Zusammenkunft der Fachexperten

Die Conférence BIM 2019 brachte abermals wichtige Erkenntnisse zur digitalen Transformation der Bau- und Immobilienbranche. Die Referenten gaben einen spannenden Einblick in den aktuellen Stand der Entwicklung.

Conférence BIM 2019
Die Conférence BIM 2019 war eine willkommene Gelegenheit zum Networking für die Besuchenden. Foto: Holger Jacob
Von Marianne Kürsteiner und Morris Breunig (Text) sowie BIM-Conférence (Bilder)
Die Conférence BIM 2019 brachte abermals wichtige Erkenntnisse zur digitalen Transformation der Bau- und Immobilienbranche. Die Referenten gaben einen spannenden Einblick in den aktuellen Stand der Entwicklung.

Im November fand die Conférence BIM 2019 im SwissTech Convention Center in Lausanne statt. Dazu trafen sich erneut verschiedene Akteure wie Manager und Anwender zu einem regen Austausch. An der eintägigen Veranstaltung wurde über Themen diskutiert, die sich derzeit mit der digitalen Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft befassen. Ausserdem wurde neben den Möglichkeiten und wie diese am besten umgesetzt werden können, unter anderem auch über die Risiken der Digitalisierung gesprochen. Dabei ging man besonders auch auf die fachspezifischen Kriterien und Aspekte ein. Gleichzeitig gab die Konferenz Hilfestellungen, wie man die Herausforderungen möglichst effizient bewältigen kann. Organisiert wurde die Conférence BIM 2019 gemeinsam von Bauen digital Schweiz / buildingSmart Switzerland und CRB (Centre suisse d’études pour la rationalisation de la construction).

Konferenz: Zukunftsstrategie für die Digitalisierung des Bauwesens

Die vier Referenten Jean-Marc Jeanneret, Präsident des Schweizerischen Verbands für Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), Michel Bohren, CEO der Schweizerischen Zentralstelle für Baurationalisierung (CRB), Olivier Lateltin, Mitglied des Verwaltungsrates der SIA, und Birgitta Schock, Vorstandsmitglied SIA, präsentierten ihre Zukunftsvisionen und diskutierten anschliessend am Round Table und im Austausch mit dem Publikum verschiedene Aspekte zu BIM. «Früher habe ich in einer Marketingagentur gearbeitet. Sobald meine Idee auf dem Tisch lag, gehörte sie mir nicht mehr. Im digitalen Zeitalter ist das noch ausgeprägter. Eine Lösung sehe ich dafür nicht», erklärte Michel Bohren. Damit beschrieb Bohren vermeintliche Gefahren, die zwar bereits früher zum Alltag von Planenden gehörten, aber sich durch die Digitalisierung bereits verstärkt haben und sich künftig noch weiter verschärfen könnten. Jean-Marc Jeanneret ergänzte Bohrens Darlegung unter Bezugnahme zur Interoperabilität: «Die Digitalisierung hat bereits vor 30 Jahren begonnen. Es ist wichtig, einfallsreich zu sein. Das macht den Wert einer Fachperson aus.»

«Die Digitalisierung hat bereits vor 30 Jahren begonnen. Es ist wichtig, einfallsreich zu sein. Das macht den Wert einer Fachperson aus.»
Jean-Marc Jeanneret, Präsident VSS

Auf die Frage, welchen Nutzen BIM den Menschen bringe, antwortete Michel Bohren: «Die Frage ist nicht, ob es einen Vorteil gibt. Vielleicht gibt es verschiedene, vielleicht keine. Die Technologie schreitet jedoch voran und geschieht einfach.» Olivier Lateltin sieht auch den SIA in der Verantwortung: «Die Projektleiter verwenden seit Beginn des Vorprojekts und auf Wunsch der Bauherrschaften die BIM-Methode. Der SIA und die Behörden sind von diesem Gedanken sehr weit entfernt.» Birgitta Schock äusserte sich entsprechend zu den Befürchtungen, der SIA könnte bei der Erarbeitung von Normen nicht mit der Geschwindigkeit Schritt halten, in der die rechtlichen Probleme bezüglich BIM aufträten: «Beim SIA geht es darum, Informationen zu erhalten – nicht durch ein Programm, sondern durch Interaktion. Denn es ist ein Veränderungsprozess und kein digitales Thema.»

