Geringe Bodenhaftung

Integral mit BIM geplant – für einen effizienten Planungsverlauf. Das neue Firmengebäude im italienischen Bozen mit einem Tragwerk als architektonischer Ausdrucksform ist städtebaulich identitätsstiftend.

BIM geplant
Die BIM-Methode war für die Planung essenziell.
Morris Breunig (Text) und ATP / Becker (Bilder)
Integral mit BIM geplant – für einen effizienten Planungsverlauf. Das neue Firmengebäude im italienischen Bozen mit einem Tragwerk als architektonischer Ausdrucksform ist städtebaulich identitätsstiftend.

Das von 2017 bis 2019 realisierte Gebäude ging aus einem Wettbewerb hervor, den ATP architekten ingenieure 2016 für sich entscheiden konnte. Das unweit der Bozner Innenstadt gelegene Firmengebäude ist Teil eines Revitalisierungsprojekts des Gewerbegebiets Bozner Boden, zu dem der Umbau des Bozner Bahnhofs, der Neubau einer Bank sowie zweier Wohntürme gehören. Ein Realisierungswettbewerb, der 2016 von ATP gewonnen wurde, gab schliesslich den Anstoss für den Bau des zwölfgeschossigen Bürogebäudes, das zu den höchsten Bauten der Stadt gehört. Der damit verbundene hohe städtebauliche Wert wird durch die optische Strahlkraft der Fassade unterstützt.

Digitale Herausforderung

Der integrale Planungsprozess mit BIM schafft unter Beteiligung von Architekten sowie Ingenieuren Transparenz gegenüber allen Projektbeteiligten sowie der Bauherrschaft und gewährleistete einen effizienten Planungsablauf. «Die Komplexität eines solchen Gebäudes erfordert ein hohes Mass an Koordination. Im integralen Planungsprozess mit BIM arbeiten alle Disziplinen in enger Abstimmung und im selben Gebäudemodell. Das steigert die Qualität der Planung. Ziel ist es, die beste Lösung für jede Aufgabe zu finden», erklärt Stefan Köll, Architekt von ATP.

Konstruktiv gestaltet

Das Tragwerk ist zugleich fassadenstrukturierendes Element des Gebäudes. Möglich macht es eine Kombination aus Stahlbeton und Stahlkonstruktion, die sich v-förmig um den eigentlichen Baukörper aus dunkel gefärbtem Sichtbeton spannt. Technische Erschliessungstürme mit verputzter Fassade ergänzen das Konstrukt und erzeugen zusammen mit den Bepflanzungen einen optischen Kontrast. «Die aussen liegende Tragkonstruktion ist extremen Temperaturen ausgesetzt und muss auch brandschutztechnisch höchste Anforderungen erfüllen. Natürlich stellten wir auch bis ins Detail hohe Ansprüche an die architektonische und technische Qualität. Die gewählte Hybridkonstruktion aus Stahlprofilen im Kern und Stahlbetonummantelung ist in der Lage, all diesen Forderungen zu entsprechen, und setzt die Geometrie der Stützenkonstruktion architektonisch perfekt um», erklärt der Architekt.

Top-Down gebaut

Des Weiteren ermöglicht die rechteckig proportionierte Tragkonstruktion eine geschossweise Erweiterung – nicht in die Höhe, sondern in Richtung des natürlichen Bodenniveaus. Den ehemaligen Firmensitz in der Bozner Innenstadt gab man aufgrund von Platzmangel auf. Der «Top-Down-Ansatz» ist eine elegante Methode für ein mögliches Unternehmenswachstum. «Für die Option der Erweiterung musste in der Planung an eine Reihe von Faktoren gedacht werden, so in Bezug auf Statik, Haustechnik bis zu den Fluchtwegen. Die BIM-Planung ermöglicht die effiziente Abstimmung all dieser Faktoren untereinander und führt damit auch zu besseren Ergebnissen», sagt Köll. Um die städtebaulichen Rahmenbedingungen einzuhalten, entschied man sich, der maximalen Bauhöhe von 40 Metern sofort zu entsprechen und trotzdem noch Raumressourcen zur Verfügung zu haben. «Gleichzeitig entsteht damit ein klimatisch sehr günstiger Effekt in der unteren Hälfte des Gebäudes, den wir durch intensive Bepflanzung und Wasserbecken noch verstärken. Der natürliche Kühleffekt wird gezielt zur Gebäudeklimatisierung genutzt», ergänzt Köll. Dass für die Aussenluftansaugung in diesem Bereich deutlich günstigere Bedingungen herrschen als im Dachbereich, machte man sich dabei zum Vorteil.

