Was ist noch ohne integrale Planung möglich?

Integrales Planen nimmt in Zeiten von BIM einen hohen Stellenwert ein. Christoph M. Achammer gehört diesbezüglich zu den wichtigsten Protagonisten.

Christoph M. Achammer
Der Architekt und Universitätsprofessor Christoph M. Achammer ist Vorstandsvorsitzender von ATP architekten ingenieure, das sich auf integrales Planen spezialisiert hat und europaweit tätig ist. Er studierte an der Technischen Universität Wien. 1987 trat er als Partner bei ATP ein. 2002 wurde er als Universitätsprofessor an den Lehrstuhl für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung der TU Wien berufen. Fotos: ATP, Olaf Becker
Von Morris Breunig
Integrales Planen nimmt in Zeiten von BIM einen hohen Stellenwert ein. Christoph M. Achammer gehört diesbezüglich zu den wichtigsten Protagonisten.

Wird Building Information Modeling (BIM) von den Architekten geprägt, oder ist integrale Planung für BIM stilbildend? Während die Meinungen diesbezüglich häufig auseinandergehen, bezieht Christoph M. Achammer von ATP architekten ingenieure im Gespräch Stellung.Christoph M. Achammer hat sich mit seinen über 800 Mitarbeitenden dem integralen Planen und Bauen verschrieben. Als Vorstandsvorsitzender implementierte er es in die Unternehmenskultur von ATP architekten ingenieure. Seit 2012 plant ATP durchgehend mit BIM, was als ideale Kombination mit dem integralen Planen und Bauen funktioniert. Der von ATP über mehrere Jahre entwickelte BIM-Standard trug etwa zur österreichischen BIM-Norm (ÖNORM A 6241) bei.

«Inzwischen braucht es deutlich mehr Disziplinen und das Know-how von Fachplanern. BIM ist kein exklusiver Klub für Architekten.»
Christoph M. Achammer

Lokale Anforderungen beeinflussen das Bauen, Industrie und Digitalisierung folgen hingegen internationalen Prinzipien. Wie gelingt dieser Spagat?
Der dafür dringend notwendige kleinste gemeinsame Nenner ist die eindeutig verständliche Bezeichnung von Eigenschaften von Bauteilen und deren internationale Codierung. Building Smart International hat dafür den Design-Dictionary entwickelt, der aber, um wirksam zu werden, redaktionell betreut und mit IFC-Codes vernetzt werden muss. Eine Aufgabe, die ein generischer Property-Server, der kostenlos allgemein zugänglich sein muss, erfüllen soll.

Wie bildet sich das im Unternehmen ab?
Durch den modellbasierten Ansatz, nach dem wir Bauwerke entwickeln. Im Fokus steht die Nutzung – Wohnen, Industrie oder Gewerbe –, und das Gebäudemodell bildet schrittweise den Prozess ab. Jedes neue Projekt hat andere Herausforderungen. Früher fungierte der Architekt noch als Allrounder. Inzwischen braucht es deutlich mehr Disziplinen und das Know-how von Fachplanern. BIM ist kein exklusiver Klub für Architekten. Deshalb bin ich auch als Organisationsleiter gefragt, um die Projektteams jeweils mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten.

Die Hürden von BIM sind vorwiegend menschlich und weniger technisch begründet. Wie geht man mit den kulturellen Herausforderungen um?
Integrales Bauen ist ein kultureller Wandel. Die Besetzung der Projektteams folgt deshalb einer dezidierten Auswahl an Fachkräften. Welche Personen sind bereit zum Teilen und Kollaborieren? Diese Kriterien sind für die Digitalisierung und BIM essenziell. Die Einheiten müssen im Planungsprozess eigenständig funktionieren – so lautet das Ziel. Unsere Unternehmenskultur skizziert dafür den entsprechenden Rahmen. Aufgrund des trinationalen Wirkens in Österreich, Deutschland und der Schweiz hat sich gezeigt: Eine einheitliche Kommunikationssprache, wie die Definition von Bauteilen oder Arbeitsschritten in den Leistungsphasen, ist während des Planens unerlässlich. Sie ist relevant und muss verstanden werden, ob gesprochen oder geschrieben. Hier auf der Methode BIM aufzubauen, ist klar ein Vorteil.