Michel Bohren antwortete auf die Bedenken eines Teilnehmers, dass in Deutschland und Frankreich bessere Fachleute vorhanden seien als in der Schweiz: «Wir haben in der Schweiz generell nicht genügend Experten, aber jene, die wir haben, sind gut ausgebildet. Trotzdem brauchen wir viele Leute aus dem Ausland.» Birgitta Schock plädierte darüber hinaus dafür, sich auf die eigenen Qualitäten zu konzentrieren, statt ständig Vergleiche anzustellen. «In unserem Unternehmen konzentrieren sich die Spezialisten nicht nur auf die Technik, sondern auch auf das Büro und die Baustelle. Menschen, die nur 3-D machen, sind in der Praxis nicht nützlich», ergänzte Jean-Marc Jeanneret.

Bahnhof Lausanne in BIM

Im Sommer wurde den SBB die Bewilligung zum Umbau des Bahnhofs Lausanne durch das Bundesamt für Verkehr erteilt. Pierre Carrié, Verantwortlicher für den Sektor Bahnhof, Knotenpunkt Lausanne SBB, referierte in seinem Themenblock zu den Herausforderungen sowie Möglichkeiten und wie man diesen durch die zunehmende Digitalisierung begegnen wolle. Das Projekt «Léman 2030» sieht neben einer Verbreiterung und Verlängerung der Perronflächen auch mehrere Personenunterführungen vor. Ziel dieser Massnahmen ist, dem steigenden Passagieraufkommen (bis zu 200 000 Fahrgäste pro Tag) zu entsprechen. Aufgrund der Komplexität des Projekts vertraut man auf die BIM-Methode. Für die Projektleitung wählten sie eine Software, die speziell für die SBB entwickelt wurde. Insgesamt arbeiten mehr als 100 Personen an diesem BIM-Modell. Pierre Carrié ist überzeugt, dass die Entscheidung zugunsten von BIM richtig ist. Laut Carrié geht es nicht mehr darum, ob man BIM nutzt, sondern wie man es bestmöglich einsetzt, um Termine, Kosten und Risiken zu managen. Das Pflichtenheft müsse berücksichtigen, dass sich Mensch und Technologie bis zur Beendigung des Projekts in rund zehn Jahren zwangsläufig veränderten.

«Die Projektleiter verwenden seit Beginn des Vorprojekts und auf Wunsch der Bauherrschaften die BIM-Methode. Der SIA und die Behörden sind von diesem Gedanken sehr weit entfernt.»
Olivier Lateltin, Mitglied des Verwaltungsrates der SIA

Bereits im Dezember 2018 haben die SBB den renovierten Westflügel des Bahnhofs Lausanne nach zweijähriger Umbauzeit eingeweiht. Dabei wurden unter anderem die Gebäudetechnik und die Lüftungsanlagen modernisiert sowie neue Büro- und Geschäftsräumlichkeiten geschaffen. Jener Gebäudetrakt wurde 1916 von den Architekten Monod & Laverrière und Taillens & Dubois entworfen, war aber bisher ohne Renovierung ausgekommen.

Kostenmanagement-Konferenz

Im Veranstaltungsblock speziell zum Kostenmanagement stellten Nicolas Pierret und Murat Pala vom Büro Tekhne ihre Arbeitsweisen hinsichtlich des für Projekte notwendigen Kostenmanagements vor. Die BIM-Methode verändert die Planungsabläufe in Unternehmen grundlegend. Deshalb drängen sich verstärkt Fragen auf:

Wie kann ein IFC-Modell in die Arbeitsprozesse des Unternehmens integriert werden?

Wie kann eine Verbindung zwischen modellierten Elementen und einer Kostendatenbank hergestellt werden?

Wie schreibt man Ausschreibungen auf der Grundlage einer IFC-Datei?

