation oder die Inventarlokalisierung ermöglichen. Um die beste räumliche Infrastruktur für die Mitarbeitenden bereitzustellen, können auch Daten zur Belegung von Besprechungsräumen und Arbeitsplatzumgebungen anonym erfasst werden. Mit diesen Informationen kann das Facility-Management besser auf Arbeitsplatzbedürfnisse eingehen und geeignete Lösungen anbieten. Weitere Sensoren sind für die Gebäudeautomation, die Wartung und die Störungsmeldung zuständig.

Punktgenau zuführen

Das BIM-Modell ist zudem Teil der Logistikplanung. Material und Mensch sollen punktgenau den Arbeitsbereichen zugeführt werden. «Die begrenzten Lagerflächen innerhalb des Baufeldes und des Roche-Areals sowie die eingeschränkte Transportkapazität in den Hochhäusern machen eine umfangreiche terminplanbasierte Vorplanung anhand des 3-D-Modells erforderlich. Waren- und Personenströme auf der Baustelle werden über eine ausgeklügelte Logistiksoftware, die das 3-D-Modell und die Terminplanung vereint, von der Lieferung bis zur Montage gesteuert (4-D-BIM). Erst das ermöglicht es dem Projektteam, die begrenzten Transportkapazitäten vertikal und horizontal optimal zu nutzen», erklärt Hablützel. Eine geplante Vorfertigung und Vorkonfektionierung von Bauteilen ausserhalb der Baustelle soll die Montagezeiten im Arbeitsbereich auf den Stockwerken reduzieren.

Betriebsphase im Blick

Ein 3-D-BIM-Modell unterstützt während der Nutzungsphase die Planungs- und Entscheidungsprozesse für ein effizientes Facility-Management. Auch Umbaumassnahmen werden dadurch erleichtert, da die Ist-Situation ohne Begehung erfasst werden kann. Die Verortung verschiedener Einbauobjekte wie Ventile und Absperrvorrichtungen erleichtert die anschliessende Lokalisierung während einer Begehung der realen Gebäude. Anlagenobjekte zur Wartung erhalten dabei eine eindeutige Kennzeichnung im digitalen Modell.

Hablützel sieht die Verwendung der BIM-Methode an den «Bau»-Gebäuden auch als Innovationsanstoss für die gesamte Baubranche, weil diese im Zeitalter der Digitalisierung unverzichtbar sei. Gleichzeitig warnt der Projektleiter: «Es gilt, den Grad des BIM-Einsatzes genau abzuwägen und den Mehrwert für die einzelnen Use-Cases zu erkennen. BIM befindet sich weiterhin in der Entwicklung und hat das Potenzial in Bezug auf effizientes Planen, Bauen und Betreiben noch nicht vollständig ausgeschöpft. Die unterschiedlichen Teilnehmer müssen sich gegebenenfalls neu organisieren und Abläufe ändern. Zudem muss Personal geschult werden, um den Mehrwert und die Effizienz voll auszuschöpfen.» Denn BIM ist am effizientesten, wenn die gesamte «Informationslieferkette» und die Schnittstellen zwischen Planung, Ausführung und Betreiber klar definiert sind und sich alle strikt an die Prozesse halten. ●

Der BIM-Execution-Plan (BEP) sieht unter anderem folgende Projektbestandteile vor:

– Definition der BIM-Projektorganisation
– Aufbau der Projektumgebung (closed BIM-Ansatz) und Definition Software von Datenaustausch und Austauschprozessen (Definition der Datadrops und Koordination des digitalen Planungsablaufs)
– Aufsetzen der BIM-Prozesse in Abstimmung mit den Fachplanern und der Bauherrin
– Definition eines gemeinsamen Projektverständnisses hinsichtlich der digitalen Planungsmethoden
– Definition des Information Delivery Manuals (IDM) für die Planungsphasen hinsichtlich der unterschiedlichen Gewerke und Bauteile, Definition der Lieferzeitpunkte, Definition der Autorenschaft, Erstellung von Shared-Parameter-Sets usw.
– Festlegungen diverser qualitätssichernder Prozesse wie QS-Modellinhalte, Datenprüfungen, Aufbau von Modellierungsregeln und regelbasierter Prüfungen mit Solibri, Kollisionsprüfungen mit Navisworks, Definition von Levels of Geometry + Information (LOG + LOI) für die einzelnen Projektphasen, Synchronisierung von Architektur- und Tragwerkmodellen, Koordination und Qualitätssicherung der Schlitz- und Durchbruchplanung, skriptbasierte Datenmodellierung

Nutzung und Kennzahlen

Höhe 205 m
Stockwerke 49 + EG (+ 3 UG)
Büroarbeitsplätze ca. 2400
Investitionsvolumen ca. 550 Mio. CHF
Sondernutzungen Topfloor-Cafeteria (47. OG), Cafeteria mit Aussenterrasse (12. OG), zentraler Konferenzbereich (1./2. OG), Cafébar / Visitor Center / Lobby (EG)

Herzog & de Meuron
Nach der Fertigstellung 2022 wird Bau 2 mit 205 Metern das neue höchste Gebäude der Schweiz sein und damit Bau 1 (178 Meter) überragen. Foto: Roche, Beat Ernst
Herzog & de Meuron
Die in Dreiergruppen unterteilten Bürogeschosse sind über Wendeltreppen verbunden. Foto: Roche, Beat Ernst
Herzog & de Meuron
Im virtuellen Raum finden Qualitätschecks statt. Foto: Roche
Herzog & de Meuron
Das Roche-Areal wird das Stadtbild von Basel massgeblich prägen. Foto: Roche; Visualisierung: Herzog & de Meuron
Herzog & de Meuron
Für bis zu 3400 Mitarbeitende stehen im Bau 2 flexible Arbeitsplätze – «Activity Based Working» – zur Verfügung. Foto: Roche; Visualisierung: Herzog & de Meuron
Herzog & de Meuron
Rund 1800 Büro- und Laborarbeitsplätze werden künftig im pRED Innovation Center zur Verfügung stehen. Foto: Roche; Visualisierung: Herzog & de Meuron
Herzog & de Meuron
Zusätzlich zu den Büroetagen gibt es in Bau 2 fünf Stockwerke unter anderem für Besprechungs- und Konferenzräume, Café, Bistro und Topfloor-Cafeteria. Foto: Roche; Visualisierung: Herzog & de Meuron
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