Ist BIM exklusiv auf Grossprojekte und mitarbeiterstarke Planungsteams ausgerichtet? Kann BIM auch losgelöst davon funktionieren?
Noch spricht vieles dafür. Die Simulation komplexer Strukturen, wie etwa in Krankenhäusern, findet mit BIM auf einem bedeutend höheren Niveau statt. Die Vorteile des integralen Planens werden bei diesen Gebäudekategorien schnell deutlich. Die vom Schweizer Bund unterstützte Strategie «Digitale Schweiz» fördert diesen Trend ab 2021 zusätzlich. Viele Grossinvestoren drängen zudem auf den Einsatz von BIM, was eine lobenswerte Tendenz ist.

Welche Auswirkungen hätte eine konventionelle Planungsmethode für Ihr Unternehmen?
Die konsequente Unternehmensausrichtung auf integrale Planung und das frühzeitige Bekenntnis zu BIM haben uns eine aktuelle Vorreiterrolle im europäischen und besonders im deutschsprachigen Raum ermöglicht. Mit herkömmlichen Planungsmethoden hätte das Unternehmen kein derartiges Wachstum erfahren. Bei rund 800 Mitarbeitenden haben wir die Herausforderung, mehrere Grossprojekte parallel planen zu dürfen. Ein Verzicht auf integrales Planen wäre illusorisch und eine Vergeudung bereits erarbeiteter Kompetenzen. Die herkömmliche Planungsmethode ist ein Auslaufmodell und nicht mehr zeitgemäss.

Worin liegt der heutige Mehrwert für Eigentümer und Betreiber von Gebäuden im Vergleich zu bisherigen Planungs- und Bauprozessen?
Das As-built-Modell ermöglicht ihnen einen effizienten Betrieb des Gebäudes. Wir sollten nicht vergessen, dass der kostenintensivste Lebenszyklusabschnitt eines Gebäudes erst nach dessen Fertigstellung effektiv beginnt. Im herkömmlichen Planungsprozess wurde der Betriebsphase häufig nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Das integrale Planen und Bauen und speziell BIM haben erfreulicherweise einen Paradigmenwechsel herbeigeführt, wodurch alle Phasen eines Gebäudes ähnlich stark gewichtet werden und bereits in frühen Planungsphasen simuliert werden können.

Welchen Stellenwert hat die Industrie im Konzept der integralen Planung?
Die Bauindustrie profitiert von BIM. Das ist unverkennbar. Das digitale Modell erfüllt alle Voraussetzungen, um den gewünschten Prozess und damit verbundene Disziplinen wie die Gebäudetechnik zusammenzuführen, baulich abzubilden und zu koordinieren. Auf dieser Grundlage wird auch die integrale Planung ein noch höheres Niveau erreichen. Vor allem aber wird damit die Tür aufgestossen, um ein Verschwendungspotenzial von 30 bis 50 Prozent in den aktuellen Prozessen zu reduzieren.

Gehen wir 15 Jahre in die Zukunft: Was ist vom integralen Planen und Bauen zu erwarten? In welcher Weise werden Industrie und Architekten in Mitteleuropa miteinander kooperieren?
Um integrale Planungsabläufe zu ermöglichen, werden sich industrielle und planerische Komponenten enger verzahnen. Vermeintliche Eigeninteressen – häufig aus finanziellen Gründen – müssen im Sinne eines erfolgreichen Gesamtprojektes zurückgestellt werden. Die spezifischen Bereiche müssen generell und nicht nur im Einzelfall näher zusammenrücken. Die bevorstehenden Herausforderungen sind offensichtlich: Industrielle Leistungsträger müssen auf Modelle reagieren können, die wir beim integralen Planen darstellen. ●

Zur Person

Das Engagement von Christoph M. Achammer reicht bis in das Bildungs- und Normierungswesen sowie die Standardisierung. Für den deutschsprachigen Raum wünscht er sich eine einheitliche Informationsstruktur – Definition der Attribute der einzelnen Bauteile und gebauter Materialstrukturen. Eine Erweiterung um annäherungsweise passende Bauteile, Materialien und Produktstrukturen könnte speziell in der Schweiz starkes Interesse auslösen.

Christoph M. Achammer
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