Datenbankmanagement- und Datenvisualisierungstools sollen alle Beteiligten dabei unterstützen. Pierret und Pala demonstrierten an einem Beispielprojekt, wie das idealerweise funktionieren könnte. Damit stellten die Referenten eine interaktive Verbindung zwischen ihrer Kostenstruktur und den Elementen des Modells her. Volumetrische Änderungen am Modell haben direkte Auswirkungen auf die Kosten. Mit ihren digitalen Werkzeugen behalten Pierret und Pala jedoch stets den Überblick und können sich problemlos an die Entwicklung des Projekts anpassen. Mit zwei Demonstrationen – eine in Phase 31 und eine weitere in Phase 41 – veranschaulichten sie diesen Ansatz. Die von Pierret und Pala verwendete Software wurde so gewählt, dass sie den Ansprüchen aller Teilnehmenden entspricht. Damit lassen sich Updates automatisieren, Daten extrahieren, neu berechnen sowie manuelle Eingriffe minimieren. Ebenfalls ermöglicht jene Anwendung, die Methode zu vereinfachen und darüber hinaus die Konstruktions- und die Planungsphase zu operationalisieren, zu integrieren und zu kontrollieren. Mit folgendem Rat regte Nicolas Pierret zum Nachdenken an: «Die Idee ist, flexibel zu bleiben und sich nicht von Ingenieuren abhängig zu machen.»

Anwendungsfall: BIM-to-Field

In einem weiteren Themenblock stellte man «Vortex» vor, das ein emblematisches Gebäude in der Region Lausanne ist. Eine schraubenförmige Rampe auf mehr als acht Türmen und fast tausend Appartements für die Olympischen Jugendspiele und für Schüler der Gymnasien sind Bestandteil der komplexen Geometrie des Gebäudes, das eine Fläche von mehr als 30 000 Quadratmeter für 1000 Bewohnende hat. Mit der BIM-Methode kann den Herausforderungen des Projekts umfassend Rechnung getragen werden. Guillaume Schobinger, Itten + Brechbühl AG, und Miguel Bermudez, Losinger Marazzi SA, berichteten darüber, wie man den engen Terminplan und die Komplexität des Projekts bewältigt. Die BIM-Methode kommt dabei für die gesamte Planung und den Bau des Gebäudes zum Einsatz. Verschiedene Partner bringen wichtige Erfahrungen hinsichtlich Koordination, Angebotserstellung und Industrialisierung in das Projekt ein. Zur Überwachung der Ausführung sowie zur Verbesserung von Qualität und Sicherheit wird BIM auch vor Ort eingesetzt. Die Grundlage für eine erfolgreiche Anwendung von BIM waren Kommunikation und Zusammenarbeit.

BIM-Herausforderungen bei «Vortex»

Zunächst wurden die folgenden Ziele definiert:

Implementierung der BIM-Methode in nur zwei Monaten: Realisierung der Presynthese, Auswirkungen der Geometrie auf die verschiedenen Disziplinen, Management der Georeferenzierung, Implementierung des Leistungskatalogs nach Teilen (kollaborative zentralisierte Datenbank)

Erstellung aller Dokumente auf Basis digitaler Modelle und Datenbanken

Durchführung der 2-D- und 3-D-Projektkoordination und Nachverfolgung von Change Requests

Durchführung von Studien zu den Planunterlagen wie Messungen und Eingaben, Simulationen, Berechnungen und Beschreibungen

BIM erlaubt die Validierung und die Genehmigung durch die Auftraggeberin und ihre Interessenvertreter des Projekts.

BIM ermöglicht die Integration von Informationen über die künftige Nutzung und Instandhaltung des Gebäudes durch den Projekteigner, seine Nutzer und Betreiber (wenn das eine spezifische Anfrage des Auftraggebers ist).

BIM ermöglicht einen virtuellen Rundgang.

BIM-Innovation

Mehr als 50 Interessenvertreter nahmen daran teil, die 45 BIM-Modelle des Vortex-Projekts zu liefern und koordinieren. Die Organisation der BIM-Objekte war eines der wichtigsten Themen, da sie auf 60 Layern pro Turm und Geschoss des Gebäudes referenziert werden – anstatt einer Ebene pro Stockwerk wie in einem traditionellen Gebäude. Datenextrakte aus den verschiedenen Modellen ermöglichten alle notwendigen Messungen für die Projektdurchführung. Alle Arbeitsschritte der Entwurfs-, Konzeptions- und Vorbereitungsphase sind dank eines BIM-to-Field-Tools, Dalux, vor Ort in der Ausführung verfügbar. Die Software ermöglicht die Projektüberwachung mithilfe mobiler Geräte, wobei die Pläne und Projektinformationen stets abrufbar sind. Eine 3-D-Suite mit koordinierten Modellen und 2-D-Ausführungsplänen erhöht gleichzeitig die Qualität.