Bauliche Verwirklichung

Ein grosszügig gestalteter und mit Bäumen bepflanzter Vorplatz führt zum gläsernen Foyerbereich als Zugang zum Bürokomplex. Generell war man sehr darauf bedacht, dass Bauwerk und Natur eine harmonische Beziehung zueinander eingehen. Die offenen ersten Geschosse dienen den Mitarbeitenden als Erholungs- und Arbeitsflächen im Freien. Ein Wasserbecken dient der adiabaten Kühlung und verbessert den thermischen Komfort sowie die Luftqualität im Aussenbereich. Das ab 14 Metern Höhe beginnende Gartengeschoss mit intensiver Bepflanzung übernimmt die gleiche Funktion. Eine Wendeltreppe, über die ebenso der darüber liegende Kantinen- und Cafeteriabereich sowie die oberen vier Büroetagen erreichbar sind, dient der Erschliessung.

Der eigentliche Baukörper mit Büro- und Arbeitsflächen auf einer Bruttogrundfläche von 986 Quadratmetern beginnt mit dem sechsten von zehn Obergeschossen in etwa 20 Metern Höhe. Stützenfreie Büroräume als Open Office wurden durch die tragende Fassadenkonstruktion möglich. Trennwandanschlüsse in den Fensterachsen sind strukturgebend. Die Wünsche der künftigen Nutzenden wurden in den Planungsprozess aktiv eingebunden. Interne Arbeitsgruppen berieten dabei über alle Facetten der Gebäudenutzung und die Gestaltung der erforderlichen Funktionszonen. Parkplätze sind auf den zwei Untergeschossen zu finden.

Wohlbefinden am Arbeitsplatz

Bei der Gebäudeplanung berücksichtigte man auch die Anforderungen des internationalen Well-Zertifikats für Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Das Well-Zertifikat umfasst eine Vielzahl von Aspekten, die Einfluss auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben können. «Bei der Luftqualität geht es beispielsweise neben der ausreichenden Belüftung auch darum, nur emissionsarme Baustoffe zu verwenden, aber auch bereits beim Bauen grossen Wert auf die Hygiene der Lüftungsinstallationen zu legen. Es gibt zudem genaue Anforderungen an die Qualität der natürlichen und künstlichen Beleuchtung, an die Raumakustik, die Arbeitsplatzergonomie und natürlich den thermischen Komfort», sagt Köll. Für eine gesunde Umgebung am Arbeitsplatz werden auch räumliche Bedingungen wie Ruhezonen, Bezug zur Natur und Fitnessmöglichkeiten gefordert. Auch eine gesunde Ernährung ist Bestandteil des Well-Zertifikats, was sich durch eine Kantine mit entsprechendem Angebot realisieren liess.

Kompakt und optimiert

Eine Kombination von zonenweise umschaltbaren Niedertemperatursystemen in Form von Heiz- und Kühldecken mit einer kontrollierten mechanischen Lüftung sorgt für die Temperaturregulierung in den Innenräumen. Diese führen die konditionierte Luft über Bodenauslässe und -konvektoren bedarfsgerecht in die Räume.

Ein automatisierter Sonnenschutz reguliert zudem den Wärmeeintrag in das Gebäude. Ein mit dem 3-D-Gebäudemodell kombiniertes CaFM (Computer-aided Facility Management) unterstützt Betrieb und Wartung der Gebäudetechnik. Die Kombination aus weiteren Energieeffizienzmassnahmen mit dem Einsatz einer reversiblen Luft-Wärmepumpe – diese wird zum Heizen und Kühlen eingesetzt – in der Nähe einer kompakten und optimierten Dachtechnikzentrale ermöglichte die Erreichung der Klimahaus-A-Zertifizierung in Südtirol. ●

Projektdaten

Bauherr Markas GmbH, Bozen, Italien
Externe Planungspartner KTB – Kauer Ingenieure GmbH, Bartenbach GmbH
Ort Bozen, Italien
Baubeginn 1/2017
Fertigstellung 2/2019
Bruttorauminhalt 66 378 m3

BIM geplant
Technische Erschliessungstürme befinden sich im Zentrum des «Top-Down»-geplanten Gebäudes.
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Digitales 3-D-Modell des neuen Firmengebäudes in der Innenstadt von Bozen.
BIM geplant
Ein grosszügig gestalteter und mit Bäumen bepflanzter Vorplatz führt zum gläsernen Foyerbereich als Zugang zum Bürokomplex.
BIM geplant
Das Tragwerk ist zugleich fassadenstrukturierendes Element des Gebäudes. Möglich macht es eine Kombination aus Stahlbeton und Stahlkonstruktion.
BIM geplant
Interne Arbeitsgruppen berieten dabei über alle Facetten der Gebäudenutzung und die Gestaltung der erforderlichen Funktionszonen. Mit dem Well-Zertifikat wurde auch das Wohlbefinden am Arbeitsplatz berücksichtigt.
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BIM geplant
Die Hybridkonstruktion spannt sich v-förmig um den eigentlichen Baukörper aus dunkel gefärbtem Sichtbeton.
BIM geplant
Stahlprofile bilden den Kern der Hybridkonstruktion.
BIM geplant
Das zwölfgeschossige Bürogebäude zählt zu den höchsten Bauten der Stadt Bozen.
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Gebäudeschnitt
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Fassadenansicht des Headquarters.
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