«Vortex» entsteht auf Basis der openBIM-Methode: Jeglicher Datenaustausch erfolgt mit IFC- und nativen Dateien (um am IFC-Export zu arbeiten). Alle Beteiligten strukturieren ihr Modell in mehrere Teilmodelle (6 Modelle pro Agent), um die Fluidität und die Zusammenarbeit zu verstärken. Die digitalen Mock-ups und Dokumente werden auf den Plattformen OneDrive und eDOCweb zur Archivierung verteilt. Die Modelle werden mit der Solibri-Model-Checker-Software abgestimmt, und man verwendet das BCF-Format, um Konflikte oder Wünsche in den Modellen zu verwalten. Vor Ort werden die Kollisionen mit der Dalux-Field-Software unter Verwendung digitaler IFC-Modelle verwaltet.

Einsatz von GeoBIM

Stéphane Couderq von Topomat und Christophe Lachs, Büro für Stadtplanung, Kanton Genf, referierten zur Verwendung von Geodaten in urbanen Projekten. Hintergrund sind die Untersuchungen des Office de l’Urbanisme (OU) des Kantons Genf zu den Auswirkungen der BIM-Methode sowie die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen, die für die Integration der von BIM verwendeten Technologien nötig sind. Stadtplaner stützen sich auf territoriale Daten und damit auf Software, die GIS-Technologien verwenden. Die Anwender nutzen Papierpläne, die Webanwendung SITG CartePro und die GIS-Software ArcGIS Desktop. Die damit erhobenen und analysierten Daten verwenden grundlegende GIS-Konzepte. Es wird deshalb dringend empfohlen, diese Analysetechniken beizubehalten und die notwendigen und ausreichenden Daten aus dem BIM-Modell in die Business-GIS-Datenbank vom OU zu integrieren. Diese importierten Daten können dann in Verbindung mit allen verfügbaren Daten aus dem Gebiet analysiert werden. Als Erkenntnis bleibt, dass GIS das Referenzinstrument innerhalb des OU bleiben muss und dass das BIM-Modell die Möglichkeit gibt, die GIS-Datenbank zu erweitern.

Auch unter den Besuchenden ergaben sich zwischen den Veranstaltungsblöcken spannende Gesprächsrunden zum Thema BIM. Der Event war deshalb auch eine willkommene Gelegenheit zum Networking, um mögliche neue Projekte, Studien und Kooperationen zu diskutieren. ●

Conférence BIM 2019
Michel Bohren.
Guillaume Schobinger und Miguel Bermudez (v. l. n. r.).
Guillaume Schobinger und Miguel Bermudez (v. l. n. r.).
Pierre Carrié und Moderatorin Nathalie Randin.
Pierre Carrié und Moderatorin Nathalie Randin.
Nathalie Randin und Bernd Domer ,Jean-Marc Jeanneret, Birgitta Schock, Michel Bohren und Olivier Lateltin
Die Moderatoren Nathalie Randin und Bernd Domer sowie die Referenten Jean-Marc Jeanneret, Birgitta Schock, Michel Bohren und Olivier Lateltin (v. l. n.  r.). Fotos: Holger Jacob
Stéphane Couderq
Stéphane Couderq.
Bernd Domer.
Bernd Domer.
Jean-Marc Jeanneret
Jean-Marc Jeanneret. Foto: Holger Jacob
Birgitta Schock
Birgitta Schock.
Nicolas Pierret und Murat Pala
Nicolas Pierret und Murat Pala (v. l. n. r.).
Holger Jacob
Pierre Carrié. Foto: Holger Jacob
Conférence BIM 2019
Die Referate waren auch zwischen den Themenblöcken Gesprächsthema.
Conférence BIM 2019
Verschiedene Firmen präsentierten im Foyer neue Produkte.
Conférence BIM 2019
Die Ausführungen der Referierenden trafen auf grosses Interesse beim Publikum.
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